Vom blauen Himmel und dunklen Wolken
Vom blauen Himmel und dunklen Wolken
Es ist ein fester Bestandteil der jährlichen Budgetpräsentation: Unmittelbar nach der Rede des Finanzministers reagieren die Fraktionschefs auf den Haushaltsentwurf. Und es ist auch gute Tradition, dass die Regierungsparteien die Rede loben und die Vertreter der Opposition das Zahlenwerk für das kommende Jahr zerreißen. Und so war es auch in diesem Jahr. Allerdings hatte Finanzminister Pierre Gramegna (DP) diesmal mit seiner Weinberg-Metapher den Volksvertretern eine Steilvorlage geliefert.
Auch Sven Clement von den Piraten, der als Erster vor die Mikrofone der wartenden Journalisten trat, griff das Bild auf: „Die Rede war auf den ersten Blick sehr positiv, der Finanzminister hat viel von einem blauen Himmel und schönen Weinbergen gesprochen. Ich hoffe nur, dass wir später nicht einen über den Durst trinken müssen, um die Zahlen zu verdauen.“ Clement machte einige positive Punkte in Gramegnas Rede aus. Sie seien aber genauso vage wie die Ankündigungen von Premier Bettel (DP) in der Rede zur Lage der Nation tags davor. Konkrete Pisten gebe es auf den ersten Blick nicht, deshalb will Clement nun erst einmal den gesamten Entwurf minutiös studieren.
Dass der Haushalt erneut mit einem Defizit schließt, beunruhigt ihn nicht allzu sehr. Eine Sparpolitik wäre in seinen Augen aktuell eher kontraproduktiv. Die hohen Investitionen begrüßt er grundsätzlich, allerdings müsse man abwarten, ob die Gelder auch an der richtigen Stelle ankommen. Clement sieht denn auch einige dunkle Wolken an Gramegnas blauem Himmel und vermutet, dass verschiedene Rebstöcke innen morsch sind.
Mit 228 Millionen Euro baut man bis zum Jahr 2025 keine 8.000 Wohnungen.
CSV-Co-Fraktionschef Gilles Roth
Gilles Roth von der CSV gab sich unmittelbar nach der Haushaltsrede noch kritischer. „Am Dienstag hat Premier Bettel nur vage Pisten aufgezeichnet und heute nach der Haushaltsrede von Finanzminister Gramegna sind wir nicht viel schlauer“, so sein Kommentar. In einigen wesentlichen Politikfeldern gebe es überhaupt keine neuen Maßnahmen.
Der CSV-Co-Fraktionschef vermisst vor allem konkrete Maßnahmen zum Logement: „Mit 228 Millionen Euro baut man keine 5.000 respektiv 8.000 Wohnungen bis zum Jahr 2025.“ Auch die Mittel für den Kampf gegen die Armut reichen seiner Meinung nach bei Weitem nicht aus. Angesichts der explodierenden Energiepreise sei die Anhebung der Teuerungszulage um 200 Euro gerade einmal einen Tropfen auf den heißen Stein. Roth vermisst zudem steuerliche Entlastungen für Alleinerziehende, eine Kritik, die übrigens nicht nur von der Opposition, sondern auch von den Sprechern der Mehrheitsparteien geäußert wurde. Insgesamt hätte sich der finanzpolitische Sprecher der CSV steuerliche Maßnahmen gewünscht, die für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen würden: „Die Schere zwischen Arm und Reich klafft in Luxemburg immer weiter auseinander.“
Die Regierung zeigt nicht einmal ansatzweise auf, wie die Schulden zurückbezahlt werden sollen.
Fernand Kartheiser, ADR
Zwar würden sich die Finanzen nach den durch die Pandemie verursachten Turbulenzen erholen, das Defizit bleibe aber sehr hoch. Roth kann denn auch keine Pisten erkennen, wie die Regierung das Defizit reduzieren will. Genau wie die Rede zur Lage der Nation von Premier Bettel sei auch die Haushaltsrede von Finanzminister Gramegna daher lediglich eine „Schönwetter-Rede“.
Fernand Kartheiser (ADR) tut sich vor allem mit den Ausgaben schwer. Sie müssten unbedingt hinterfragt werden. Die Regierung verkaufe jede Ausgabe als Investition, dies um zu verhindern, dass sie infrage gestellt werde.
