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Belgischer Botschafter relativiert Claude Haagens Enthusiasmus
Politik 5 Min. 30.01.2023
Telearbeit für Grenzgänger

Belgischer Botschafter relativiert Claude Haagens Enthusiasmus

Homeoffice für Grenzgänger sorgt für langwierige Diskussionen. So schnell ist keine Lösung in Sicht.
Telearbeit für Grenzgänger

Belgischer Botschafter relativiert Claude Haagens Enthusiasmus

Homeoffice für Grenzgänger sorgt für langwierige Diskussionen. So schnell ist keine Lösung in Sicht.
Foto: DPA
Politik 5 Min. 30.01.2023
Telearbeit für Grenzgänger

Belgischer Botschafter relativiert Claude Haagens Enthusiasmus

Annette WELSCH
Annette WELSCH
Zwei Tage Homeoffice für Grenzgänger: Verhandlungen mit Belgien finden so schnell nicht statt. Botschafter Thomas Lambert bremst die geschürten Hoffnungen. LCGB fordert 52 Tage Homeoffice für Steuern und Sozialversicherung.

Vergangene Woche fand die öffentliche Anhörung im Parlament zur Petition der belgischen Grenzgängerin Katia Sabrina Litim statt. Sie hatte zwei Tage Telearbeit pro Woche für alle, also auch die Grenzgänger in Luxemburg gefordert. Derzeit gibt es dafür aber steuerliche und versicherungsrechtliche Hürden, die ganz unterschiedlich geregelt sind und überwunden werden müssten.


IPO , Hearing zur Petition "Zwei Tage Télétravail für alle", Katia Sabrina Litim,Laurent Mertz.Foto: Gerry Huberty/Luxemburger Wort
Luxemburg will auch Grenzgängern zwei Tage Homeoffice ermöglichen
Anhörung zur Petition für zwei Tage Telearbeit pro Woche für alle. Verhandlungen mit den Nachbarländern zur Sozialversicherung sind vielversprechend.

In bilateralen Abkommen ist festgelegt, dass Grenzgänger aus Belgien und Frankreich 34 Tage pro Jahr vom Land ihres Wohnsitzes aus arbeiten dürfen, bevor sie den Regeln der Doppelbesteuerung unterliegen, für deutsche Grenzgänger sind es 19 Tage pro Jahr. Für die Sozialversicherung gilt laut EU-Direktive 883/europaweit, dass Grenzgänger, die mehr als 25 Prozent im Land ihres Wohnsitzes arbeiten, die Sozialversicherung des Landes der Beschäftigung verlieren und in der ihres Heimatlandes angemeldet werden

Das bedeutet für diese - vor allem aber auch die Sozialversicherung Luxemburgs - herbe Verluste, denn die Sozialbeiträge sind hierzulande geringer als in den Nachbarländern und die Leistungen attraktiver, was auf der anderen Seite durch die stete Steigerung der Sozialversicherten erst ermöglicht wird.

Verhandlungen auf EU-Ebene laufen

Die Stellungnahme insbesondere von Sozialminister Claude Haagen (LSAP) klang am Mittwoch verheißungsvoll: Unter anderem stellte er in Aussicht, dass mit Deutschland bis Juni eine Einigung gefunden werden könnte, die in Richtung Erhöhung bei der Sozialversicherung von 25 auf 41 Prozent der Arbeitszeit geht, die im Land des Wohnsitzes geleistet werden kann – was zwei Tage Telearbeit pro Woche erlauben würde. 

Wir wollen eine Regelung in der Großregion finden, zu der wir auch die Niederlande zählen. Und wenn es bilateral ist.

Claude Haagen, LSAP-Sozialminister

Verhandlungen mit allen Nachbarländern darüber seien im Gange. „Deutschland und Belgien wollen verhandeln, aus Frankreich fehlt noch die offizielle Bestätigung“, sagte Haagen bei der Anhörung. „Mit Belgien sind wir uns einig, dass wir auch bilateral auf diesen Weg gehen werden, wenn von der EU nichts kommt.“ 

Sprich: Wenn die Diskussionen, die seit 2018 über eine Reform der EU-Direktive 883/2004 zum Zugang von EU-Bürgern zu Sozialleistungen in anderen Mitgliedstaaten geführt werden, zu keinem Ziel führen. Danach sind bilaterale Abkommen zum Zugang zur Sozialversicherung möglich, Ziel ist es aber, eine einheitliche EU-Regelung für Grenzgänger zu finden. Im März soll der Bericht einer ad hoc-Arbeitsgruppe dazu vorliegen - Haagen blieb aber skeptisch und bekräftigte: „Wir wollen eine Regelung in der Großregion finden, zu der wir auch die Niederlande zählen. Und wenn es bilateral ist.“

Belgischer Botschafter widerspricht

Der belgische Botschafter in Luxemburg, Thomas Lambert, relativiert diese Aussagen. „Ich lese sehr viel Enthusiasmus und Dynamik aus den Aussagen heraus, bald auf 78 Tage Telearbeit im Jahr zu kommen. Aber erst im Dezember wurde das Abkommen mit Belgien ratifiziert, das die Grenze für die Besteuerung auf 34 Tagen festsetzt. Aus belgischer Perspektive bleibt es auch zunächst dabei, das wurde in der belgisch-luxemburgischen Wirtschaftsunion auch so entschieden“, sagt er im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“.

