Homeoffice für Leistungssportler
von Jan MORAWSKI/ 18.03.2020
Wie sich Luxemburgs Athleten während der Corona-Krise fit halten.
Es gibt keinen Menschen in Luxemburg, der von den Maßnahmen rund um die Corona-Krise nicht betroffen ist. Während die einen mit den täglichen Einschnitten besser umgehen, setzen den anderen die Einschränkungen mehr und mehr zu. Bei den Sportlern im Land ist die Situation eine besonders anspruchsvolle. Sie sind es gewohnt, täglich zwischen Arbeitsplatz, Universität oder Schule sowie den verschiedenen Sportstätten hin und her zu pendeln. Dass sie sich künftig nur noch beschränkt entfalten können, ist ungewohnt und schwierig.
Tessy Gonderinger
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(jan) - Tischtennis-Nationalspielerin Tessy Gonderinger ist normalerweise dauernd unterwegs. Arbeit Sport, Freunde: Der Alltag der 26-Jährigen ist prall gefüllt und abwechslungsreich. Wegen der Corona-Krise verbringt sie nun die meiste Zeit zu Hause. „Das ist für mich sehr ungewohnt“, sagt Gonderinger. „Ich kümmere mich um den Haushalt, schaue viele Nachrichtensender und arbeite für die Schule“, beschreibt die Grundschullehrerin ihren Tagesablauf.
Deshalb braucht die Sportlerin einen Ausgleich: „Das Tischtennistraining liegt komplett auf Eis, aber sportliche Aktivitäten mache ich trotzdem täglich, um fit zu bleiben. Ich denke, dass das sehr wichtig ist. Ich gehe laufen, wandern, mache zu Hause Krafttraining oder Stretching.“
Dass die Gesellschaft dieser Tage drastische Maßnahmen über sich ergehen lassen muss, ist für Gonderinger nachvollziehbar: „Die Einschränkungen sind ungewohnt und gefallen vermutlich niemandem besonders. Ich bin aber der Meinung, dass diese Einschränkungen richtig sind.“
Die 26-Jährige denkt dabei vor allem an die gesellschaftliche Verpflichtung, die sie vor allem gegenüber den Risikogruppen hat. „Wenn ich der raschen Verbreitung des Virus entgegenwirke und so anderen Menschen – vor allem älteren Leuten – helfen kann, nehme ich diese Einschränkungen gerne in Kauf. Es ist eine Ausnahmesituation, aber wenn sich alle an die Maßnahmen halten, wird der Alltag in einigen Wochen wieder normalisiert.“
Rémi Fabiani
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(jan) - Schwimmhallen waren im Rahmen der Corona-Krise die ersten Einrichtungen, die dicht gemacht wurden. Kein Wunder also, dass sich die luxemburgischen Wasserspezialisten Alternativen für das tägliche Training einfallen lassen mussten. „Wir hatten gehofft, dass wir ab Mittwoch wieder trainieren können“, berichtet Rémi Fabiani. „Aber leider sind die Vorgaben für das ganze Land noch strenger geworden.“
Der 19-Jährige nutzt Laufeinheiten, um die Ausdauerleistung hoch zu halten. Dabei greift Fabiani auf ein besonderes Hilfsmittel zurück. Er trägt eine Maske – die jedoch nichts mit dem Schutz vor Viren zu tun hat. „Die Maske limitiert meine Sauerstoffkapazität“, beschreibt er. Sie erschwert also das Atmen. Dadurch wird nicht nur ein Höhentraining simuliert, sondern je nach Einstellung auch die Atemmuskulatur gestärkt.
Da die meisten Fitnessstudios ebenfalls geschlossen haben, benutzt das Mitglied des COSL-Promotionskaders das eigene Körpergewicht und Hanteln für das Krafttraining in den eigenen vier Wänden. Fabiani kann den besonderen Umständen sogar positive Aspekte abgewinnen: „Ich versuche Aktivitäten zu machen, für die ich sonst wegen des Trainings keine Zeit habe.“
Noémie Pleimling
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(jow) - Auch in der Leichtathletik verhindert die Corona-Krise die üblichen Trainingsabläufe. Speerwerferin Noémie Pleimling trainiert normalerweise im Freien oder in der Coque, allerdings bleiben auch dort die Türen geschlossen. „Bis vergangenen Samstag habe ich normal trainiert, danach wurde ich informiert, dass ab dieser Woche alles geschlossen sein wird.“ Das Training musste von einem Tag auf den anderen umstrukturiert werden. „Meine Trainerin (Sonia Ilieva) hat mir einen neuen Trainingsplan ausgearbeitet, der an die aktuelle Situation angepasst ist.“
Zeitlich ändert sich für die Luxemburgerin nicht viel, nur der Trainingsort wurde verlegt. „Ich trainiere morgens vor und abends nach der Arbeit zu Hause und versuche, das Beste aus der Situation zu machen.“ Die 26-Jährige steht mit Hilfe des Videochatprogramms Skype in ständigem Kontakt mit ihrer Trainerin.
