Wie es vor dem Agrargipfel um die Landwirtschaft steht
Wie es vor dem Agrargipfel um die Landwirtschaft steht
Von Michèle Gantenbein und Florian Javel
Der Agrargipfel am Donnerstag auf Schloss Senningen mit Premierminister Xavier Bettel (DP), Landwirtschaftsminister Claude Haagen (LSAP) und Umweltministerin Joëlle Welfring (Déi Gréng) geht auf eine Forderung der Bauernverbände zurück. Sie wollen von der Regierung wissen, wie sie sich die Zukunft der Landwirtschaft vorstellt. Bei dem zweistündigen Treffen dürfte das Agrargesetz eine zentrale Rolle spielen.
Wie geht es weiter mit dem umstrittenen Agrargesetz?
Im Zuge der Proteste der Bauernverbände gegen das geplante Agrargesetz ist Landwirtschaftsminister Claude Haagen (LSAP) auf die Einwände der Bauern eingegangen und wird nun Änderungsanträge einreichen. Die Investitionszuschüsse werden an die reale Preisentwicklung angepasst, die Zuschussobergrenze für den Kauf von landwirtschaftlichen Maschinen wird nach oben angepasst, die Liste der förderfähigen Maschinen erweitert und Investitionen in Maßnahmen für einen besseren Tier- und Umweltschutz werden stärker gefördert.
Auch die ominösen Artikel 6 und 7 werden angepasst. Um die nationalen Ammoniak-Emissionsziele zu erreichen (minus 22 Prozent bis 2030), sieht der Entwurf nämlich eine Deckelung der Viehbestände vor, was bedeutet, dass selbst Betriebe mit einer guten Stickstoffeffizienz sich nicht entwickeln können, wenn die nationalen Emissionswerte zu hoch sind.
Trotz steigender Betriebskosten seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine könnte das Jahr 2022 sogar höhere Erträge für die Landwirte mit sich bringen.
Zwar bleibt es bei der Obergrenze von fünf Arbeitseinheiten (rund 160 Milchkühe) pro Betrieb, allerdings hat der Minister sich auf den Vorschlag der Landwirtschaftskammer eingelassen, wonach Betriebe, die sich vergrößern wollen, ein Monitoring durchlaufen, um ihre tatsächlichen Emissionswerte zu ermitteln, statt die Betriebsgenehmigung an nationale Emissionswerte zu knüpfen.
Auf diese Weise bleibt die Entwicklung von Betrieben, die ihre Stickstoffeffizienz optimieren, möglich und zugleich können die Emissionsziele erreicht werden, so der Gedanke. Das Schwierigste steht aber noch bevor: die Ausarbeitung eines Monitoringsystems und die Festlegung der einzuhaltenden Grenzwerte. Damit wurde nun eine Arbeitsgruppe befasst.
Wie steht es um die Änderungen an der Nitratverordnung?
Die Bauernvertreter erwarten sich beim Agrargipfel von Umweltministerin Joëlle Welfring (Déi Gréng) Präzisionen zu den geplanten Änderungen an der Stickstoffverordnung aus dem Jahr 2000. Sie regelt die Ausbringungsbedingungen von organischen Düngern wie Gülle, Mist und Kompost. Die Bestimmungen werden überarbeitet, um unter anderem das Grund- und Oberflächenwasser, das teilweise stark mit Nitraten belastet ist, besser zu schützen. Die neuen Bestimmungen sollen im Rahmen von Workshops mit den Bauernverbänden diskutiert werden.
Wie hoch waren die landwirtschaftlichen Erträge im Krisenjahr 2022?
Trotz steigender Betriebskosten seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine könnte das Jahr 2022 sogar höhere Erträge für die Landwirte mit sich bringen. Der „Service d'économie rurale“ (SER) prognostiziert somit dem vergangenen Jahr eine positivere Bilanz als 2021. Damals sanken die landwirtschaftlichen Erträge um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2020. Für das Jahr 2022 könnte es sogar zu einem Anstieg der Betriebsergebnisse um 67 Prozent im Vergleich zu 2021 kommen.
Was den Weinbau betrifft, schaut die Bilanz allerdings ernüchternd aus. Aufgrund langanhaltender Dürreperioden seien die Erträge um 15 Prozent zurückgegangen, teilt das SER mit.
Warum sind trotz Energiekrise und Preisteuerung die Erträge der landwirtschaftlichen Betriebe im Vergleich zum Vorjahr gestiegen?
Laut dem Ministerium für Landwirtschaft und Weinbau ist dieses Phänomen auf den Anstieg der Preise für landwirtschaftliche Produkte zurückzuführen. Trotz steigender Betriebskosten sind nebenher Produkte wie Milch, das Zugpferd der heimischen Landwirtschaft, die 40 Prozent der Erträge der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ausmacht, ebenso stark gestiegen.
Zudem habe sowohl der sparsame Umgang mit den vorhandenen Vorräten an Futtermitteln und organischen Düngemitteln als auch „ein gutes Krisenmanagement sowohl auf Seite der Landwirte als auch der Regierung“ dazu beigetragen, dass die landwirtschaftlichen Erträge 2022 gestiegen sind, heißt es in einer Pressemitteilung des Landwirtschaftsministeriums Anfang Januar 2023.
