Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten... Verkauft!
Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten... Verkauft!
VON JOE GEIMER
Was haben Sie eigentlich am Montagabend getan? Haben Sie vom vielleicht letzten lauen Sommerabend profitiert und bei einem vorzüglichen Rotwein auf einer Terrasse die Seele baumeln lassen? Oder war es doch ein Restaurantbesuch? Kino? Stimmt, geht mich eigentlich auch gar nichts an.
Um Mitternacht endete in den meisten europäischen Fußball-Topligen die Sommer-Transferperiode. Und falls Sie die letzten Stunden und Minuten nicht genau verfolgt haben, ist Ihnen eine Menge entgangen. Reinstes Entertainment. Emotionen pur. Besser als jede Komödie und fesselnder als jeder Krimi. Die Gefühlsspanne reichte von ungläubigem Staunen über Entsetzen und Fassungslosigkeit bis zu hemmungslosem Lachen. Unbezahlbar.
Fußball als Spekulationsgeschäft
Leider hat das Ganze einen ernsten Hintergrund. Wurzel des Übels ist wieder einmal das Geld. Oder die Clubs? Die verdorbenen Charakter einiger Topspieler können es schließlich nicht sein ...
Doch zurück zum "Transfer Deadline Day". Besonders in England ist dieser Tag seit vielen Jahren eine feste Institution. Am Bank Holiday hat man schließlich sonst nichts zu tun. Dank Sky Sports sind die letzten Stunden der Transferperiode zu einem medialen Spektakel geworden, bei dem in atemloser Geschwindigkeit wirre Gerüchte, vermeintliche Indizien und „Done Deals“ über die Kanäle gejagt werden.
Fußball als Spekulationsgeschäft. Nichts anderes ist es, wenn hektische Deals abgeschlossen werden, die zum Teil als abenteuerliche (Ver)Rechnungsgeschäfte daherkommen. Viele Manager und Agenten sind in diesen Tagen nicht nur als Geschäftsmänner gefragt, sondern auch als Gambler: 30 Millionen? Wer bietet mehr? Ich höre 80. Ihr letztes Gebot? Zum Ersten, Zum Zweiten, zum Dritten ... Verkauft!
Martial, de Bruyne, Sterling
Die meisten Hammer sind gefallen, auch wenn in England noch bis zum Dienstagabend (19 Uhr) gewechselt werden kann. Geradezu schwindelerregend sind die derzeit in der Premier League gezahlten Ablöse- bzw. Transfersummen. Beispiel gefällig? Kennen Sie Anthony Martial? Der 19-Jährige (!) ist je nach Quelle für bis zu 80 Millionen Euro (!!) von Monaco zu Manchester United gewechselt. Stichwort Panik-Kauf.
Oder Kevin de Bruyne. Der zweifellos talentierte Belgier kehrt für 75 Millionen Euro als Bundesliga-Rekordtransfer nach England (Manchester City) zurück, wo er vor eineinhalb Jahren als Ladenhüter den FC Chelsea mit nur drei Premier-League-Einsätzen ziemlich leise zur Hintertür verlassen hatte.
Sieben Milliarden über drei Jahre
Die Preise auf dem Markt sind explodiert und haben krankhafte Ausmaße angenommen. Der helle Wahnsinn. Ein Ende dieser unverhältnismäßigen Evolution ist nicht abzusehen. Der neue englische Fernsehvertrag tritt erst im nächsten Jahr in Kraft und beschert den Clubs der Premier League insgesamt knapp sieben Milliarden Euro über drei Jahre!
Das böse Geld verdreht so manchem Spieler den Kopf. Beispiel Raheem Sterling. Der erst 20-Jährige wechselte im Sommer für 68 Millionen Euro von Liverpool ebenfalls zu Manchester City. Zuvor hatte er bei den "Reds" ein Angebot von 140 000 Euro pro Woche abgelehnt. Zu wenig. Das sagte er zwar nicht, dachte es aber wohl.
Dass ein 20-jähriger Engländer den Preis derart in die Höhe treiben kann, liegt nicht zuletzt an einer neuen Quotenregelung für Nachwuchsspieler, die zur kommenden Saison eingeführt wird. Sie verpflichtet die Clubs, mindestens acht Spieler in der ersten Mannschaft zu beschäftigen, die drei Jahre lang in England ausgebildet worden sind. Eine Forderung, die so manchem englischen Topclub die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Und weil das Angebot an heimischen Jungprofis mit ansprechendem Niveau nicht groß ist, können Spieler wie Sterling den Preis in die Höhe treiben.
Uefa lockert die Anforderungen
Möglich gemacht hat Citys pompöse Shoppingtour im Sommer auch die Uefa. Der europäische Fußballverband lockerte überraschend die Daumenschrauben in Sachen Financial Fair Play und ersparte dem in den vergangenen Jahren nicht gerade für ausgeglichene Bilanzen bekannten Club von Scheich Mansour bin Zayed al-Nahyan damit weitere Strafzahlungen.
Das kann man verstehen, muss man aber wohl nicht.
Wie heißt es so schön: Geld regiert die Welt! Auch wenn das den Fußallromantikern nicht schmeckt.
Abschließend noch ein paar, zugegebenermaßen nicht ganz ernst gemeinte Dinge, die wir aus den vergangenen Wochen gelernt haben:
Wenn Manchester United jemanden verpflichten will, bekommt der Club ihn ... nicht.
Gut, das trifft nicht ganz zu: Morgan Schneiderlin, Bastian Schweinsteiger, Matteo Darmian, Memphis Depay und Sergio Romero sind beispielsweise in den vergangenen Wochen zur Truppe von Louis van Gaal gestoßen, allerdings wird es auch den ManUnited-Fans nicht entgangen sein, dass ihr Club mehrmals eine unglückliche Figur machte: Vidal, Pedro, Müller, Kane, Benzema, Clyne, Ramos, Pogba und Co. lassen grüßen. Man wird das Gefühl nicht los, dass in Manchester nicht gerade verantwortungsbewusst mit dem Geld umgegangen wird. Verzweifelter Kaufrausch ist das Stichwort. Oder hätten Sie gefühlte 80 Millionen Euro für Martial bezahlt?
Wenn Spieler Ihr neues Trikot präsentieren, heißt dies noch längst nicht, dass Sie dieses auch tragen werden...
Nicht alle vermeintliche Informationen zu ernst nehmen:
Karim Benzema postete auf Instagram die Message: "Lassen wir die Vergangenheit, Vergangenheit sein" und heizte somit die waghalsigsten Transfer-Spekulationen an.
Der französische Nationalspieler sorgte dann aber schnell für Klarheit:
Auch in der zweiten englischen Liga gibt es (fast) keine Grenzen:
Burnley, Absteiger aus der Premier League, hat Angreifer Andre Gray für geschätzte 12 Millionen Euro von Brentford verpflichtet, um den sofortigen Wiederaufstieg zu schaffen.
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