Von Luxemburg und anderen Steuerparadiesen
Von Luxemburg und anderen Steuerparadiesen
(CBu) - Während Jean-Claude Juncker im Interview mit mehreren europäischen Zeitungen Erklärungen zu seiner Rolle in Sachen "LuxLeaks" liefert und das ICIJ weitere Enthüllungen in dieser Sache vorbereitet, nahm sich die "Gréng Stëftung" am Donnerstagabend Zeit, das Problem des "Steuerdumpings" etwas ausführlicher unter die Lupe zu nehmen.
Zu diesem Zweck hatte man den belgischen Journalisten und Buchautor Eric Walravens ("Dumping fiscal. Enquête sur un chantage qui ruine nos États") nach Luxemburg eingeladen, der im Cercle Cité während knapp einer Stunde über das globale Problem der "Guerre fiscale" referierte. Anschließend und auch zwischendurch entwickelte sich dabei auch eine angeregte Diskussion mit den anwesenden Zuschauern.
Steuernischen als globales politisches und soziales Problem
Walravens begann seine Ausführungen mit dem Hinweis, dass er "nur Journalist" sei, der über europäische Politik berichtet. Er sei "kein Experte für Steuerfragen". Er sei aber auf das Thema aufmerksam geworden als man in Europa im Zuge der Finanzkrise zunehmend über "die Steuerparadiese dieser Welt" sprach. Und so begann der Journalist der belgischen Nachrichtenagentur "Belga" auch zunächst über das Steuerparadies zu sprechen, aus dem er selbst stammt.
Belgien habe in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine Reihe von Steuernischen geschaffen, um Konzerne und Wohlhabende anzulocken, sagt Walravens. In Europa gebe es einige Staaten, die "Steuernischen zum Teil ihres Geschäftsmodells erhoben haben". Neben Belgien nannte er unter anderem Irland und die Niederlande. Aber auch Luxemburg müsse man in dieser Reihe nennen - und das sicherlich nicht erst seit "LuxLeaks".
Steuernischen seien eine "eklatante Form der Umverteilung", sagt der Journalist. Damit sei dies zwangsläufig eine Frage des allgemeinen politischen Interesses und nicht nur ein Thema für Steuerexperten. "Wenn Reiche und Konzerne die Besteuerung ihrer Gewinne durch Steuerparadiese minimieren können, trifft das die Frage der sozialen Gerechtigkeit und letztlich auch der Legitimität der Demokratie."
Luxemburg kein Einzelfall, aber "mit am aggressivsten unterwegs"
Bezogen auf Luxemburg, sagte der Gast der "Gréng Stëftung", dass das Großherzogtum zwar nicht das einzige Land sei, das durch Rulings komplexe Steuervermeidungsmodelle fördert, es sei in dieser Hinsicht aber "mit am aggressivsten unterwegs". Walravens ließ dabei nochmals die Enthüllungen von "LuxLeaks" Revue passieren und sprach auch die politisch unkontrollierte, "sehr offene Haltung" der Luxemburger Steuerverwaltung an.
Durch Wortmeldungen aus dem Publikum kam der belgische Journalist dann auch auf die aktuelle politische Situation in Luxemburg zu sprechen. Soweit er es mitkriege, herrsche im Land ein "großer politischer Konsens", der jegliche Kritik an den Steuerpraktiken abblocke. Dass man dabei im Zweifel immer auch mit der "nationalen Solidarität" argumentiere, deute auf ein "problematisches Verständnis der pluralistischen Demokratie" hin.
Auch auf europäischer Ebene gebe es eine große Koalition, die hinter Jean-Claude Juncker stehe und eine detaillierte und transparente Aufarbeitung der Affäre verhindere. Juncker selbst könne sich dabei nicht so leicht aus der Verantwortung ziehen, auch wenn er das aktuell mit "den üblichen rhetorischen Tricks" versuche, so Walravens. Der Kommissionspräsident müsse nun zeigen, wie Ernst es ihm mit der Aufstellung neuer Regeln auf europäischer Ebene zur Eindämmung der auch durch ihn selbst provozierten "Exzesse" der Steuerflucht von Unternehmen ist.
Offene Positionierung eines Grünenpolitikers
A propos europäische Ebene: Die wichtigste Frage, über die aktuell wieder mehr diskutiert werde, sei die der Harmonisierung der Bemessungsgrundlage bei der Besteuerung von Unternehmen, so der Journalist. An dieser Stelle schaltete sich auch der Gastgeber der Veranstaltung, Mike Mathias, ein. Der Grünenpolitiker, der seit Anfang des Jahres auch Mitglied des Staatsrats ist, bekräftigte, dass die Harmonisierung der Bemessungsgrundlage eine "geniale Idee" sei.
Anders als die aktiven Regierungspolitiker seiner Partei bezog Mathias klar Stellung. So sagte er, dass es bei der aktuellen exzessiven Steuerkonkurrenz "nur einen Verlierer gibt, nämlich die Staaten - und nur einen Gewinner, nämlich die multinationalen Konzerne". Weiterhin forderte er, dass man sich in Luxemburg endlich darum bemühen müsse, belastbares Zahlenmaterial über die durch Rulings erreichten Steuermodelle und alle sonstigen Einnahmequellen des Staates zu erhalten. Nur so könne man in einer Demokratie darüber streiten, ob diese Praktiken politisch vertretbar sind oder nicht.
Genau zu dieser Frage ("Wieviel verdient der Staat denn eigentlich durch diese Rulings...?") kamen am Donnerstagabend die meisten Rückmeldungen aus dem Publikum. Ebenso spielte die Frage eine Rolle, inwiefern etwas was legal ist auch unbedingt moralisch legitim sein muss - nicht nur im nationalen oder europäischen Kontext, sondern auch weltweit in Bezug auf die von derartiger Steuerkonkurrenz wohl am meisten geschädigten Entwicklungsländer.
Interessante Fragen nur am Rande behandelt
Schließlich endete der Diskussionsabend als es thematisch so richtig interessant wurde. So wurde die Frage der begrenzten und "interpretationsoffenen gesetzlichen Basis" in Luxemburg in Sachen Rulings nur kurz angesprochen. Ebenso wurde nur ein kurzer Hinweis dazu gegeben, dass die Frage der politischen Verantwortung für die Praxis in Luxemburg aus diversen Gründen nicht so einfach zu beantworten ist, wie manche vielleicht meinen.
Doch dazu äußerte sich mittlerweile ja der langjährige Ex-Premier und aktuelle Präsident der Europäischen Kommission in einem Interview. Dort sagte Juncker, dass man einerseits "keine andere Wahl" hatte als die luxemburgische Wirtschaft zu "diversifizieren". Andererseits hätte er im Rückblick wohl ein Gesetz verabschiedet, dass die politische Kontrolle in dieser Grauzone verstärkt hätte. Beides also Informationen, die die kurzweilige Diskussion am Donnerstagabend noch etwas interessanter gemacht hätten.
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