„Wir sind nicht nur eine Frank-Engel-Partei“
„Wir sind nicht nur eine Frank-Engel-Partei“
Die Aufbruchstimmung war spürbar, ebenso der Wille nach Veränderung und die Lust auf Beteiligung. Unter dem Slogan „Courage fir Verännerung“ hat die Partei Fokus am Samstag ihr 40 Seiten starkes Wahlprogramm vorgestellt, dies noch bevor es um Köpfe ging. Ein Programm „der bürgerlichen Mitte“, das es laut Präsident Marc Ruppert „in sich hat“, geschrieben mit einer „großen Portion Mut“ und basierend auf den Vorschlägen der Mitglieder. Vor einem Jahr erst war Fokus um Sprecher Frank Engel gegründet worden.
Außer Selfies, oberflächlichen Medienkampagnen und billigster Diskussionskultur kommt nicht mehr viel aus der Chamber.
Fokus-Präsident Marc Ruppert
Marc Ruppert blickte auf arbeitsintensive Monate zurück, die nötig gewesen seien, um ein Projekt auf die Beine zu stellen, „das die Ambition ernst nimmt, eine inhaltlich relevante Politik zu machen, statt simplen Populismus zu betreiben“. Die politische Debatte habe zuletzt einen Tiefpunkt erreicht. „Außer Selfies, oberflächlichen Medienkampagnen und billigster Diskussionskultur kommt nicht mehr viel aus der Chamber. Die Regierung steuert das Schiff und unter Deck schlägt man sich die Köpfe ein“, so der Präsident. Um die wirklichen Probleme werde sich nicht gekümmert.
„Vorschläge, die in Luxemburg noch nie gemacht wurden“
„Fokus hat eine Existenzberechtigung, weil wir Lösungen und Auswege aufzeigen“, unterstrich Ruppert und sprach von Vorschlägen, die in Luxemburg noch nie gemacht wurden, und Forderungen, an die sich sonst niemand herantraue. Als einzige Partei habe Fokus bereits vor Monaten den Mut gehabt, das aktuelle Indexsystem zu kritisieren und ein alternatives Modell vorzuschlagen. Fokus habe auch ein Modell für Elternzeit ohne Lohnverlust präsentiert, das es beiden Eltern erlaube, auf einen Teil der Gratis-Kinderbetreuung zu verzichten, um mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen.
Lösungen für Wohnungskrise und Grundeinkommen ab 65
Im Kampf gegen die Wohnungskrise sei es bei leeren Versprechungen geblieben. „Die Politik hat versagt“, bilanzierte Ruppert. Seine Partei habe mehrere Vorschläge eingebracht, etwa eine großangelegte emphyteotische Bauoffensive, „in den Gemeinden, wo eine substanzielle Erhöhung der Einwohnerzahlen Sinn macht“. 50.000 Wohnungen sollten nach Vorstellung der Partei auf diesem Weg geschaffen werden, was letztlich dafür sorgen würde, dass die Preise auf dem regulären Markt fallen.
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Als weitere Lösung für die Wohnungsproblematik sieht Fokus die Schaffung von Tiny Houses. Die Zahl der Mietwohnungen müsse substanziell erhöht und das Mietschutzgesetz zurückgezogen werden. Schluss müsse derweil mit dem sozialen Wohnungsbau sein, vielmehr müsse jede Wohnung preiswert sein, da jeder das Recht auf angemessenes Wohnen habe.
Darüber hinaus schlägt die Partei ein Grundeinkommen ab 65 Jahren vor. „Ein Grundeinkommen, das eine Garantie für ein Leben im Alter ohne finanzielle Ängste darstellt“, so Parteipräsident Ruppert.
Gewalt darf nicht gratis sein. Wer wissentlich und willentlich Gewalt anwendet, gehört mit Freiheitsentzug bestraft.
Parteisprecher Frank Engel
In Sachen Sicherheit wird mehr Polizeipräsenz im Alltag (statt privater Sicherheitsfirmen) gefordert und eine qualitative Rekrutierung bei der Polizei. Mehr Anlaufstellen für Opfer von häuslicher Gewalt sollen entstehen und härtere Strafen für Täter gelten. „Gewalt darf nicht gratis sein. Wer wissentlich und willentlich Gewalt anwendet, gehört mit Freiheitsentzug bestraft“, sollte es später Parteisprecher und Ex-CSV-Politiker Frank Engel auf den Punkt bringen.
Direktwahl des Premierministers ermöglichen
Außerdem macht sich Fokus für eine Reform des Wahlrechts stark: aktives Wahlrecht für junge Menschen, passives Wahlrecht für Luxemburger im Ausland und die Direktwahl des Premierministers auf nationaler Ebene.
