"Tür ist zu 98 Prozent zu"
"Tür ist zu 98 Prozent zu"
Im Vorfeld der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs gab es intensive und lange Gespräche mit allen implizierten Instanzen. Herausgekommen ist ein "Konsenstext", wie Justizminister Felix Braz den Gesetzentwurf nannte, der nun auf den Instanzenweg geschickt wird.
Im Laufe der Gespräche hat man sich Braz zufolge auf folgende wichtigen Prinzipien geeinigt:
Man bleibt in der Logik des Jugendschutzes, hat also von einem Jugendstrafrecht abgesehen. Minderjährige gelten vorrangig als Opfer und als schutzbedürftig. Der Vorteil sei, dass alle den Jugendschutz betreffenden Maßnahmen in einem einzigen Gesetz gebündelt sind: der Schutz und die Sanktionen.
Dennoch können Minderjährige ab dem Alter von 16 Jahren nach dem Erwachsenenstrafrecht behandelt werden. In dem Fall unterliegen sie nicht mehr dem Jugendschutzgesetz. Diese Regelung existiert bereits im aktuellen Gesetz aus dem Jahr 1992, ist also nicht neu.
Im aktuellen Gesetz gilt es als Normalfall, dass Erziehungsberechtigten das Sorgerecht entzogen wird. Künftig wird das genau umgekehrt gehandhabt. Das Sorgerecht bleibt prinzipiell bei den Erziehungsberechtigten. Das soll verhindern, dass es zu einem Bruch kommt, wenn ein Minderjähriger aus der Familie herausgenommen und platziert werden muss. Das Gesetz unterstützt den Erhalt der Familienbande. "Damit kommt den Eltern aber auch eine größere Verantwortung zu", so Braz.
Die Möglichkeit, Minderjährige ab 16 Jahren nach dem Erwachsenenstrafrecht zu behandeln, bleibt in Ausnahmefällen und als Übergangsmaßnahme bestehen. "Wir machen die Tür zu 98 Prozent zu, aber nicht zu 100 Prozent", so Braz. Allerdings würden die Bedingungen im Gesetz stark eingeschränkt.
Dazu müssen drei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein:
- Es muss eine Straftat vorliegen, die mit mindestens zwei Jahren Haft (nach Erwachsenenstrafrecht) bestraft wird.
- Der Minderjährige muss eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Es ist Aufgabe des Jugendrichters, dies festzustellen.
- Es muss eine absolute Notwendigkeit bestehen, zum Beispiel wenn der Minderjährige eine Gefahr für andere, mit ihm untergebrachte Minderjährige darstellt.
Im Rahmen des Gesetzes ist die Schaffung von acht zusätzlichen Posten in der Magistratur vorgesehen, darunter vier Jugendrichter.
Die Regierung möchte darüber hinaus neue infrastrukturelle Möglichkeiten schaffen, um den unterschiedlichen Profilen von Minderjährigen, die unter staatlicher Obhut sind, besser Rechnung tragen zu können. Die Bandbreite ist recht groß, von Ausreißern über Taschendiebe, Drogendealer, Gewalttäter bis hin zu Minderjährigen, die wegen Vernachlässigung platziert werden. Der Regierung schweben kleinere und getrennte Wohngruppen vor. Dazu soll der Standort Dreiborn ausgebaut werden.
In der Jugendstrafanstalt Unisec in Dreiborn sollen künftig auch junge Erwachsene bis 21 Jahre untergebracht werden können, falls sich eine Unterbringung in Schrassig als unangemessene Maßnahme erweist.
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