Integration durch Sport
Integration durch Sport
VON ANDREA WIMMER
Sicherer Rückhalt im Fußballtor, Vorbild im Tischtennis, Leistungsträger im Volleyball: Sportler mit ausländischen Wurzeln spielen in einigen Luxemburger Nationalmannschaften zum Teil wichtige Rollen. Es gab und gibt immer wieder Nationalspieler, die den Pass des Großherzogtums erst als Teenager oder Erwachsener erhielten. Meist sind sie eine Bereicherung für ihre Teams.
„Sport ist ein wichtiger Integrationsfaktor. Darauf sind wir auch stolz“, sagt Paul Philipp, der Präsident des nationalen Fußballverbandes FLF. Ihm ist aber auch wichtig zu betonen, dass es beim Thema Einbürgerung keine Extrawürste für den Sport gibt. „Die Regeln sind für alle gleich.“
In den Fällen, in denen Fußballer als Erwachsene eingebürgert wurden, um in der Nationalmannschaft spielen zu können, sei immer gesetzeskonform gehandelt worden. Und auch wenn der einheimische Fußball – wie in anderen Nationen – von Spielern mit ausländischen Wurzeln profitiere, sei Integration keine Einbahnstraße: „Sie muss immer in zwei Richtungen gehen“, so Philipp.
Die Fußballnationalmannschaft der Männer steht besonders im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Einer der prominentesten Akteure ist Jonathan Joubert. Der gebürtige Franzose ist seit vielen Jahren Luxemburger, seit Juni 2006 Nationaltorhüter und stellte in bisher 75 Länderspielen regelmäßig seine Klasse unter Beweis. Er war nach seiner Ausbildung in Metz als 19-Jähriger zum CS Grevenmacher gekommen, seit 2004 spielt er bei F91 Düdelingen. Er lebt und arbeitet im Land.
Sein Stellvertreter im Tor, Anthony Moris, sowie Maxime Chanot kamen in den vergangenen beiden Jahren in die Nationalmannschaft. Beide sind Profis in Belgien. Der gebürtige Belgier Moris und der aus Frankreich stammende Chanot erhielten die luxemburgische Staatsbürgerschaft, weil Eltern bzw. Großeltern Luxemburger sind oder waren. Der in St. Vith geborene Mario Mutsch, Sohn eines Luxemburgers, spielte in der dritten belgischen Liga, als er 2005 in die Nationalelf kam.
Mathias Jänisch zog als kleines Kind mit seinen deutschen Eltern nach Luxemburg, er wuchs hier auf und wurde als Jugendlicher auch formell Luxemburger. Die meisten Nationalspieler sind im Großherzogtum geboren – auch wenn deren Eltern ursprünglich aus Portugal, den Kapverden oder dem früheren Jugoslawien kamen.
Zehn von 18 Spielerinnen mit Migrationshintergrund
In der Frauennationalmannschaft hatten beispielsweise im Kader für die letzte EM-Vorqualifikation zehn von 18 Spielerinnen Migrationshintergrund. „Ich bin der festen Überzeugung, dass der Sport sehr viel zur Integration beiträgt. Andererseits wären in Luxemburg der Sport im Allgemeinen und der Fußball insbesondere viel schlechter dran ohne die vielen Spieler und Funktionäre mit Migrationshintergrund“, sagt Nationaltrainer Ray Pye, der aus Großbritannien stammt. Andreia Machado ist eine der Leistungsträgerinnen, die den Luxemburger Pass als 18-Jährige erhielten.
Auch in anderen Sportarten gibt es zahlreiche Beispiele für Nationalspieler, die nicht von Geburt an Luxemburger waren. Im Volleyballteam der Männer, die derzeit bei den JPEE in Island um Medaillen kämpfen, ist Kamil Rychlicki ein großer Hoffnungsträger. Der 18-Jährige, Sohn polnischer Eltern, wurde in Ettelbrück geboren und hat den luxemburgischen Pass seit zwei Jahren. Er fühlt sich im Land „sehr gut“ integriert: „Ich bin hier aufgewachsen und habe somit hier einen großen Freundeskreis.“ Laut Nationaltrainer Dieter Scholl ist Rychlicki auf dem Sprung ins Profilager.