Der Begriff Nachhaltigkeit ist seiner Meinung nach nicht konkret genug definiert. Das Hauptproblem sei der enorme Schuldenberg, für den die kommenden Generationen aufkommen müssten. „Die Regierung zeigt nicht einmal ansatzweise auf, wie die Schulden zurückbezahlt werden sollen.“
Kartheiser kritisierte am Mittwoch auch die Aussagen des Finanzministers in Bezug auf den Finanzplatz. Entgegen den Beteuerungen der Regierung falle Luxemburg immer weiter zurück. Ähnlich verhält es sich seiner Meinung nach auch bei den Steuern. Sowohl der Premier als auch der Finanzminister hätten betont, dass es nicht zu einer Steuererhöhung kommen werde. Das Gegenteil sei aber der Fall. So werde die CO2-Steuer angehoben, es komme eine Spekulationssteuer und die Grundsteuer falle nach der Reform vermutlich ebenfalls höher aus.
Für Nathalie Oberweis (Déi Lénk) gesteht der Regierung zwar zu, dass sie die Krisen - etwa im Wohnungsbau - erkennt, moniert aber gleichzeitig, dass sie nichts dagegen tut: „Der Haushalt ist enorm vage, es gibt kaum konkrete Maßnahmen.“ In Bezug auf die Sozialpolitik spricht Oberweis von „Almosen, die nicht ausreichen, um wirklich etwas zu bewirken“. Die im Koalitionsabkommen angekündigte Steuerreform hätte ihrer Meinung nach unbedingt kommen müssen, um für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Zumindest hätte man etwas für die Alleinerziehenden tun müssen. Der Himmel sei mitnichten blau.
Blau-rot-grüner Himmel
Ganz anders die Meinung der Mehrheitsparteien. Für die Vertreter von DP, LSAP und Grünen ist der Himmel in der Tat fast wolkenlos blau und die Reben im Weinberg stehen in vollem Saft.
Für André Bauler (DP) geht aus der Haushaltsvorlage ganz eindeutig hervor, „dass die Regierung sich für die Zukunft entschieden hat“. Das Budget ebene den Weg für eine nachhaltige Wirtschaft. Der immer „grüner“ werdende Finanzplatz sei ein idealer Hebel, um den Weg in eine nachhaltigere Wirtschaft zu ebnen.
Zufrieden zeigt sich der Präsident der Finanzkommission auch in Bezug auf die weiterhin sehr hohen Investitionen. Trotzdem würde das Defizit langsam aber sicher sinken. Bauler lobt vor allem die Investitionen in das Schienennetz, dadurch könne im Bereich der Mobilität ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gewährleistet werden. Am meisten hat ihn aber beeindruckt, dass Luxemburg als erstes Land in der EU demnächst die Maastricht-Kriterien wieder erfüllen wird: „Dies zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, so der finanzpolitische Sprecher der DP.
Der Fraktionschef der LSAP; Georges Engel, hat den Eindruck, dass die Opposition neidisch sei, dass es dem Land gut gehe. Sie tue sich deshalb schwer mit ihrer Kritik: „Die Zahlen, die der Finanzminister heute präsentiert hat, sind sehr gut und zeigen in die richtige Richtung.“ Für Engel ist der Haushalt für das kommende Jahr „sehr sozial“. Immerhin würden 47 Prozent der Ausgaben in die Sozialtransfers fließen. Es handele sich definitiv nicht um ein „Austeritätsbudget“, zudem würde weiterhin viel Geld in die Investitionen gepumpt.
Ein Wermutstropfen
Auch wenn er insgesamt sehr zufrieden ist, so gibt es für Engel dennoch einen Wermutstropfen: „Die meisten Steuereinnahmen gehen nach wie vor auf das Konto der Arbeitnehmer.“ Seine Partei wünscht sich daher mehr Steuergerechtigkeit. Nun setzt der LSAP-Politiker auf die Steuerdebatte, die für Anfang kommenden Jahres programmiert ist. Dann werde man versuchen, gegenzusteuern, so Engel.
Auch Josée Lorsché (Déi Gréng) setzt große Hoffnungen in die angekündigte Steuerdebatte. Wie ihr Kollege von der LSAP sieht auch die grüne Fraktionschefin hier eine Möglichkeit, das Steuersystem gerechter auszurichten.
Den Haushalt bewertet sie insgesamt positiv, vor allem die hohen Investitionen stimmen sie zufrieden. Investitionen seien nämlich ein probates Mittel zur Politikgestaltung. Besonders froh zeigt sie sich in Bezug auf die Ausgaben im Bereich Mobilität. Die Investitionen ins Schienennetz seien ein wirkungsvolles Mittel im Kampf gegen den Klimawandel, so die grüne Fraktionsvorsitzende. Besonders hervor streicht sie auch, dass genügend finanzielle Mittel für die Umsetzung des Nationalen Energie- und Klimaplans zur Verfügung gestellt würden. Das gelte auch für den Bereich Logement.
Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter und Instagram und abonnieren Sie unseren Newsletter.
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