Haben die Bauern wirtschaftlich unter der Preisexplosion gelitten?
Der landwirtschaftliche Sektor wurde Angaben von Guy Feyder (Präsident der Landwirtschaftskammer) und Camille Schroeder (Präsident der Baueren-Allianz) zufolge von der Preisexplosion weitgehend verschont. Der Grund: Die Steigerung der Produktionskosten von Agrarerzeugnissen wurde durch die Steigerung der Verkaufspreise weitgehend kompensiert. Schroeder zufolge sind die Kosten in der Milchproduktion von 30 auf 55 Cents gestiegen, zugleich ist der Verkaufspreis auf 60 Cents gestiegen, sodass die Gewinnmarge nach wie vor vorhanden ist. Diese Entwicklung gilt auch für die Rind- und Schweinefleischproduktion sowie für die Getreideproduktion.
Wie unterscheiden sich die Erträge der Bio-Landwirte im Gegensatz zu denen der konventionellen Landwirtschaft?
Die Jahresbilanz der Oikopolis-Gruppe weist auf einen Verlust von 1,1 Millionen Euro hin. Und das, ein Jahr nachdem diese einen Gewinn in Höhe von 1,5 Millionen Euro verbuchen konnte. Bricht man diese Zahl auf einzelne Bio-Läden, die der Oikopolis-Gruppe angehören, herunter, so erwirtschaftete unter anderem der Großhändler für Biolebensmittel Biogros einen Gewinn von 253.000 Euro im Jahr 2021 - im Jahr davor waren es allerdings noch 907.000 Euro. Die Naturata-Bioläden stellten 2021 einen Verlust von 1,2 Millionen Euro fest, nachdem das Unternehmen im Vorjahr einen Gewinn von 442.000 Euro verbucht hatte.
Der Vorstandsvorsitzende der Oikopolis-Gruppe bestätigte dem „Luxemburger Wort“ gegenüber, dass die Nachfrage nach Bioprodukten tatsächlich zurückgegangen ist. „Das hat sich mit der Inflation verstärkt, aber schon vor Energiekrise und Preisexplosion eingesetzt.“
Inwiefern das Agrargesetz auf das Problem der Nachfolge eine Antwort liefert, ist momentan noch unklar.
Wie sind die Verluste der Biolandwirtschaft zu erklären?
Die Nachfrage nach Biolebensmitteln erlebte mitten in der Corona-Pandemie einen Boom. Gesunde Ernährung stand 2020 bei den Menschen hoch im Kurs, wobei im Zuge des Lockdowns mehr Zeit übrig blieb, um selbst zu kochen und die Menschen gaben weniger von ihrem Einkommen für Restaurantbesuche oder Reisen aus. Die Nachfrage nach Qualität und somit die Bereitschaft, Bioprodukte zu kaufen, die im Schnitt als teurer gelten, stieg. Im Pandemiejahr gaben Verbraucher rund 15 Prozent mehr Geld für Bioprodukte als 2019 aus und der europäische Markt für Bioprodukte stieg auf den Rekordwert von 52 Milliarden Euro.
Ab 2021 hieß es allerdings: zurück zur Normalität. 2022 ist die Nachfrage angesichts der hohen Inflation eingebrochen. Für viele Haushalte gilt es nun zu sparen, denn die Preise für Lebensmittel sind im Oktober 2022 im Jahresvergleich um 10,5 Prozent gestiegen. „Viele sparen zuerst bei den Lebensmitteln“, erklärte auch Daniela Noesen von der „Vereenegung fir Biolandwirtschaft Lëtzebuerg“ dem „Luxemburger Wort“ gegenüber. Zudem seien viele auf regionale und saisonale Produkte umgestiegen - was allerdings nicht Bio bedeutet.
Wie schaut es um die Nachfolge der landwirtschaftlichen Betriebe hier im Land aus?
Während 29,4 Prozent der Betriebe für ihre Nachfolge gesorgt haben, sieht es für 838 Betriebe, also ungefähr 70 Prozent, anders aus. Bei 38,5 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe ist die Nachfolge ungewiss, bei 38,5 Prozent ist diese momentan noch nicht gesichert – ein Problem für den landwirtschaftlichen Sektor, wo momentan 1.187 Betriebsleiter über 50 Jahre alt sind, was 63,5 Prozent aller Betriebe darstellt.
Inwiefern das Agrargesetz auf das Problem der Nachfolge eine Antwort liefert, ist momentan noch unklar. Die Landwirtschaftskammer hat in ihrem Gutachten zum Entwurf vorgeschlagen, pensionierte Bauern aus der Definition des aktiven Bauern zu streichen, was bedeutet, dass sie kein Recht auf Zuschüsse haben und die landwirtschaftliche Aktivität für sie uninteressant wird. Pensionierte Bauern, so der Gedanke, könnten die Flächen an jüngere Landwirte verpachten und diesen eine Perspektive bieten. Ob der Vorschlag im Gesetz übernommen wird, bleibt abzuwarten.
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