„Früher oder später müssen wir uns zudem der Diskussion um das Wahlrecht für Nicht-Luxemburger noch einmal stellen“, fügte Frank Engel im Nachhinein hinzu. Gleich am Anfang der kommenden Legislatur müsse zudem ein repräsentativer und reformierter „Conseil National pour Etrangers“ gewählt werden.
Die Eckpunkte des Wahlprogramms, das am Ende einstimmig angenommen wurde, waren derweil von einzelnen Mitgliedern der Partei vorgestellt worden. „Wir wollten zeigen, dass wir nicht nur eine Frank-Engel-Partei sind, sondern breit aufgestellt“, verdeutlichte Marc Ruppert.
Lösungsansätze und Seitenhiebe vom Spitzenkandidaten
Dem Auftritt des Parteisprechers und Spitzenkandidaten kam dennoch anschließend die meiste Aufmerksamkeit zu. „Wir denken innovativ, können planen und zeigen Mut zur Veränderung“, proklamierte Frank Engel und kam gleich auf das größte Problem zu sprechen: „Im Logement stecken wir in einer ausgewachsenen Krise, die wir nicht in den Griff bekommen, wenn wir weiter planen wie bisher.“ So müsse etwa endlich die Mobilisierungs- beziehungsweise Spekulationssteuer kommen. „Das Zurückbehalten von Bauland muss richtig eklig teuer werden.“
Das Zurückbehalten von Bauland muss richtig eklig teuer werden.
Parteisprecher Frank Engel
Obwohl Engel versprochen hatte, nicht gegen andere Parteien zu wettern, folgten Seitenhiebe gegen Innenministerin Taina Bofferding (LSAP), der er unter anderem in Sachen Grundsteuerreform „totales Versagen“ vorwarf. Versagt hätten die Sozialisten zudem in der Steuerdiskussion. „Wenn man die Arbeit weniger besteuern will, muss man das Kapital mehr besteuern“, hielt der frühere EU-Parlamentarier und Parteipräsident der CSV fest. „Wir sind keine Fetischisten der 30-Prozent-Grenze der Staatsverschuldung. Es gibt keine wissenschaftlich belastbare These, dass eine Überschreitung der unwiderrufliche Niedergang wäre“, merkte er an.
Gegen generelle Arbeitszeitverkürzung - für sozialen Index
Auch beim Thema Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich echauffierte sich der Parteisprecher: „Nicht mit uns!“ Der Wirtschaft dies flächendeckend vorzuschreiben, sei nicht umsetzbar. Wohl müsse man sich mit dem Thema Arbeitszeitorganisation beschäftigen, jedoch nicht einfach „ein Schlagwort in den Raum knallen“.
„Der Index löst nicht alle Probleme. Wir stehen dazu, dass er reformiert werden muss“, verteidigte Frank Engel die Idee der Einführung eines sozialen Index, der sogar dafür sorgen würde, dass 93 Prozent der Bevölkerung mehr bekämen. Wachstum bezeichnete er als sein Lieblingsthema: „Wer aufhört zu wachsen, schrumpft.“ Fokus setzt sich für ein territoriales Wachstumsmodell ein, etwa in Form von gemeinsam verwalteten Aktivitätszonen in der Großregion.
Eines braucht dieses Land nicht: noch eine Legislatur mit dieser Regierung, die von Anfang an keinen Plan hatte.
Parteisprecher Frank Engel
Am Grünen-Bashing anderer Parteien wolle er sich nicht beteiligen, so Engel. „Das bringt nichts. Allerdings bringt grüne Politik auch nichts. Null Landesplanung hat stattgefunden“, stellte er fest. Claude Turmes hätte den Titel Landesplanungsminister nicht verdient, habe aber auch als Energieminister nichts geleistet, sondern sich lediglich durch eine rigorose Atomfeindlichkeit ausgezeichnet. „Wir sind nicht gegen Atomstrom, weil es nichts bringt. Der Strom kommt nun einmal nicht aus meiner Lieblingswindmühle“, sagte Engel, der während seiner mehr als einstündigen Rede reichlich Applaus erntete und für viele Lacher sorgte.
Mit Ehrlichkeit und Mut eine andere Politik machen
„Wir haben den Anspruch, eine Politik zu machen, die anders ist. Ehrlichkeit und Mut sind dazu erforderlich. Eines braucht dieses Land nicht: noch eine Legislatur mit dieser Regierung, die von Anfang an keinen Anspruch, keinen Plan, kein Projekt hatte und kein Problem dieses Landes lösen konnte. Im Gegenteil, sie sind alle verschärft worden“, schoss er abschließend nach.
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