„Stärke zeigen ist das einzige, was hilft“
„Stärke zeigen ist das einzige, was hilft“
Die Ukraine bestimmte am Dienstag das Parlamentsprogramm: Eine Interpellation zum Thema Krim, Donbass, Ukraine – welche Zukunft für die europäische Sicherheit? des ADR-Abgeordneten Fernand Kartheiser sowie eine von Claude Wiseler (CSV) beantragte Aktualitätsstunde zur Position der Regierung zur aktuellen Situation in der Ukraine führte zu einer langen Debatte.
Kartheiser begann mit einer, wie Claude Wiseler sie später empört bezeichnete, Kreml-freundlichen Rede, die von allen Rednern heftig kritisiert wurde. Kartheiser plädierte für diplomatische Lösungen und Verhandlungen und machte einen Appell für den Frieden. „Krieg ist Misere und bringt jeden Tag Tod, Vertreibung und Gräueltaten. Wir müssen unsere Politik hinterfragen und nicht in Kriegsrhetorik verfallen.“
Er warf der Regierung vor, eigene Fehler nicht einzugestehen und auf Konfrontation ausgerichtet zu sein, indem Luxemburg Waffen liefert. „Damit machen wir uns zu einer Mitkriegspartei.“ Man sollte Putin nicht immer mit seinen Fehlern konfrontieren, sondern auch eigene anerkennen: „Die Verantwortung für den Krieg ist geteilt. Die Schuld im juristischen Sinn liegt bei Russland, aber es gibt auch eine politische Mitverantwortung, dass es so weit kam. Wir haben nicht genug gemacht, um den Frieden zu retten.“
Kartheiser meinte zudem, dass Russland in vielen Konflikten von der Weltgemeinschaft gebraucht werde, wie in Syrien oder um die Eskalation im Pazifik zu vermeiden und auch als Partner in der Wissenschaft, in der Wirtschaft und im Weltraum. Es sei ein kurzsichtiger Reflex, Russland auszuschließen, das diene keinem. Man müsse dagegen einen neuen Anfang mit Russland finden.
Kartheiser gegen Sanktionen
Zu den Sanktionen sagte er, dass sie nicht wirken, sondern dem eigenen Land mehr als Russland schaden. Er sah zwei Eskalationsgefahren: Die Gefahr, dass Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden und die Destabilisierung der russischen Union. „Wir wollen keinen Stellvertreterkrieg, bis der letzte Soldat die Ukraine verlassen hat, wir wollen keine Schwächung Russlands, denn Russland ist eine Atommacht mit internationalem Einfluss.“ Für ihn brauche es einen Waffenstillstand, Friedensverhandlungen und keine Ausweitung des Konflikts mehr.
Dem gegenüber fand Claude Wiseler (CSV) ganz deutliche Worte und zerpflückte die Aussagen argumentativ. „Die einzige Frage, die sich stellt, ist: Was können wir noch mehr machen, um der Ukraine zu helfen? Die habe ich nicht gehört.“ Denn wenn Putin diesen Krieg gewinne, höre er nicht auf. Moldawien, Georgien und die baltischen Staaten seien die nächsten. „Die Ukraine kämpft für uns, unsere Freiheit und Sicherheit. Ich finde solche Reden unmöglich“, empörte er sich.
