Warum sich Parteien klarer ausdrücken müssen
Warum sich Parteien klarer ausdrücken müssen
Komplizierte Schachtelsätze, vollgepackt mit Fachbegriffen - das ärgert sicherlich jeden hin und wieder. Gerade wenn es um Verwaltungsvorgänge geht, wünscht man sich klare und einfach geschriebene Informationen. Menschen mit geringen Lesekompetenzen oder einer intellektuellen Beeinträchtigung sind sogar darauf angewiesen. Ein wesentlicher Grund, warum vermehrt auf Leichte Sprache (LS) gesetzt werden sollte: kurze Sätze, einfache Wörter.
Auch in der Politik helfen einfache Sprachbilder, um Barrieren abzubauen und mehr Menschen den Zugang zu wichtigen Themen zu ebnen. „Jeder Mensch soll gut informiert sein. Das ist ein Menschenrecht“, sagt Béa Brosius, Sozialpädagogin beim nationalen Zentrum für Leichte Sprache Klaro der Apemh. „Nur wer gut informiert ist, kann sich eine eigene Meinung bilden und Entscheidungen treffen, demnach gleichberechtigt am politischen und öffentlichen Leben teilhaben“, verdeutlicht sie.
Nur wer gut informiert ist, kann gleichberechtigt am politischen und öffentlichen Leben teilhaben.
Béa Brosius, Sozialpädagogin bei Klaro
Politik will verstärkt auf Leichte Sprache setzen
Im Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention 2019-2024 des Familienministeriums ist „eine systematischere Verwendung der Leichten Sprache“ vorgesehen. Bereits im Koalitionsabkommen 2018-2023 hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, „staatliche Webseiten in mehreren Sprachen zur Verfügung zu stellen, unter anderem in Leichter Sprache“. Dieser Punkt wurde 2021 wiederum im Nationalen Strategieplan für digitale Inklusion aufgegriffen und in Form der Bereitstellung von Informationen in Leichter Sprache auf Guichet.lu inzwischen zumindest teilweise in die Tat umgesetzt.
Im Superwahljahr wächst die Notwendigkeit einer barrierefreien Kommunikation. „Hat man als Bürger keine guten und verständlichen Informationen, weiß man nicht, wofür die Parteien stehen und wen man letztlich wählen soll“, gibt Béa Brosius zu bedenken und richtet deshalb einen Appell an die Parteien, dies bei der Ausarbeitung ihrer Wahlprogramme zu berücksichtigen.
Verständlicher für alle Menschen
Letztlich würden nicht nur Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung davon profitieren, sondern auch ältere Personen, Menschen mit einer Leseschwäche oder auch noch Hörgeschädigte, die die deutsche Gebärdensprache sprechen. „In Luxemburg gibt es zwar keine wissenschaftlich belegten Zahlen über die Lesekompetenzen, Erfahrungswerte verschiedener europäischer Akteure lassen aber darauf schließen, dass im Allgemeinen rund 50 Prozent der Bürger auf leicht verständliche Sprache angewiesen sind, um Informationen zu verstehen und somit selbstständig entscheiden und handeln zu können“, macht sie deutlich.
Klaro bietet Beratung und Weiterbildung für Parteien
„Bei Klaro befassen wir uns aktuell viel mit politischen Themen und arbeiten mit externen Klienten Informationsmaterial aus, damit sich wirklich jeder Wähler gut vorbereiten kann“, berichtet sie. Auch habe man alle Parteien angeschrieben, um eine Beratung anzubieten. Ende Februar wird noch dazu eine Weiterbildung speziell für sie organisiert. Dem „Luxemburger Wort“ gegenüber haben alle in der Chamber vertretenen Parteien sowie Fokus ihr Interesse an einer Teilnahme bekundet und angegeben, besonders im Hinblick auf die anstehenden Wahlen verstärkt auf LS zurückgreifen zu wollen.
Da uns Inklusion so wichtig ist, haben wir vorgesehen, unsere Wahlprogramme in Leichter Sprache zu realisieren.
LSAP
Während dies bei einigen wie eine Absichtserklärung klingt, sind manche Parteien schon weiter. „Um allen Menschen Zugang zu Themen rund um die Wahlen zu bieten, hatten wir unsere Engagements bereits 2018 in einfache Sprache übersetzt. Das wollen wir weiterführen“, stellt die CSV in Aussicht. Die LSAP will ihre Anstrengungen ebenfalls verstärken: „Da uns Inklusion so wichtig ist, haben wir vorgesehen, unsere Wahlprogramme in Leichter Sprache zu realisieren und stehen auch schon mit Experten verschiedener Organisationen in Kontakt.“
Die Piratepartei gibt an, immer schon Wert auf eine „leicht verständliche Sprache“ gelegt zu haben und systematisch auf Luxemburgisch zu kommunizieren. Bislang tue man dies „eher aus dem Bauch heraus“, sei aber lernwillig. Ein Treffen mit Mitarbeitern des Klaro gab es bereits.
Man stellt sich das viel einfacher vor, als es ist. Da gibt es einige Hürden.
