„Von einer Ärzteflucht kann keine Rede sein“
„Von einer Ärzteflucht kann keine Rede sein“
Die Kündigung des sechsköpfigen Kardiologenteams im Centre Hospitalier du Nord (CHdN) hat das Spital und die gesamte Luxemburger Krankenhauswelt erschüttert. Die Vereinigung der Ärztevertreter (AMMD) wertete dies als „direkte Konsequenz einer jahrzehntelangen gescheiterten Gesundheitspolitik“ und warf der Politik vor, an veralteten Methoden festzuhalten und das Gesundheitspersonal zu vergraulen.
Das sehen die Vertreter der Fédération des hôpitaux luxembourgeoise (FHL) etwas nuancierter. Grund für die Kündigung sei eine zu hohe Arbeitsbelastung der Ärzte gewesen, die neben ihrer Arbeit im Krankenhaus auch noch eine private Praxis führen, erklärte Dr. Paul Wirtgen, Leiter des Nordspitals, am Montag bei einer Pressekonferenz des Krankenhausverbands. Er gab sich hoffnungsvoll, dass die Krise überwunden werden kann. Ihm lägen zwei Kandidaturen von Spezialisten vor, „die vielleicht ihre Aktivität eher im Krankenhaus ausbauen und keine so große Praxis haben“.
Ein Problem ist: Die Arbeit im Krankenhaus beinhaltet eine Reihe von Verpflichtungen wie Bereitschaftsdienste, Meetings oder Ärztebesprechungen, die neben der medizinischen Tätigkeit viel Zeit in Anspruch nehmen. Dennoch sei die Arbeit im Krankenhauswesen für Ärzte nach wie vor interessant und habe viele Vorzüge, sagte FHL-Präsident Dr. Philippe Turk. Zu den Vorteilen zählte er die Arbeit in multiprofessionellen und interdisziplinären Teams sowie eine organisationelle Struktur, „die die Ärzte auf allen Ebenen einbindet und sie unterstützt“. Darüber hinaus biete der Krankenhaussektor ein hohes Maß an Qualität und Sicherheit.
Wir haben gar keine Interesse daran, unsere Ärzte zu vergraulen.
Dr. René Metz, Generaldirektor des Chem
Unzufriedenheit der Ärzte
Dass die Ärzte in großer Anzahl nun die Flucht ergreifen würden, sei nicht der Fall, sagte Dr. Marc Berna, Generaldirektor der Hôpitaux Robert Schuman (HRS). Die Covid-Krise habe die Ärzte in den Krankenhäusern stark belastet. Dadurch sei das Gleichgewicht etwas ins Wanken geraten. Eine massive Unzufriedenheit aber habe er nicht feststellen können.
Auch Dr. René Metz, Generaldirektor des Centre hospitalier Emile Myrisch (Chem), konnte bisher keine massive Unzufriedenheit feststellen. Der Dialog zwischen der Krankenhausleitung und den Ärzten funktioniere gut. „Wir haben gar kein Interesse daran, unsere Ärzte zu vergraulen. Wir brauchen sie und versuchen, ihnen so weit wie möglich entgegenzukommen. Wir befinden uns aber auch in einem rechtlichen Rahmen mit gewissen Verpflichtungen, an die wir uns halten müssen“, so Dr. Metz.
Ein Schwachpunkt des Spitalsektors ist laut Dr. Philippe Turk die mangelnde Attraktivität der Krankenhausmedizin im Vergleich zur ausschließlichen freien Berufsausübung in einer privaten Praxis. Trotz der Vorteile sieht die FHL demnach die Notwendigkeit, die Attraktivität des Spitalsektors zu steigern.
Das Thema Ärzte-und Fachkräftemangel muss ganz dringend diskutiert werden.
Dr. Philippe Turk, FHL-Präsident
Attraktivität des Spitalwesens steigern
Ein wichtiger Aspekt ist, dass Bereitschaftsdienste nach wie vor nicht vergütet werden. Diesbezüglich erwarte man in den kommenden Tagen „eine vernünftige Lösung“ seitens der Regierung, so Dr. Turk. Darüber hinaus fordert die FHL eine gerechte Vergütung für die zeitintensive organisatorische Arbeit der Ärzte in den Krankenhäusern. Dazu zählt auch die organisatorische Arbeit im Qualitäts- und Risikomanagement. Eine Diskussion mit den politisch Verantwortlichen über diese Art der Vergütung hat Dr. Romain Nati, Generaldirektor des Centre hospitalier de Luxembourg (CHL), zufolge noch nicht stattgefunden.
Um die Attraktivität der Krankenhausmedizin zu steigern, fordert die FHL zudem eine intensivere und breitere Ausbildung von Ärzten und Gesundheitsfachkräften an der Universität Luxemburg. „Das Thema Ärzte- und Fachkräftemangel muss ganz dringend diskutiert werden“, so Dr. Turk
Um die Kohäsion des Spitalwesens aufrechtzuerhalten, dürfe es auf keinen Fall zu einer wettbewerbsorientierten Entwicklung von spezialisierten medizinischen Diensten außerhalb des Spitalwesens kommen. „Für eine solche Zerstreuung haben wir schlicht nicht genügend Ressourcen“, sagte Dr. Turk.
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