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Wissenschaftler nach Kritik an der Regierung entlassen
Politik 3 Min. 30.05.2022 Aus unserem online-Archiv
Hochwasser

Wissenschaftler nach Kritik an der Regierung entlassen

Einwohner von Echternach mussten im vergangenen Sommer per Schlauchboot evakuiert werden.
Hochwasser

Wissenschaftler nach Kritik an der Regierung entlassen

Einwohner von Echternach mussten im vergangenen Sommer per Schlauchboot evakuiert werden.
Foto: Gerry Huberty
Politik 3 Min. 30.05.2022 Aus unserem online-Archiv
Hochwasser

Wissenschaftler nach Kritik an der Regierung entlassen

Emery P. DALESIO
Emery P. DALESIO
Jeff Da Costa hatte die schlechte Kommunikation der Regierung bei der Flut im Sommer 2021 kritisiert. Das kostete ihn seinen Job bei RSS-Hydro.

Ein Wissenschaftler ist von seinem Arbeitgeber entlassen worden, nachdem er die luxemburgische Regierung beschuldigt hatte, die Bevölkerung nicht vor den verheerenden Überschwemmungen im Juli letzten Jahres gewarnt zu haben.

Jeff Da Costa, Doktorand an der Universität Reading in Großbritannien, berichtet, er habe seinen Job bei einem luxemburgischen Hydrologie-Unternehmen verloren, kurz nachdem seine Anschuldigungen gegen die Regierung im September vom Fernsehsender RTL ausgestrahlt worden waren.

Jeff Da Costa forscht unter anderem zu auch Frühwarnsysteme bei Hochwasserereignissen.
Jeff Da Costa forscht unter anderem zu auch Frühwarnsysteme bei Hochwasserereignissen.
Foto: privat

Guy Schumann, Geschäftsführer und Gründer von RSS-Hydro in Düdelingen bestätigte die Entscheidung und sagte dem öffentlichen Radiosender 100,7, er habe Da Costa entlassen, „um politischen Druck zu vermeiden und seine anderen Mitarbeiter zu schützen“, so berichtete es der Sender am Montag.

Kritik an der Krisenkommunikation

Da Costa hatte kurz nach den Überschwemmungen, bei denen in Luxemburgs Nachbarländern Deutschland und Belgien rund 200 Menschen ums Leben kamen, gegenüber verschiedenen Medien erklärt, dass Dutzende von lokalen Gefahrenwarnungen von Meteorologen die Gemeinden über das Europäische Hochwasserwarnsystem unzureichend gewarnt hätten. Auch dem „Luxemburger Wort“ gab der Experte für Flutwarnsysteme bereits in der Woche nach der Naturkatastrophe ein Interview. Dort sagte Da Costa unter anderem: 

„Das Problem liegt vor allem beim Krisenmanagement von oben. Man muss sich wirklich Fragen stellen: Ist dies ein sinnvoller Krisenplan? Warum wurden die möglichen Warnsysteme nicht benutzt? Ich habe keine Sirene gehört, ich habe keine SMS bekommen, die GouvAlert-App hat überhaupt nicht funktioniert. Es ist skandalös, zu behaupten, alles sei gut gelaufen, wenn die Bürger offensichtlich nicht Bescheid wussten.“


Lokales,Hocvhwasser,Überschwemmung Echternach.Foto: Gerry Huberty/Luxemburger Wort
Umweltwissenschaftler kritisiert Krisenmanagement scharf
Dass beim Hochwasser niemand gestorben ist, ist sicher nicht dem Krisenmanagement zu verdanken, sagt Wissenschaftler Jeff Da Costa.

Seine eigene Familie in Luxemburg gehörte zu den Tausenden, die „sich selbst überlassen wurden, ohne dass man ihnen sagte, was sie tun sollten, und ohne dass sie die Möglichkeit hatten, sich vorzubereiten“, sagte er.

Doch nachdem RTL Mitte September Da Costas Kritik ausgestrahlt hatte, bekamen er und sein Arbeitgeber Gegenwind aus der Politik, so der Forscher.

„Es hat niemanden gestört, ob es auf CNN oder in der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' oder in 'L'Essentiel' oder dem 'Wort' stand, aber sobald es auf RTL im Fernsehen, im Radio und im Internet zu hören war, wurde es zu einem Problem“, sagte Da Costa dem Radiosender. RSS-Hydro-Chef Guy Schumann bestritt, dass er politischem Druck ausgesetzt war, und sagte, er habe gegen Da Costa gehandelt, um kein Problem mit den Behörden zu bekommen.

„Ich musste Maßnahmen ergreifen, um genau das zu verhindern. Als Arbeitgeber habe ich eine Verantwortung gegenüber allen meinen sechs Mitarbeitern“, sagte Schumann gegenüber 100,7.


Mitte Juli hat das Hochwasser die Ortschaft mitsamt dem gesamten Alzettetal schwer in Mitleidenschaft gezogen. (Foto: Henri Krier) - Hochwasser, Überschwemmung, Mersch / Foto: Frank WEYRICH
Liegt Ihr Haus in einer Überschwemmungszone?
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Viele Menschen, die Schäden an ihren Häusern und Unternehmen erlitten haben, kritisierten die Regierung unmittelbar nach dem Hochwasser, weil sie nicht genug getan hatte, um sie vor den drohenden Gefahren zu warnen. Hochwasserwarnungen waren nur auf einer Regierungswebseite erschienen, von der viele Menschen sagten, sie wüssten nicht einmal, dass sie existiert.

Letzten Monat testete die Regierung ein neues Warnsystem, das eine SMS-Nachricht an alle Telefone in Luxemburg senden sollte.


Unter anderem Banken sehen sich schon lange bei kontaktlosem Bezahlen auf dem iPhone benachteiligt.
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Am Montag testete die Regierung ihre verbesserte nationale Warnstrategie anhand einer Warn-SMS. Haben Sie die Nachricht bekommen?

Die privaten Versicherer schätzten die Kosten der Schäden im Oktober auf 125 Millionen Euro, womit es sich um das teuerste Ereignis in der Geschichte der luxemburgischen Versicherungswirtschaft handelte, wie die ACA (Association des Compagnies d'Assurances et de Réassurances) in einer Erklärung mitteilte. Etwa 6.000 Menschen hätten bis zu diesem Zeitpunkt Entschädigungen von den Versicherungsunternehmen erhalten, so die ACA.

Die Regierung hatte ein Hilfspaket in Höhe von 100 Millionen Euro für die Betroffenen angekündigt, von denen nach Angaben der Minister bis Mitte März jedoch nur 12 Millionen Euro ausgezahlt worden waren. Den Behörden wurden Anträge auf Entschädigung für Schäden in Höhe von insgesamt 34 Mio. EUR gemeldet.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.luxtimes.lu.

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