Myriam Cecchetti (Déi Lénk)
Unterdessen gibt Myriam Cecchetti (Déi Lénk) unumwunden zu, dass ihre Partei oft „etwas schwerfällig“ kommuniziere und es deshalb sinnvoll wäre, eine leichtere Sprache zu benutzen. Eines weiß sie aber: „Man stellt sich das viel einfacher vor, als es ist. Mit dem Inhalt ist es ja nicht getan. Auch auf die Schriftgröße muss geachtet werden, auf die farblichen Nuancen, die Schrift muss klar sein, ohne Verschnörkelungen … Da gibt es einige Hürden.“
Prüfgruppe der Apemh nimmt die Texte unter die Lupe
Tatsächlich gibt es feste Regeln, wie auch Béa Brosius unterstreicht: „Es sollen vor allem einfache Wörter benutzt werden und nur acht bis zehn pro Satz. Nach jedem Satz folgt ein Absatz. Metaphern oder Worte mit mehreren Bedeutungen sollten nicht benutzt werden. Schwere Wörter müssen erklärt werden, indem etwa mit Beispielen gearbeitet wird.“ Ein anderes wichtiges Merkmal sei der klare Aufbau der Texte. Auch auf das Schriftbild und Design komme es an.
Um am Ende mit dem Logo „Inclusion Europe“ gekennzeichnet zu werden - einer Art Qualitätslabel -, muss der Text von einer Prüfgruppe begutachtet werden. Dazu arbeitet Klaro eng mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung aus dem Atelier isie der Apemh zusammen. „Sie sind die Experten für diese Sprache“, erklärt Béa Brosius. Neben der Leichten gibt es auch noch die Einfache Sprache. „Da können die Sätze länger sein und es kann in Abschnitten gearbeitet werden, ansonsten gelten aber die gleichen Prinzipien. Die Inhalte sollten klar sein. Das wäre auch ein Weg, den Parteien wählen könnten“, meint sie.
Leichte Sprache auf den Webseiten der DP und Déi Gréng
Als bisher einzige Parteien bieten DP und Déi Gréng auf ihren Webseiten Rubriken mit den wichtigsten Informationen in Leichter Sprache an. „Um die Vorstellung unserer Partei und unserer Programme inklusionsgerecht zugänglich zu machen“, erklärt DP-Generalsekretärin Carole Hartmann. Schon in der Vergangenheit hatten die Liberalen ihre Kurzwahlprogramme in LS veröffentlicht. Die Bemühungen wolle man in diesem Sinn fortführen.
Nur wenn wir die Politik für Bürger und Bürgerinnen zugänglich machen, können wir ihr Interesse wecken.
Djuna Bernard (Déi Gréng)
Grünen-Co-Parteipräsidentin Djuna Bernard verweist auf das Grundrecht auf Information, das sich gerade auch auf politische Entscheidungen beziehe. „Nur wenn wir die Politik für Bürger und Bürgerinnen zugänglich machen, können wir ihr Interesse wecken“, ist sie überzeugt. „In diesem Sinn ist Leichte Sprache für uns ein äußerst wichtiges Instrument.“ Bereits bei den letzten Wahlen hatten Déi Gréng ihre Programme in Leichter Sprache auf Deutsch veröffentlicht, diesmal sollen weitere Sprachen hinzukommen. „Zudem haben wir bei Klaro eine Beratung für unsere Kommunikationsmannschaft angefragt, um über grafische Elemente und Layout von Veröffentlichungen zu reden“, teilt sie mit.
ADR fordert Mittel, um Nachfrage gerecht zu werden
Der Wille allein reiche nicht, gibt ihrerseits die ADR zu bedenken: „Aus finanziellen und personellen Gründen können wir nicht das komplette Wahlprogramm in Leichter Sprache realisieren. Wir werden aber eine Broschüre mit den wichtigsten Elementen herausgeben.“ Jeder Mensch habe das Recht, sich eigenständig zu informieren und möglichst unabhängig durchs Leben zu gehen, findet die ADR, die sich deshalb dafür einsetzt, dass LS systematischer für die offizielle Kommunikation - sowohl vom Staat als auch von den Gemeinden – genutzt wird.
In einer parlamentarischen Frage hat Fred Keup im November auf die Notwendigkeit dieser angepassten und inklusiven Kommunikationsart hingewiesen, genau wie auf den Mangel an qualifiziertem Personal, um der Nachfrage nachzukommen. Darüber hinaus wurde eine Resolution der ADR angenommen, die die Chamber als Institution dazu auffordert, die Fraktionen und Sensibilitäten mit den nötigen Mitteln zu unterstützen, damit sie ihre Internetseiten in LS zugänglich machen können.
Wenn man sich nur ein bisschen an die Basisregeln hält, ist bereits viel getan.
Béa Brosius, Klaro
Nicht jeder Standardtext lasse sich ohne Weiteres in Leichte Sprache umformulieren, gibt Béa Brosius noch zu bedenken. „Das wird oft unterschätzt. Es ist nicht einfach eine Satz-für-Satz-Übersetzung. Zuerst muss die Struktur des Textes analysiert und herausgefiltert werden, wo die wichtigen Informationen stehen. Sie gehören an den Anfang, damit sofort klar ist, worum es geht“, beschreibt sie. „Wenn man sich nur ein bisschen an die Basisregeln hält, ist bereits viel getan“, hält sie fest.
Komplette Wahlprogramme zu transkribieren, könne Klaro nicht leisten. „Wir sind kein Übersetzungsbüro. Dazu reichen unsere personellen Ressourcen nicht. Den Parteien wollen wir in erster Linie eine Beratung bieten. Das ist generell unsere Idee: sensibilisieren, Tipps geben und weiterbilden.“
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