"Sie haben alles vermasselt, Herr Justizminister!"
"Sie haben alles vermasselt, Herr Justizminister!"
Am Dienstag hatte die Opposition den Plenarsaal noch unter heftigem Protest verlassen, weil man sich beim Thema Datenschutz nicht über die Tagesordnung einigen konnte. Am Mittwoch kam es in der Chamber dann doch zur großen Debatte: Unterstützt von Premierminister Xavier Bettel (DP) stellten sich der Minister für die Innere Sicherheit, François Bausch (Déi Gréng), und Justizminister Felix Braz (Déi Gréng) den Fragen der Abgeordneten. Die drei Minister betonten mehrfach, dass sie in der Datenschutzdebatte auf Transparenz setzen und den Parlamentariern daher jederzeit für weitere Fragen zur Verfügung stehen.
Fast fünf Stunden lang wurde hauptsächlich über die Datenbanken bei der Polizei und der Justiz diskutiert. Die Debatte verlief zunächst sehr sachlich. Denn im Grunde waren sich Minister und Abgeordnete weitestgehend einig, zumindest in der Sache. Die beiden Datenschutzgesetze vom 1. August 2018 reichen nicht aus, um den Schutz sämtlicher Daten optimal zu garantieren, deshalb muss nachgebessert werden, so der Tenor.
Minister Bausch räumte in seiner Intervention zunächst ein, dass es bei der Polizei in der Tat noch Probleme mit dem Datenschutz gibt, dass seit dem Inkrafttreten des Datenschutzgesetzes vom 1. August 2018 aber schon viel passiert sei. Er bat denn auch um Verständnis, dass die legale Grundlage noch nicht vollständig umgesetzt werden konnte. Bausch erinnerte noch einmal daran, dass er die Generalinspektion der Polizei und die Datenschutzkommission mit einer Bestandsaufnahme befasst hat und dass die beiden Berichte noch in diesem Herbst vorgestellt werden sollen.
Bausch will sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen
Er selbst ist der Ansicht, dass die Zentraldatei der Polizei zwar durch das Datenschutzgesetz abgesichert ist, dass dies aber nicht ausreicht. Deshalb plädierte er erneut für ein separates Gesetz. "Das Dossier ist sehr komplex, aber wir müssen Nägel mit Köpfen machen", so Minister Bausch. Und eben wegen der Komplexität will sich Bausch nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Es sei unmöglich, den Entwurf, wie von der CSV gefordert, bis zum Herbst vorzulegen. Zudem will er die Berichte der Generalinspektion der Polizei und der Datenschutzkommission abwarten, bevor er sich ans Werk macht. Ihm ist es vor allem wichtig, "dass endlich Ruhe in die hitzige Debatte einkehrt", damit man das Problem frei von Polemik und in aller Sachlichkeit angehen kann.
Das Dossier ist sehr komplex, aber wir müssen Nägel mit Köpfen machen.
Auch sein Kollege aus dem Justizressort, Felix Braz, bedauerte, dass die Debatte, seit bekannt geworden war, dass die Staatsanwaltschaft bei einem Einstellungsgespräch auf Einträge aus ihrer Datenbank zurückgegriffen hatte, nicht frei von Polemik war. Wie Bausch wiederholte auch Braz seine Aussagen, die er vor zwei Wochen vor den Ausschüssen für Justiz und Innere Sicherheit bereits gemacht hatte: Es gibt kein geheimes Strafregister und die Ju-Cha genannte Datenbank der Justiz verfügt über eine gesetzliche Grundlage. Felix Braz betonte, dass die Justiz die Umsetzung des Datenschutzgesetzes zwar in Angriff genommen habe, dass die Arbeiten aber langwierig seien und daher noch nicht abgeschlossen werden konnten.
Für Braz sind die Einträge in der Ju-Cha-Bank unverzichtbar. Eine ordentliche Arbeit der Justiz ist allein auf Basis des Strafregisters nicht denkbar, erklärte der Justizminister. Auch die Speicherung der Daten über einen längeren Zeitraum hält er für vertretbar: "Man kann nicht alles sofort wieder löschen, sonst können nur Täter überführt werden, die man auf frischer Tat ertappt."
Das Problem Ausführungsbestimmungen
Nach den Ausführungen der beiden Minister hatte zunächst die Opposition das Wort. Für die CSV stellt Gilles Roth zunächst fest, "dass in diesen Dossiers niemand ohne Fehler ist". Damit griff er die Aussage von Alex Bodry (LSAP) auf, der nach der gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Justiz und Innere Sicherheit vor wenigen Tagen für ein "kollektives mea culpa" plädiert hatte. Allerdings sei schon seit Jahren gewusst, dass die gesetzliche Grundlage für die Datenbanken "auf wackeligen Füßen" stehe, so Roth weiter.
