Stichwort "flexibel"
Stichwort "flexibel"
Von Bérengère Beffort
Kind oder Karriere? Am liebsten beides sagen Mütter und Väter, die sich als Familien- und als Berufsmensch verstehen. Der Elternurlaub kann demnach als familienfreundliche Maßnahme in der Arbeitswelt gewertet werden. Wer arbeiten will oder muss, soll nicht ganz auf das Familienleben verzichten müssen.
Rational betrachtet ist die 1999 eingeführte Maßnahme auch für die Unternehmen und den Staat von Nutzen: Gut formierte Arbeitnehmer werden nicht für den Arbeitsmarkt verloren und die erwerbstätigen Väter und Mütter bleiben als Steuerzahler erhalten. Wenn es also darum geht, die aktuelle Regelung des Elternurlaubs zu lockern, stehen nicht nur soziale, sondern auch wirtschaftliche und budgetäre Aspekte auf dem Spiel.
Von Einschränkungen, versteckten Kürzungen und Flexibilität
Bereits in der jüngsten Vergangenheit war davon die Rede, den Elternurlaub anders zu gestalten. Allerdings ging es damals um Kürzungen. Mal war es die DP im Jahr 2007, mal war es Finanzminister Luc Frieden im Jahr 2010, die eine Kürzung des Elternurlaubs vorgeschlagen haben. Und jedes Mal entfachte dies den Zorn der Arbeitnehmervertreter. Dass der Elternurlaub von sechs auf vier Monate zurückgeschraubt werden könnte, wird heute in den politischen Reden nicht mehr offen angesprochen. Nun wird das „flexiblere“ Potenzial hervorgehoben.
Mehr Flexibilität wäre insofern möglich, weil der Elternurlaub zurzeit „en bloc“ angeboten wird – entweder sechs Monate in Vollzeit oder ein Jahr in Teilzeit. Familienministerin Corinne Cahen hatte in den jüngsten Diskussionen in Aussicht gestellt: Künftig könnte ein Elternteil nicht mehr sechs Monate hintereinander nehmen müssen. Die Väter und Mütter könnten z.B einen Teil in Vollzeit beanspruchen und für einen weiteren Teil jeweils einen freien Tag pro Woche nehmen.
Ob es bei insgesamt sechs Monaten bleibt, ist noch offen. Es ist jedenfalls ein wesentliches Element. Denn sollte es keine gesetzliche Mindestdauer mehr geben, käme das einer versteckten Kürzung gleich.
Anreize und Argumente
Eine einfachere Handhabung des Congé parental begünstigt jedenfalls ein Gesellschaftsmodell von Doppelverdienern, in dem Frauen und Männer berufstätig sind. „Wir wollen keine falschen Anreize schaffen“, hatte Corinne Cahen zur Abschaffung der Mutterschafts- und Erziehungszulage erklärt. Frauen sollten nicht riskieren, indem sie ihre Karriere aufgeben und zu Hause bleiben, eines Tages als Alleinerziehende in die Armut abzurutschen. Doch dieses Argument stößt in weiten Teilen der Bevölkerung auf Unverständnis. Kritisiert wird, dass die Regierung traditionelle Familienformen ausblende.
Bei den jüngsten öffentlichen Infoversammlungen der DP versuchte Corinne Cahen die Bedenken ausräumen: „Wir sind gewillt, den Eltern zu helfen, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Allerdings wollen wir das über den Elternurlaub tun“, so die Ministerin.
Rückblickend fällt auf: Zuerst hat die Regierung im Rahmen der Haushaltspläne eine Streichung und Neuregelung von Familienleistungen angekündigt und dann in einer zweiten Phase verstärkt auf die Reform des Elternurlaubs verwiesen.
Unter Erfolgsdruck
Die Regierung hatte zwar schon Änderungen beim Elternurlaub im Koalitionsabkommen angedeutet. Verbindlich wurde es viel mehr durch das nachträgliche Abkommen mit den Gewerkschaften zum „Zukunftspak“. So steht die Koalition unter Zugzwang, weil der Elternurlaub eng an die ideologische und budgetäre Neuausrichtung gekoppelt ist. Will Blau-Rot-Grün Akzeptanz für die neue Familienpolitik finden, muss eine konsequente und allgemein zufriedenstellende Reform des Elternurlaubs her.
Konkrete Lösungsansätze kann die Regierung allerdings nicht verraten, denn zuerst laufen noch Gespräche mit den Vertretern der Arbeitgeber. Und hier gilt es eine weitere Hürde zu nehmen.Die Reform des Elternurlaubs ist ein Schlüsselelement in der Regierungspolitik. Die Unternehmen haben aber ihre eigenen Herausforderungen.
Komplexe Schachzüge
Der Unternehmerverband UEL gibt zu verstehen: „Mehr Flexibilität beim Elternurlaub bedeutet für die Betriebe mehr Arbeitsaufwand. Wir wollen uns einer Diskussion nicht verschließen, aber wenn wir schon darüber reden, dann sollten wir uns generell mit dem Thema der flexibleren Arbeitszeiten auseinandersetzen“, so Jean-Jacques Rommes, Administrateur délégué der UEL.
Vieles bleibt also Verhandlungssache, damit die Arbeitnehmer tatsächlich Beruf und Familie besser vereinbaren können; damit die Regierung den nötigen Zuspruch für eine neue Familienpolitik findet; und damit die Betriebe nicht das Gefühl haben, ein lockerer Elternurlaub könne ein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung sein.
Ende Dezember will sich die Familienministerin nochmals mit den Patronatsvertretern besprechen, hieß es am Wochenende. Das könnte voraussichtlich nach den generellen Gesprächen (vom 22. Dezember) zwischen der UEL und der Regierung erfolgen und nicht vorher, wie zunächst angedacht.
Ein Machtwort
Interessant ist jedenfalls auch eine Aussage von Corinne Cahen, die einst vorsichtig zu verstehen gegeben hatte, bei der Anwendung des Congé parental müssten sich letztlich die Arbeitnehmer und ihr Arbeitgeber verständigen. Das würde bedeuten, dass der Ball vor allem bei den Betriebsleitungen liegt.
Doch auch wenn das legale Korsett nicht zu eng geschnürt werden sollte: Ganz ohne gesetzliche Bestimmungen wird es nicht gehen. Sollte ein flexibler Urlaub wirklich der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zugute kommen, wird es vor allem politischer Courage bedürfen.
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