Die Formel 1 und der Ritt auf der Rasierklinge
Die Formel 1 und der Ritt auf der Rasierklinge
„Motorsport is dangerous“. Diese eindringliche Warnung, die auf den Eintrittskarten zu Autosportveranstaltungen in Großbritannien steht, scheint die Formel 1 zumindest an diesem Wochenende auszublenden. Anders ist der gefährliche Grand Prix von Saudi-Arabien (Start am Sonntag um 18 Uhr) nicht zu erklären.
Der Jeddah Corniche Circuit liegt direkt am Meer und sieht in der Nacht spektakulär aus. Die 6,17 km lange Strecke stößt bei den Fahrern jedoch auf wenig Zuspruch. Nach Monza (I) ist der Kurs am Roten Meer der zweitschnellste des Kalenders. Statt einer von Auslaufzonen umgebenen breiten Strecke handelt es sich in Jeddah jedoch um einen von Betonmauern eingegrenzten Stadtkurs, der keine Fehler verzeiht.
„Für mich sind die heutigen Formel-1-Piloten wie Kämpfer und man kann sie mit den Gladiatoren im Kolosseum im alten Rom vergleichen“, findet Formel-1-Boss Stefano Domenicali. Die Bilanz nach den beiden ersten dort ausgetragenen Rennen bestätigt diesen kuriosen Vergleich. 2021 machten Charles Leclerc (Ferrari/MON) und Weltmeister Max Verstappen (Red Bull/NL) im Training und Qualifying Bekanntschaft mit den Betonmauern. Im Rennen führten mehrere Karambolagen zu zwei Unterbrechungen. Im vergangenen Jahr schlug Mick Schumacher (D) im Qualifying mit seinem Haas derart schlimm ein, dass er aus gesundheitlichen Gründen auf das Rennen verzichten musste.
Immerhin blieb die harsche Kritik der Fahrer nicht komplett ungehört. An einigen Stellen wurden die Betonmauern versetzt, damit verschiedene der rekordverdächtigen 27 Kurven nicht mehr blind angefahren werden und zumindest teilweise einsehbar sind. Ebenfalls wird versucht, in kritischen Kurvenkombinationen durch überarbeitete Randsteine und Leitlinien die Geschwindigkeiten etwas zu drosseln.
Raketen als Randnotiz
Doch nicht nur auf der Strecke kann es in Saudi-Arabien gefährlich werden. Im vergangenen Jahr hatten Huthi-Rebellen aus dem Jemen ein in Sichtweite der Rennstrecke gelegenes Tanklager per Luftangriff in Brand gesetzt. Die Piloten wollten streiken, doch der Veranstalter spielte die Vorfälle runter. Um kritische Meinungsäußerungen zu politischen Themen zu kontrollieren, sind diese nur noch nach Absprache mit der FIA erlaubt. Den Piloten wurde sozusagen ein Maulkorb verpasst. Die Missachtung der Menschen- und Frauenrechte dürften von den lauten Motoren übertönt werden.
Im Vorfeld der beiden ersten Rennen in Bahrain und Saudi-Arabien hatten britische Politiker die Formel 1 und die FIA in einem Schreiben zum Handeln aufgefordert. Die Parlamentsabgeordneten äußerten „ernste Bedenken“. Die FIA antwortete: „An der Spitze des Motorsports finden Formel-1-Veranstaltungen in einem breiten Spektrum verschiedener Kulturen auf der ganzen Welt statt. Die FIA kann sich, wie andere internationale Sportverbände auch, nicht in die internen Angelegenheiten eines souveränen Staates einmischen.“ Domenicali erklärte, dass die Formel 1 ihre Verantwortung sehr ernst nehme und ihre Position zu Menschenrechten und anderen Themen allen Partnern deutlich gemacht habe.
Doch auch die Gastgeber des an diesem Wochenende stattfindenden Rennens sind nicht ganz zufrieden. Die Saudis überweisen für zehn Jahre Antrittsgelder in Höhe von 65 Millionen US-Dollar, dabei finden ausgerechnet in den Nachbarstaaten Bahrain und Abu Dhabi die Saisoneröffnung und das Finale statt. Das könnte sich 2024 ändern.
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