Für Roth mutet es befremdlich an, dass die Zivilgesellschaft die Datenschutzdebatte lancieren musste. Hätten der Betroffene und sein Anwalt dies nicht getan, "wäre es mit dem Gewurstel ewig so weiter gegangen". Das eigentliche Problem sieht der CSV-Abgeordnete allerdings weniger beim "allgemeinen gesetzlichen Rahmen, als vielmehr bei den Ausführungsbestimmungen". Roth kritisierte gleich mehrmals, dass er auf viele seiner Fragen immer noch keine konkreten Antworten bekommen habe. Vielmehr wende die Regierung in der Datenschutzdebatte die Salamitaktik an.
Ma merde, mir sin de Législateur
In der Tat tauchten während der Debatte einige Fragen immer wieder auf: Welche Daten dürfen erhoben werden, wie lange dürfen sie gespeichert werden, wer hat Zugang zu den Daten, wie sieht es mit der Verhältnismäßigkeit aus und wieso gibt es kein verbrieftes Recht auf Vergessen.
Eine Kultur des Datenschutzes
Auch Eugène Berger (DP) verlangte eine Antwort auf diese Fragen. Und weil diese Details im geltenden Datenschutzgesetz nicht explizit geregelt sind, plädiert auch der liberale Fraktionsvorsitzende für ein separates Gesetz. Berger könnte sich, genau wie sein Kollege von der LSAP, vorstellen, dass das Parlament diesbezüglich die Initiative ergreift und einen eigenen Text ausarbeitet.
Für Alex Bodry steht nämlich fest: "Wir brauchen eine Kultur des Datenschutzes." Und weil diese Kultur hierzulande noch nicht ganz ausgeprägt ist, kommt es immer wieder zu Unregelmäßigkeiten. Bei den Missständen beim Datenschutz gibt es seiner Meinung nach eine "kollektive Verantwortung", daher braucht es "auch "eine kollektive Antwort". Das Ping Pong zwischen den Mehrheitsparteien und der Opposition, beziehungsweise zwischen der Regierung und dem Parlament, müsse endlich ein Ende haben. Bodry will, dass das Parlament selbst aktiv wird und sich des Problems annimmt: "Ma merde, mir sin de Législateur", so Bodry in seiner über weite Strecken emotionalen Rede.
Sein Beitrag fiel denn auch nicht auf taube Ohren: So bescheinigte Laurent Mosar (CSV) dem Fraktionschef der LSAP, eine sehr gute Rede gehalten zu haben: "Herr Bodry, Sie haben unsere Rede gehalten." Ganz zufrieden war Mosar allerdings nicht. "Es bleiben noch viele Fragen offen", stellte der CSV-Abgeordnete zum Schluss fest und forderte die beiden Minister auf, diese Wissenslücken zu schließen.
Diese Feststellung hatte zuvor auch Marc Baum (Déi Lénk) schon gemacht: "Aus den vielen Erklärungen der Minister gehen immer neue Fragen hervor. Wir brauchen noch weitere Informationen." Auch Baum sieht alle Beteiligten in der Verantwortung.
Für Roy Reding von der ADR steht allerdings vor allem die Regierung in der Pflicht. Da es bei der Justiz und der Ju-Cha-Datenbank offensichtlich zu Missbrauch gekommen sei, müsse man dem sofort Einhalt gebieten. Einmal mehr drohte der ADR-Parlamentarier mit einem Untersuchungsausschuss: "Wenn die Regierung nicht unverzüglich handelt, müssen wir eine Enquête-Kommission einsetzen", so seine Forderung.
Schlagabtausch zwischen der Regierung und der Opposition
Zum Schluss der über weite Strecken sehr sachlich geführten Debatte sollte es dann doch noch zum Schlagabtausch zwischen der Opposition und der Regierung kommen. Es waren zunächst Gilles Roth und Justizminister Felix Braz, die sich ein hitziges Wortgefecht lieferten, in das aber auch Laurent Mosar eingriff. Roth beharrte darauf, dass der Justizminister nicht auf alle seine Fragen geantwortet habe. Braz meinte hingegen, der CSV-Abgeordnete stelle immer wieder die gleichen Fragen, die er schon vor zwei Wochen im Ausschuss beantwortet habe. Diese Aussage verleitete Laurent Mosar wiederum zur Feststellung: "Die Debatte war bis zu diesem Zeitpunkt sehr sachlich. Nun haben Sie alles vermasselt, Herr Justizminister."
Zum Schluss der fast fünfstündigen Sitzung war Premierminister Bettel daher um Ausgleich bemüht. Es dürfe keine Schuldzuweisungen in der Datenschutzdebatte geben: "Der Datenschutz steht stellenweise auf wackeligen Füßen, deshalb müssen wir alle zusammenarbeiten, um eine solide juristische Grundlage zu schaffen."
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