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"Wir haben nichts zu verstecken"
Politik 4 Min. 18.05.2015 Aus unserem online-Archiv
Spezialkommission "Taxe" zu Besuch in Luxemburg

"Wir haben nichts zu verstecken"

Waren sich in vielen Punkten einig: Finanzminister Pierre Gramegna (r.) und der Präsident der Spezialkommission "Taxe", Alain Lamassoure.
Spezialkommission "Taxe" zu Besuch in Luxemburg

"Wir haben nichts zu verstecken"

Waren sich in vielen Punkten einig: Finanzminister Pierre Gramegna (r.) und der Präsident der Spezialkommission "Taxe", Alain Lamassoure.
Foto: Pierre Matgé
Politik 4 Min. 18.05.2015 Aus unserem online-Archiv
Spezialkommission "Taxe" zu Besuch in Luxemburg

"Wir haben nichts zu verstecken"

Beim Besuch einer Delegation der Spezialkommission "Taxe" des Europaparlaments in Luxemburg kam letztlich nicht viel Neues ans Tageslicht. Im Gegenteil waren sich die EU-Parlamentarier und Luxemburgs Politiker in allem einig - mit einer Ausnahme ...

(CBu) - "Wir wollen mit unseren Partnern in der EU zusammenarbeiten und haben nichts zu verstecken." Mit diesen Worten resümierte Finanzminister Pierre Gramegna (DP) auf einer Pressekonferenz am frühen Montagabend die Unterredungen mit der Delegation der Spezialkommission "Taxe" des Europäischen Parlaments. Luxemburg habe aus Luxleaks gelernt und schon davor "große Reformanstrengungen" unternommen, um auf den Weg von "mehr Transparenz und Steuergerechtigkeit" zu gehen, so Gramegna.

Die Ausführungen des Finanzministers wurden durch den Präsidenten der "Taxe-"Kommission, Alain Lamassoure, in weiten Zügen bestätigt. Der Franzose hielt sich zusammen mit einer neunköpfigen Delegation den ganzen Montag im Großherzogtum auf. Am Mittag hatten zu diesem Anlass vor der Abgeordnetenkammer rund 30 Menschen für eine transparentere und gerechtere Besteuerung von Unternehmen demonstriert.

"Ein System, das Immoralität produziert"

Auf der Tagesordnung der Delegation standen neben einer Unterredung mit Gramegna sowie hohen Beamten aus dem Finanzministerium und der Steuerverwaltung auch ein Austausch mit Parlamentariern aus der Finanz- und außenpolitischen Kommission in der Chamber sowie mit Vertretern von PwC, Luxembourg for Finance und Transparency International Luxembourg. Ursprünglich war auch eine Unterredung mit dem langjährigen Leiter des Steuerbüros "Sociétés 6", Marius Kohl, geplant. Dieser soll jetzt ebenso wie der "Whistleblower" Antoine Deltour für Anfang Juni nach Brüssel eingeladen werden. 

Rund 30 Menschen demonstrierten am Nachmittag vor dem Parlament für mehr Transparenz und Steuergerechtigkeit.
Rund 30 Menschen demonstrierten am Nachmittag vor dem Parlament für mehr Transparenz und Steuergerechtigkeit.
Foto: Pierre Matge

Lamassoure betonte später am Tag, dass es die Spezialkommission "Taxe" ohne Luxleaks nicht gegeben hätte. Allerdings hätte es sie auch nicht gegeben, wenn Luxemburg das einzige Land in der EU wäre, das Steueroptimierungsmodelle für Großunternehmen anbietet. Er wolle den Journalisten, die Luxleaks aufgedeckt haben, dennoch "Danke sagen", so Lamassoure. Der konservative Europaabgeordnete und Ex-Minister spricht denn auch in Bezug auf die Steuertricks von einem System, das "Immoralität" produziere. Erst Luxleaks habe selbst ihm und vielen anderen Politikern das ganze Ausmaß der Problematik vor Augen geführt.

"Schönen Worten müssen politische Taten folgen"

Man sei sich aber in ganz Europa bewusst, dass sich etwas ändern müsse. Diese Geisteshaltung habe er auch bei seinen Gesprächen in Luxemburg mitbekommen. Man müsse an der Wurzel des Übels ansetzen und das sei der Fakt, dass es in der EU 28 verschiedene Steuergesetzgebungen gebe, die von Konzernen und Beraterfirmen ausgenutzt bzw. gegeneinander ausgespielt würden, so dass am Ende nur ein paar Staaten - wie Luxemburg - davon profitieren würden. Dies gelte es durch neue europäische Regulierungen zu ändern.

Das Mandat der "Taxe"-Kommission sei dabei, die Details der Art und Höhe von Besteuerungsmodellen in den Mitgliedstaaten aufzuarbeiten, so Lamassoure weiter. Dafür habe man auch Besuche in Belgien sowie in den kommenden Wochen in Irland, Großbritannien und den Niederlanden geplant.

