Schüler warten zehn Monate auf Hilfe
Schüler warten zehn Monate auf Hilfe
Fünf Jahre nach Inkrafttreten der Reform der Education différenciée (Ediff) hat Bildungsminister Claude Meisch (DP) eine Evaluierung der Reform durchführen lassen. Die Evaluierung hat sechs Bereiche identifiziert, die nun verbessert, beziehungsweise weiterentwickelt werden sollen.
Inakzeptabel lange Wartezeiten
Die wohl wichtigste Anpassung betrifft die Verkürzung der Fristen. „Es dauert einfach zu lange, bis Hilfe von den Kompetenzzentren bei den Kindern ankommt“, räumte Claude Meisch am Montag bei der Vorstellung der Ergebnisse der Untersuchung ein. Im Schnitt müsse ein Kind zehn Monate auf Hilfe warten. Das sei inakzeptabel. Grund seien nicht langwierige administrative Prozesse, sondern die Diagnose, die im Schnitt acht Monate dauere.
Ein möglicher Grund für diese lange Wartezeit sei der Mangel an Kinderpsychiatern inner- und außerhalb Luxemburgs. „Den Mangel können wir nicht abstellen. Deshalb wollen wir anders vorgehen und eine Eingangsdiagnose erstellen lassen, um prinzipiell zu klären, welches Kompetenzzentrum zuständig ist.“ Innerhalb von maximal drei Monaten soll diese Frage geklärt sein und die konkrete Hilfe anlaufen. Die Feindiagnose werde anschließend erstellt.
Die auf der regionalen Ebene angesiedelten Equipes de soutien des élèves à besoins spécifiques (ESEB) müssen ebenfalls reaktiver werden und künftig innerhalb von vier Wochen Hilfe bereitstellen.
Die A-EBS übernehmen Aufgaben, die nicht unbedingt von hochspezialisierten Fachkräften geleistet werden müssen.
Bildungsminister Claude Meisch
Der A-EBS kommt
Auf lokaler Ebene, also in den Schulen, werden neue Posten geschaffen. Neben den spezialisierten Lehrern (I-EBS) sollen künftig sogenannte Assistants pour enfants à besoins spécifiques (A-EBS) zum Einsatz kommen. Jede Grundschule soll einen A-EBS bekommen. Ziel ist es, progressiv jedes Jahr 50 solche Hilfskräfte zu rekrutieren.
In Anlehnung an die I-EBS - bis dato wurden 129 von 150 geplanten I-EBS rekrutiert - sollen in den kommenden Jahren 150 A-EBS auf DAP-Ebene (DAP Auxiliaire de vie, DAP Education) rekrutiert und in den Schulen angesiedelt werden, „um im Rahmen der Inklusion Aufgaben zu übernehmen, die nicht unbedingt von hoch spezialisierten Fachkräften geleistet werden müssten“. Meisch verspricht sich davon eine bessere Reaktivität in den Schulen, „um in Notfällen schnell reagieren zu können“.
Bessere Zusammenarbeit zwischen Kompetenzzentren
Verbesserungsbedarf gibt es auch bei der Zusammenarbeit zwischen den Kompetenzzentren, vor allem bei Kindern mit multiplen Schwierigkeiten. Diese Kinder seien „ein wenig vernachlässigt worden, weil kein Kompetenzzentrum sich für zuständig erklärte“, sagte Claude Meisch. Neue Prozeduren und Prozesse sollen für eine koordiniertere Zusammenarbeit der Kompetenzzentren sorgen.
Ein anderes Stichwort lautet Qualitätsentwicklung im Bereich der Inklusion. Diese Aufgabe soll eine neue Struktur übernehmen, und zwar das Service national de l'éducation inclusive (SNEI). Das SNEI soll für einen besseren Austausch zwischen den verschiedenen Partnern und eine kontinuierliche Verbesserung der Betreuung sorgen.
Eltern umfassend informieren
Die Evaluierung ergab auch, dass Eltern sich über die schulische Inklusion, die Hilfsmaßnahmen und Prozeduren nicht besonders gut informiert fühlen. „Sie wissen nicht, wie das System funktioniert, was ihre Rechte und Pflichten sind und wer welche Pflichten übernehmen muss“, erklärte Claude Meisch. Eltern sollen künftig stärker eingebunden und mittels Informationsmaterial und -kampagnen umfassender informiert werden. Die nationale Inklusionskommission (CNI) erhält den Auftrag, sich regelmäßig mit der nationalen Elternvertretung und speziell mit den Vertretern von Kindern mit spezifischen Bedürfnissen auszutauschen und Lösungen für Probleme zu finden.
Der Gesetzentwurf ist auch das Ergebnis von Verhandlungen mit den Gewerkschaften, dem Collège des directeurs des Fondamental, des Secondaire und der Kompetenzzentren und mit der nationalen Elternvertretung.
Claude Meisch, Bildungsminister
Besser vernetzt dank einer App
Wichtig ist auch die Vernetzung aller Akteure und das Teilen von Informationen zu Dossiers, damit alle, die dazu berechtigt sind, die Informationen abrufen und den Verlauf der Prozedur verfolgen können. Dies soll auf digitalem Wege über eine neue App passieren.
Die Neuerungen fließen Meisch zufolge in einen Gesetzentwurf, der in den kommenden Wochen dem Kabinett vorgelegt wird und 2023/24 in Kraft treten soll. Der Gesetzentwurf sei auch das Ergebnis von Verhandlungen mit den Gewerkschaften, dem Collège des directeurs des Fondamental, des Secondaire und der Kompetenzzentren und mit der nationalen Elternvertretung.
Luxemburg EU-weit Musterschüler
Trotz der Notwendigkeit, Verbesserungen vorzunehmen, stuft Claude Meisch die Reform der Ediff als Erfolg ein. Seit dem Inkrafttreten der Reform seien 700 neue Posten geschaffen und die Ressourcen für Kinder mit spezifischen Bedürfnissen mehr als verdoppelt worden. Der Anteil der Kinder, die ambulant in der Regelschule betreut werden, sei von 0,72 (2014/15) auf 0,85 Prozent (2020/21) gestiegen, während der Anteil von Kindern, die in einem Kompetenzzentrum beschult werden, von 0,89 auf 0,76 Prozent gesunken sei. In der EU liege dieser Anteil bei über 1,5 Prozent. „Luxemburg ist ein Musterschüler in der EU“, so Meisch.
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