Viviane Reding bei Maischberger: Kein Rechtsstaat mehr in Polen
Viviane Reding bei Maischberger: Kein Rechtsstaat mehr in Polen
Vor allem zwei Diskussionsteilnehmer sorgten für Aufsehen: Die Luxemburgerin Viviane Reding, langjährige EU-Parlamentarierin und -Kommissarin, und die polnische Journalistin Aleksandra Rybinska, die aus ihrer Nähe zur ultrakonservativen PiS-Partei keinen Hehl macht.
Es fing an mit der Frage, ob die EU zum Bürokratie-Monster geworden sei. Als Beispiele führte Maischberger Debatten um den Bräunungsgrad von Pommes und den Krümmungsgrad von Gurken an. Sie zitierte etwas überspitzt typische Aussagen von EU-Kritikern: "Die Migration kriegt ihr nicht geregelt, aber dafür macht ihr schöne Tabellen über den Bräunungsgrad der Fritten."
Der ZDF-Journalist Udo von Kampen räumte daraufhin mit einem Gerücht auf und stellte klar, das die Verordnung zur Krümmung von Gurken keine EU-Initiative gewesen sei, sondern vielmehr die Idee des Deutschen Fruchthandelsverbands, der die genormten Gurken besser abpacken könne. Die Grünen-Politikerin Sarah Wiener kritisierte die Regulierungswut der EU jedoch, mit der Begründung, Kleinbetriebe hätten am meisten darunter zu leiden: "Wenn man zwei Ferkel schlachten will, dann brauch man eigens einen Umkleideraum für den Veterinär."
Viviane Reding entgegnete dem: "Europa ist eine unglaublich starke Kreation der Menschheitsgeschichte und das redet man klein mit Fritten und Gurken." Die EU garantiere mit diesen hohen Standards die Lebensmittelsicherheit der EU-Bürger. "Ob es diese nicht schon vorher gegeben hätte?", entgegnete ihr die polnische Journalistin Aleksandra Rybinska.
Die Diskussion wendete sich bald der Rechtsstaatlichkeit Polens zu. Seit einer umstrittenen Justizreform, durch die zahlreiche oberste Richter zwangspensioniert wurden, sehen viele die Rechtsstaatlichkeit in Polen in Gefahr. So auch Viviane Reding. Sie sieht durch die Reform "die Basiswerte einer Demokratie und die Unabhängigkeit der Justiz" in Gefahr.
Als die Polin Rybinska die frühere EU-Kommissarin gerade heraus fragte, ob es in Polen keinen Rechtsstaat mehr gebe, antwortete diese mit Überzeugung: "Nein. Den gibt es nicht mehr." Ein Raunen ging daraufhin durch die Runde. Polen erhalte jährlich 80 Milliarden Euro Zuschüsse, wenn das Land sich nicht an die gemeinsam ausgearbeiteten Regeln halte, müsse man diese Gelder beschneiden.
Der Vertrauensverlust zwischen EU und Polen sei beidseitig, so Rybinska. Die Osteuropäer fühlten sich nach einer anfänglichen EU-Euphorie nach dem Beitritt im Jahr 2004 mittlerweile eher als EU-Bürger "zweiter Klasse." Man sei noch immer nicht ganz akzeptiert, was zu abnehmenden EU-Zustimmungszahlen führte. "Wir haben das Gefühl, dass wir wie Kleinkinder behandelt werden", erklärte Aleksandra Rybinska. "Demokratie traut man uns nicht zu." Dieser Graben zwischen Ost- und West-Europa werde vermutlich noch weiter wachsen, so die polnische Journalistin.
Wenn Brüssel so weitermacht, kommt irgendwann der Moment, wo diese Spaltung so groß wird, das wir keinen gemeinsamen Weg mehr finden.
Dies führte zu einer Diskussion um den Austritt der Briten aus der Europäischen Union. "In Großbritannien hat die traditionelle Politik völlig versagt", beurteilte Reding die Situation. Der Brexit sei negativ für alle Beteiligten. Einen positiven Aspekt konnte Viviane Reding dem Brexit dennoch abgewinnen: Vor dem Referendum hätte die EU "vor sich hin gedümpelt", nach dem Brexit-Referendum sei die EU-Zustimmungsrate in den anderen Mitgliedstaaten jedoch stark angestiegen.
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