„Sie hat alles unter Kontrolle. Dank ihr wurden alle Änderungen professionell umgesetzt.“ Für Pleimling ist es vor allem eine Frage des Willens. „Ich betrachte meine Situation eigentlich nicht als negativ, ich sehe sie als Herausforderung.“
Pleimling hat ihre Trainingsübungen von der Coque in die Wohnung verlegt. „Ich habe bei mir zu Hause einen großen Keller. Dort habe ich viel Trainingsmaterial. Außerdem habe ich mir am Montag noch zusätzliches Material zugelegt.“ Während für den Muskelaufbau also bestens gesorgt ist, muss Pleimling auf das Techniktraining weitgehend verzichten. jow
Ben Angelsberg
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(dat) - Ben Angelsberg ist von Beruf Grundschullehrer: „Ich bereite gerade in der Schule etwas für meine Schüler vor“, erklärt der Trainer des Frauenvolleyballteams aus Walferdingen. Der ehemalige Nationalspieler hat viel Zeit, da die Novotel League bis auf Weiteres ausgesetzt ist, genau wie das Final Four im Pokal.
„Das Schwierigste für uns ist die Ungewissheit. Keiner weiß, wann und ob wir wieder spielen werden“, so Angelsberg, dessen Team amtierender Doublésieger ist. Auch an Training ist in Walferdingen nicht zu denken. Die Einheiten vergangene Woche wurden abgesagt. Mindestens noch zwei Wochen wird dies so bleiben. „Wir haben den Spielerinnen Übungen gegeben, die sie zu Hause machen können. Es liegt nun an ihnen, ob sie die Anweisungen befolgen.“
Der 32-Jährige ist sich der aktuellen Lage bewusst: „Wir müssen abwarten, wie der Verband entscheidet. Ich denke, dass wir versuchen sollten, die Saison zu Ende zu spielen. Sollte es in einem Monat möglich sein, wieder anzufangen, wäre das in Ordnung. Es ergibt aber keinen Sinn, zwei, drei Monate zu warten.“ Sollte die Saison abgesagt werden, hat sich Angelsberg schon Gedanken gemacht: „Eine Option wäre, nur die Resultate der Hin- und Rückrunde zu zählen. Dass es bei den Frauen keinen Absteiger gibt, erleichtert die Entscheidung eventuell. Eine andere Möglichkeit ist, keinen Meister zu küren. Das wäre für mich kein Problem. Doch das liegt nicht in unserer Hand.“
Claudio Nunes dos Santos
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(jan) - Für Leistungssportler sind die Maßnahmen rund um das Corona-Virus besonders schwierig umzusetzen. Sie sind es gewohnt, im Alltag viel unterwegs und wenig zu Hause zu sein. Auch Judoka Claudio Nunes dos Santos musste von vollem Trainingsumfang auf Energiesparmodus umschalten. „Es ist ein bisschen nervig. Vor allem für uns Sportler, da wir besonders eingeschränkt sind“, erklärt der 20-Jährige. „Man hat keine andere Wahl, als zu Hause zu trainieren.“
Bei den Judoka haben die Vereine und der Verband die Tore geschlossen, offizielles Training findet keines mehr statt. Nunes dos Santos profitiert allerdings davon, dass er unter den Kampfsportlern zu den Spitzenathleten in Luxemburg gehört. Gemeinsam mit der 19 Jahre alten Judoka Anetta Mosr hat er täglich Zugang zum Kraftraum der Coque.
„Wir dürfen nur zu zweit trainieren und niemand anderen mitnehmen“, berichtet Nunes dos Santos. „Außerdem müssen wir vorher Bescheid sagen.“ Der 20-Jährige ist im COSL-Elitekader, Mosr zählt zu den Athleten den Promotionskaders.
Doch auch zu Hause bleibt Nunes dos Santos nicht untätig. „Ich mache Stabilitätstraining und gehe laufen. Außerdem lerne ich für die Schule“, erzählt er. Die ist zwar geschlossen, doch über E-Learning-Plattformen sind die Schüler nicht gänzlich von der Bildung abgeschnitten. „Ich hoffe, dass die Einschränkungen schnell vorbei sind, damit ich wieder Gas geben kann“, sagt der Judoka. „Man hat einfach nicht die Freiheit, die man braucht.“
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