Der gebürtige Belgier Tim Laevaert, als Kleinkind mit der Familie eingewandert, ließ sich vor zehn Jahren „naturalisieren“ und zählt nun mit 28 Jahren zu den Routiniers im Team. „Luxemburg ist meine Heimat. Ich bin und fühle mich als Luxemburger“, sagt er selbst. Teamkollege Juan Pablo Stutz hat einen etwas weiteren Weg hinter sich.
Der gebürtige Argentinier spielte 2008 als Profi in Spanien, als er für die Luxemburger Mannschaft „entdeckt“ wurde. Die doppelte Nationalität verdankt er seinem Großvater, der einst von Luxemburg nach Argentinien auswanderte. „Am Anfang war es wegen der Sprache nicht so einfach. Aber ich hatte immer die Unterstützung meiner Teamkollegen und so fühle ich mich hier inzwischen zu Hause“, so Stutz.
Chinesische Weltmeisterin als Vorbild
Von den Luxemburger Tischtennis-Assen bei den JPEE haben Ni Xia Lian, Traian Ciociu und Egle Tamasauskaite ausländische Wurzeln. Ni Xia Lian war 1983 mit der chinesischen Mannschaft Weltmeisterin. Sie lebt seit 1989 in Luxemburg, wurde zum Vorbild für ihre jüngeren Kolleginnen und gewann gerade wieder JPEE-Gold. „Sie ist ein Zugpferd für die anderen“, sagt FLTT-Generalsekretär Romain Sahr.
Auch der frühere rumänische Nationalspieler Ciociu ist wie Ni mit über 50 noch Leistungsträger. Dass eingebürgerte Athleten Erfolge feiern, ist kein neuzeitliches Phänomen. 1909 gewann der gebürtige Franzose François Faber die Tour de France – als Luxemburger. Der Radsportler hatte zuvor die Nationalität seines Vaters angenommen.
Der erfolgreichste Luxemburger Skirennläufer stammt aus Österreich: Marc Girardelli, fünfmaliger Gewinner des Gesamtweltcups, schloss sich 1976 dem Luxemburger Skiverband an, weil sich Vater und Trainer Helmut mit der österreichischen Föderation zerstritten hatte. 1992 holte Girardelli mit zwei Mal Silber die bislang einzigen Luxemburger Winterolympiamedaillen. Privat fehlte dem Vorarlberger aber der Bezug zum Großherzogtum.
Familien sensibilisieren
Bei vielen hier aufgewachsenen Sporttalenten ist es eher umgekehrt. Zahlreiche Kinder eingewanderter Eltern gehen hier zur Schule und werden in Vereinen und Verbänden sportlich ausgebildet, nur den Luxemburger Pass haben sie (noch) nicht. Der FLF bereitet dies Probleme. „In unserer Fußballschule werden die Talente so gut ausgebildet, dass die ausländischen Verbände das genau beobachten“, sagt Philipp.
So steht zu befürchten, dass mancher in Luxemburg sozialisierte Jugendliche sich später wie Miralem Pjanic doch für die Nationalmannschaft des Landes seiner Familie entscheidet. Auch FLTT-Generalsekretär Sahr sagt: „Wir bilden viele Jugendliche aus, die dann nicht in der Nationalmannschaft spielen, weil sie die Staatsangehörigkeit nicht haben.“
Bei der FLF versuche man, die Jugendlichen und ihre Familien früh für das Thema zu sensibilisieren, man biete zum Beispiel Sprachkurse für die Eltern an, so Philipp. Denn auch in den Juniorennationalteams können die Söhne und Töchter nur als Luxemburger spielen. Und dafür muss zumindest ein Elternteil hiesiger Staatsbürger werden.
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