Ein weiteres Mitglied dieser Kommission, die Portugiesin Elisa Ferreira, geht allerdings etwas weiter. Die exzessive Steuervermeidungspraxis von Unternehmen sei angesichts zunehmenden Elends und Verarmung in einigen EU-Staaten "schwer nachzuvollziehen", sagt sie. Man müsse demnach darauf pochen, dass "den schönen Worten auch handfeste politische Taten folgen".

Gramegna: Luxemburg will diskutieren und handeln

Ebendies verspricht auch der luxemburgische Finanzminister. Das Großherzogtum habe bereits viel geleistet, um in Sachen Transparenz und Informationsaustausch "mit im Boot" zu sein. Man könne aber als Luxemburger Regierung nur mitziehen, wenn das Ziel eines "level playing field" angestrebt werde. Hier werde man nicht zuletzt die EU-Präsidentschaft ab Juli nutzen, um ambitionierte Ziele zu formulieren, so Gramegna.

Bei einer weiteren Lösung, der EU-Richtlinie über eine gemeinsame Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftssteuer (GKKB; auf Französisch: ACCIS), äußert sich der Minister allerdings eher vorsichtig: "Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um zu diskutieren."

Ganz allgemein erkennt Gramegna aber die Notwendigkeit des Handelns und einer "neuen Geisteshaltung" an. "Unsere Bürger verlangen mehr Steuer- und soziale Gerechtigkeit", so der Finanzminister. Deshalb müsse man "gemeinsam handeln und Ergebnisse liefern".

"Wir haben nichts zu verstecken", aber die komplette der Luxemburger Rulings sei "vertraulich": Finanzminister Pierre Gramegna versuchte sich am Montag vor der Spezialkommission des Europäischen Parlaments zu erklären.
"Wir haben nichts zu verstecken", aber die komplette der Luxemburger Rulings sei "vertraulich": Finanzminister Pierre Gramegna versuchte sich am Montag vor der Spezialkommission des Europäischen Parlaments zu erklären.
Foto: Pierre Matgé

Sven Giegold, ebenso Mitglied in der "Taxe"-Spezialkommission, spricht in diesem Sinn aber auch von einer "ambivalenten Botschaft" der Luxemburger Politik. Seine Gesprächspartner hätten hier stets den Willen zum Wandel des Geschäftsmodells betont, aber im nächsten Satz auch erklärt, dass Luxemburgs Finanzplatz weiterhin auf "Nischen" angewiesen sei und man diese auch in Zukunft weiter politisch fördern wolle, so Giegold im Gespräch mit dem "Luxemburger Wort".

Auf Twitter hatte sich der Grünen-Abgeordnete in Straßburg schon auf den Besuch "in der Höhle des Löwen" gefreut ...

Und anders als die meisten seiner Kollegen in der "Taxe"-Kommission spart Giegold auch nicht mit Kritik am Großherzogtum.

"Nichts zu verstecken", außer unsere Rulings ...

Bei einer zentralen Frage stießen die EU-Parlamentarier beim Finanzminister indes tatsächlich auf taube Ohren. Eine der Forderungen der Taxe-Kommission war nämlich die Offenlegung und zumindest von den Zahlen her die Nachvollziehbarkeit aller Luxemburger Steuerrulings. Diese könne man nicht liefern, "weil sie vertraulich sind", so Gramegna, der in seiner Einleitung noch betont hatte, man wolle kooperieren und habe "nichts zu verstecken". 

Ebenso verstoße eine Weitergabe der Rulings gegen das Steuergeheimnis, so Gramegna, der vorher aber noch behauptete, dass die Rulings "nicht geheim" seien und sie auf Anfrage auch von ausländischen Steuerbehörden auch herausgegeben werden. Auf Nachfragen der Journalisten in diesem Punkt, die man aus Zeitgründen bzw. wegen um 30 Minuten verspätetem Beginn der Pressekonferenz übrigens auf eine Viertelstunde beschränkte, wollte Gramegna auch nicht mehr verraten.

Man habe deshalb nach einer Liste von Steuervorbescheiden gefragt, weil man die Anzahl und das finanzielle Ausmaß der dahinter stehenden Modelle ungefähr abschätzen wollte, sagt die Berichterstatterin der "Taxe"-Kommission Elisa Ferreira. Dabei gehe es nicht zuletzt darum, zu erkennen, wie sich die Steuerlast für Großunternehmen nach einem Ruling verändert habe. Dabei sei man nicht an den Rulings selbst und auch nicht unbedingt an den Namen der Unternehmen interessiert, sondern vielmehr an jenen Vereinbarungen, die mit "besonderer Bevorteilung" einhergingen. Auf all das habe man von Luxemburger Seite aber leider keine Antwort erhalten, so Ferreira.


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