Vergewaltigung und Staatsterrorismus würden als Kriegswaffe eingesetzt und Gräueltaten als Spezialverdienste ausgezeichnet. „Was muss noch passieren?“, fragte er. Putin akzeptiere auch noch andere Konsequenzen für die ganze Welt, wie eine Hungersnot. „Es muss ein Maximum an Zwang ausgeübt werden, um den Verhandlungstisch zu eröffnen. Die Ukraine muss Waffen bekommen und sie muss als Kandidat für eine EU-Mitgliedschaft unterstützt werden.“
Russland wurde nicht provoziert
Wiseler machte deutlich, dass der Westen und die NATO nicht verantwortlich für den Krieg seien, es wurde keine Ehre verletzt und auch nicht mit dem Säbel gerasselt. „Die Ukraine wurde 2014 nicht in die NATO und die EU aufgenommen, um eine Pufferzone zu belassen. Was hat uns das gebracht, war das nicht ein Fehler?“
Putin dekretiere den Ländern entgegen ihrer Selbstbestimmung, was sie machen dürfen. „Diese Länder, die die NATO und die EU ansuchen, haben Angst vor Putin und suchen Schutz und Sicherheit. Das Gegenteil zu behaupten, ist unmöglich.“
Die Sanktionen seien wichtig, wirkten aber eben nur langsam. „Wir wollen den Krieg der Russen nicht finanzieren. Das tut uns weh, hat Auswirkungen auf die EU, aber die Kosten eines halbherzigen Handelns wären höher.“
Den Vorwurf, sich mit Waffenlieferungen zur Mitkriegspartei zu machen und den Krieg zu verlängern, sagte Wiseler: „Das klingt, als hätte die Ukraine schon verloren und aufgegeben. Das ist ein Plädoyer für das Recht des Stärkeren. Wenn wir wollen, dass die Ukraine gewinnt, dann müssen wir Waffen schicken. Es ist ein Angriffskrieg Russlands und wir helfen, dass die Ukraine sich verteidigen kann“, machte er klar.
Die Einstellung, Putin solle nicht provoziert werden, weil das gefährlich sei, konterte er mit: „Das ist eine absolute Fehleinschätzung. Putin braucht keinen Vorwand, sondern erfindet ihn im Zweifel selber, wie das Nazi-Argument. Er will die Ukraine zerstören und sein Imperium aufbauen. Nichts zu machen ist gefährlich und bringt uns sicher keinen Frieden. Nur Stärke zeigen ist das einzige, was respektiert wird“, betonte Wiseler.
„Wie wollen Sie mit einem Mann reden, der dabei ist, Menschen kaltblütig zu ermorden, dem man keinen Millimeter trauen kann. Wie soll da der Dialog funktionieren?“, fragte er. Man brauche Kohärenz und Ehrlichkeit auf der anderen Seite. „Pazifist sein heißt, der Ukraine zu helfen, diesen Krieg zu gewinnen, weil uns das Frieden und Freiheit garantiert.“
Russen an Frieden kein Interesse
Auch Gusty Graas (DP) sagte: „Die Russen sind nicht daran interessiert, einen nachhaltigen Weltfrieden zu unterstützen, haben das Völkerrecht mehrmals verletzt. Sie sind 2008 in Georgien eingefallen, aber erst seit der illegalen Annexion der Krim wissen wir, was sie vorhaben.“
Deutliche Worte und auch Selbstkritik fand auch Außenminister Jean Asselborn (LSAP): „Seit dem Weltkrieg wurde kein so massiver Angriff mehr ausgeführt. Wir waren naiv und bequem und haben die Energie da gekauft, wo sie am billigsten war. Erst mit dem Kriegsbeginn sind wir aufgewacht.“ Es sei noch nie so stark probiert worden, mit diplomatischen Mitteln klarzumachen, dass so nicht vorgegangen werden kann, wie bei Putin.
Verhandeln könne man aber erst, wenn der Krieg durch die Sanktionen gestoppt sei. „Man kann nicht verhandeln und gleichzeitig Krieg führen. Die Diplomatie bekommt erst eine Chance, wenn der Krieg beendet ist.“
Mit den Sanktionen soll Russland nicht zerstört werden, sondern ihm die Mittel entzogen werden, Krieg führen zu können. Die Waffenlieferungen seien wichtig, Putin konzentriere sich auf den Donbass und das Schwarze Meer, um die Ukraine davon abzuschneiden. Es folgten nun noch weitere Sanktionspakete und man werde Schweden und Finnland so schnell wie möglich noch vor dem Gipfel von Madrid in die NATO aufnehmen.
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