Thomas Lambert sieht kurzfristig keine Änderungen an der Regelung, dass 25 Prozent der Arbeitszeit im Homeoffice nicht überschritten werden dürfen.
Thomas Lambert sieht kurzfristig keine Änderungen an der Regelung, dass 25 Prozent der Arbeitszeit im Homeoffice nicht überschritten werden dürfen.
Foto: Belgische Botschaft

Das Abkommen beinhalte eine Summe von 48 Millionen Euro, die Luxemburg in den Fonds zur Kompensierung der Steuerausfälle für Belgien einbezahlt, um sich unter anderem an Infrastrukturarbeiten zu beteiligen. „Es bestehen keine Pläne, das schnell wieder aufzuschnüren. Ich will nicht sagen, dass es ganz ausgeschlossen ist, aber kurz- und mittelfristig sicher nicht“, betont Lambert.   

In erster Linie setzen wir auf eine europäische Lösung.

Thomas Lamber, Botschafter Belgiens in Luxemburg

Sozialrecht auf EU-Ebene klären

Zu den Kontakten mit Belgien über die sozialversicherungsrechtlichen Fragen erklärt Lambert: „Der Transportsektor ist hier ausgeschlossen, diese Fragen sind zu komplex und es gibt Verhandlungen auf europäischer Ebene dazu. Aber auch bei allen anderen Bereichen gilt: In erster Linie setzen wir auf eine europäische Lösung. Das wäre der beste Fall, das haben wir auch mit unseren niederländischen Nachbarn so ausgemacht und das hat unser Minister für Soziale Angelegenheiten, Frank Vandenbroucke, auch so an Minister Claude Haagen geschrieben.“ 

Dabei klang zwar auch an, dass man sich auf bilateraler Ebene zusammensetzen könne, wenn keine Einigung auf EU-Ebene zustande kommt. Lambert präzisiert allerdings: „Während der Pandemie gab es eine gewisse Dynamik zum Thema Telearbeit und in Richtung bilateraler Lösungen, jetzt bewegt sich diese Dynamik aber klar in Richtung EU-Ebene. Ich sehe kurzfristig keine schnelle Änderung. Wir müssen auch einmal abwarten, ob die Telearbeit ein Trend war oder ob es tatsächlich zu strukturellen Änderungen bei der Arbeit führt.“

Wir sind gerne bereit, Lösungen mit Luxemburg zu finden, aber zunächst gilt es, verschiedene Entwicklungen abzuwarten.

Thomas Lambert, Botschafter

Neben der Sichtweise der Grenzgänger und der Attraktivität, die mehr Telearbeit für Luxemburg mit sich bringt, gebe es im Übrigen auch die Perspektive der Grenzgemeinden zu berücksichtigen. Bei der Anhörung wurde auf soziale Spannungen hingewiesen, die durch eine Ungleichbehandlung von in Luxemburg ansässigen Arbeitnehmern und Grenzgängern entstehen, denen bei der Telearbeit Steine in den Weg gelegt werden. Lambert weist hier aber auch auf Spannungen hin zwischen den Arbeitnehmern in Belgien und denen, die in Luxemburg arbeiten und in Belgien im Homeoffice sind

„Wir sind gerne bereit, Lösungen mit Luxemburg zu finden, aber zunächst gilt es, verschiedene Entwicklungen abzuwarten“, sagt der belgische Botschafter. 

Belgische Grenzgänger des LCGB fordern 52 Tage Homeoffice 

Am Montag meldete sich auch die Sektion der belgischen Grenzgänger des LCGB zu Wort und fordert, dass die Konvention, die 34 Tage Homeoffice zulässt, bevor die Doppelbesteuerung zuschlägt, dringend neuer Lösungen bedarf. Diese Grenze müsste auf 56 Tage angehoben werden - so viele wie auch zugelassen sind, bevor die Sozialversicherung gewechselt werden muss. 

Daneben spricht sich die Gewerkschaft dafür aus, dass die EU-Verordnung 883/2004, die bilaterale Abkommen über die 25-Prozent-Grenze vorsieht, in dem Sinn reformiert wird, dass langfristig den Grenzgängern ein spezielles Statut zugestanden wird. 

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