"Wir sollten nicht mit der Demokratie spielen"
"Wir sollten nicht mit der Demokratie spielen"
(CBu) - Wie will die Dreierkoalition die Herausforderung der Referenden meistern? Welchen Plan hat sie für die Zeit nach dem 7. Juni? Und wie will man sicherstellen, dass die Meinungen der Bürger in die Verfassungsreform mit einfließen?
Unter anderem zu diesen Fragen bezieht Alex Bodry im Interview mit dem "Luxemburger Wort" (Dienstagsausgabe) Stellung. Der LSAP-Fraktionschef und Vorsitzende der Verfassungskommission verbirgt dabei nicht seine Skepsis, wenn es um die Möglichkeit eines Kompromisses mit der CSV geht: "Also ich sehe nicht, was es bei einem Ja noch viel zu bereden gäbe. Die Fragen sind so klar gestellt, dass ein Ja auch eine klare Verpflichtung wäre, dies so umzusetzen."
"Parteipolitik nicht völlig zu vermeiden"
Bodry zeigt sich auch zuversichtlich, dass man sich mit den Argumenten für die drei politischen Projekte durchsetzen werde. Er geht aber in jedem Fall von einem knappen Resultat bei allen drei Fragen aus: "Ich denke, dass das Referendum bei allen drei Fragen knapp ausgehen wird. Egal was die Umfragen sagen, ist da doch viel Bewegung drin."
Wie schon in der Vergangenheit spricht sich der LSAP-Fraktionschef für eine sachliche Debatte aus: "Wir sollten nicht mit der Demokratie spielen. Dafür geht es bei diesem Referendum um zu viel." Die üblichen "parteipolitischen Spielchen" seien dabei aber nicht völlig zu vermeiden.
Auf die Frage, ob er sich in dieser Hinsicht nicht auch selbst gewisse "Sticheleien" gegen politische Gegner, insbesondere gegen die CSV, vorwerfen lassen müsse, holt Bodry gewissermaßen zum Gegenschlag aus. Die CSV müsse sich in der Referendumsdebatte "an die eigene Nase fassen".
Bodry spart nicht mit Kritik an CSV
"Bisher war es immer so, dass sich alle Parteien an ein Votum des Volkes gehalten haben. Das war nicht zuletzt 2005 beim Referendum über die EU-Verfassung der Fall. Keiner wäre damals auf die Idee gekommen, dass man sich nicht an die Meinung des Souveräns hält", so Bodry in Bezug auf die unklare Haltung der CSV, ob man das Resultat des Referendums in jedem Fall respektieren werde oder nicht.
Und weiter: "Besonders die Partei, die in letzter Zeit oft mit dem Wählerwillen argumentiert, sollte sich hier selbst hinterfragen. Es reicht nicht, zu sagen, dass man das Votum des Volkes in seine Überlegungen einfließen lassen will. Auch wenn das Referendum rechtlich nicht bindend ist, muss man dem Ergebnis in jedem Fall politisch Folge leisten. Dieser Meinung war die CSV früher auch, heute anscheinend nicht mehr."
"Beeindruckende 180-Grad-Wendung"
Bodry plaudert zudem aus dem Nähkästchen was die oftmals angeregten Diskussionen innerhalb der parlamentarischen Verfassungskommission betrifft. So sei die heutige Ablehnung des Ausländerwahlrechts durch die CSV eine "beeindruckende 180-Grad-Wendung":
"Der Sinneswandel der CSV in dieser Frage ist schon bemerkenswert", so Bodry weiter. "Was in der Öffentlichkeit wohl nicht so bekannt ist: Wir waren uns bis 2012 eigentlich einig mit der CSV, eine Öffnung des Wahlrechts bei den Nationalwahlen für ausländische Mitbürger in der Verfassung vorzusehen. Das war zwar kein explizites Ausländerwahlrecht, beinhaltete aber die Perspektive, ebendies per Gesetz einführen zu können."
Ausländerwahlrecht "fundamental wichtig"
Doch die weitere Entwicklung ließ mit dem Wahlkampf 2013 und dem anschließenden Regierungswechsel die Fronten verhärten. Die Einigung in der Wahlrechtsfrage sei von den CSV-Vertretern in der Verfassungskommission nach den Wahlen 2013 jedenfalls aufgekündigt worden, schildert Bodry. Seitdem hätten sich die Fronten verhärtet.
"Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass sich die Parteien nach dem 7. Juni wieder aufeinander zu bewegen. Die Frage des Ausländerwahlrechts ist so fundamental wichtig für Luxemburg, dass wir gar nicht anders können als hier gemeinsam eine Lösung zu finden", so der Vorsitzende der Verfassungskommission.
Im Interview bezieht Bodry auch Stellung zu weiteren Themen der Verfassungsreform und erklärt auch, warum bestimmte Fragen (etwa die Frage der Ämterkumulation oder der Staatsform) nicht Einzug in den ersten Entwurf der Reform erhielten.
"Noch nicht zu spät" für mehr Partizipation
Ebenso reagiert Bodry auf die Kritik von Experten, dass die Regierung die Referendumsdebatte eher improvisiert und konzeptlos angegangen sei. "Im Idealfall hätte man in der Tat von Beginn des Reformprozesses an die Beteiligung der Bürger vorsehen müssen", räumt der Chef-Verfassungsreformator ein. Jetzt könne man die Uhr aber "leider nicht zurückdrehen".
Für die partizipative Demokratie sei es aber dennoch noch nicht zu spät, sagt Bodry. In der weiteren Verfassungsdebatte werde es also "noch Möglichkeiten geben, mehr Beteiligung und auch die Idee von Bürgerforen zu realisieren". Man müsse dabei aber den Zeitplan im Blick behalten. Der eigentliche, im Regierungsprogramm festgehaltene Zeitplan sei "von Anfang an unrealistisch gewesen", gibt Bodry zu.
Bis 2017 soll demnach jetzt der definitive Reformentwurf stehen und in seiner Gesamtheit dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden, damit die neue Verfassung noch vor den Nationalwahlen 2018 in Kraft treten kann. "Das hat für mich Priorität", so Bodry.
Das gesamte Interview mit Alex Bodry lesen Sie auf Seite 2 und 3 der Dienstagsausgabe (21.04.2015) des "Luxemburger Wort".
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