Was die Verfassungsreform bringen wird
Was die Verfassungsreform bringen wird
Luxemburgs Verfassung stammt aus dem Jahr 1868, 1999 gab es erste Bestrebungen, den Text grundlegend zu überarbeiten und an moderne Zeiten anzupassen. 2008 wurde es dann mit der Verfassungskrise akut, als Großherzog Henri sich weigerte, das Euthanasie-Gesetz zu unterzeichnen, sodass es nicht hätte in Kraft treten können. Man entmachtete den Staatschef kurzerhand, gestand ihm nur noch zu, Gesetze zu erlassen, billigen muss er sie nicht mehr.
2009 legte der CSV-Verfassungsexperte Paul-Henri Meyers dann einen ersten Text vor, der bis 2015 nach und nach so weit ergänzt wird, dass quasi eine ganz neue Verfassung entsteht, die dann auch so tituliert wird. Sollte sie ursprünglich in ihrer Gesamtheit nach einer Informationskampagne der Chamber den Wahlberechtigten in einem Referendum unterbreitet werden, so nahm man nach diversen Querelen und Kehrtwenden der CSV 2019 davon Abstand: Es wurde entschieden, den Text in vier Kapitel aufzuteilen, mit jeweils einem Co-Berichterstatter, und nur vom Parlament verabschieden zu lassen.
Zu den Grundrechten zählt nun auch die Würde des Menschen - das ist neu.
Frühestens drei Monate nach der ersten Lesung sollte die zweite erfolgen, wobei jedes Mal eine qualifizierte Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Sechs Monate darauf tritt sie in Kraft. In dieser letzten Sitzungswoche 2022 wurde am Mittwoch das Kapitel zur Justiz mitsamt vier Gesetzen zum zweiten Mal verabschiedet, Co-Berichterstatter war Léon Gloden (CSV). Kernpunkte sind hier, dass die Unabhängigkeit der Justiz mitsamt Nationalem Justizrat festgeschrieben wird, aber auch Verfahrensrechte wie die Unschuldsvermutung.
Am Donnerstag folgten die drei anderen Kapitel zur Organisation des Staates des Co-Berichterstatters Mars Di Bartolomeo (LSAP), zu Parlament und Staatsrat (Charles Margue, Déi Gréng) sowie zu Rechten und Freiheiten (Simone Beissel, DP). Alle Kapitel fanden eine breite Mehrheit der Regierungsparteien sowie CSV und Piraten. Nur Déi Lénk, die selber einen alternativen Verfassungstext vorgelegt hatten, enthielten sich, während die ADR-Abgeordneten alle Vorschläge ablehnten.
Staatsform, Regierung und nationale Symbole
Der Reformtext verankert die Staatsform der konstitutionellen Monarchie in der Verfassung. Die Regierung wird als bestimmendes Organ der Exekutive definiert und sowohl die Rolle des Premierministers als auch das Amt des Vize-Premiers umrissen. Die Rolle des Staatschefs wird künftig fast ausschließlich auf die Exekutive beschränkt, der Großherzog darf rein formal aber auch noch die Richter ernennen.
In der Verfassung verankert werden auch die 2020 gegründete großherzogliche Verwaltung, die Maison du Grand-Duc, und es werden die Thronfolge, die Regentschaft und die finanziellen Zuwendungen für den großherzoglichen Hof geregelt. Mit der Reform werden auch die Staatssymbole aufgewertet: Die luxemburgische Sprache, die Nationalhymne, das Wappen und die Fahne werden explizit erwähnt und die Stadt Luxemburg wird als Hauptstadt des Landes genannt. Die Trennung von Kirche und Staat wird erstmals festgeschrieben.
Parlament und Staatsrat
Das Kapitel zum Parlament und zum Staatsrat verleiht den Abgeordneten mehr Instrumente, um die Regierung kontrollieren zu können. So können sie den Staatsrat selber mit Fragen befassen und Untersuchungsausschüsse können von 20 Volksvertretern beantragt werden. Es können Referenden durchgeführt werden, wobei ein Gesetz regelt, was die Fragestellung ist, wer betroffen ist und wer befragt werden soll, denn künftig können auch Nicht-Luxemburger an Referenden teilnehmen.
Die Bürger erhalten ein Gesetzes-Initiativrecht: Dafür müssen sich mindestens 125 Wähler zusammentun, die von mindestens 12.500 Wählern unterstützt werden. Das Parlament muss dann in einer öffentlichen Sitzung über den Vorschlag beraten und entscheiden, ob er auf den Instanzenweg geschickt wird. Der Ombudsman erhält derweil endlich Verfassungsrang und wird Bestandteil der staatlichen Institutionen.
Von Rechten und Freiheiten
Das dritte Kapitel definiert die Grundrechte, die öffentlichen Freiheiten und die Staatsziele. Zu den Grundrechten gehören nun neuerdings die Würde des Menschen und unter anderem die Meinungs- und Religionsfreiheit, das Recht auf körperliche und mentale Integrität, das Verbot der Folter.
Erstmals werden Staatsziele festgelegt, die zwar nicht eingeklagt werden können, den Staat aber zur Umsetzung verpflichten.
Zu den öffentlichen Freiheiten, die erstmals Verfassungsrang erhalten, gehören das Recht auf Datenschutz und das Recht auf Asyl, aber beispielsweise auch das Recht jedes Einzelnen, also auch von Alleinerziehenden und gleichgeschlechtlichen Paaren, eine Familie zu gründen, was zur Empörung bei der ADR führte. Auch die Rechte der Kinder werden hier gestärkt, ursprünglich sollten sie zu den Staatszielen gehören.
Diese werden derweil erstmals in der Verfassung festgelegt. Staatsziele können zwar nicht vor Gericht eingeklagt werden, verpflichten jedoch den Staat dazu, alles für ihre Umsetzung zu tun. Dazu gehören beispielsweise neben dem Zugang zur Kultur und der Freiheit der wissenschaftlichen Forschung auch der Erhalt der Biodiversität und der Klimaschutz.
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