Schneiders Patzer ist nur ein Symptom
Schneiders Patzer ist nur ein Symptom
Von Christoph Bumb
Vorneweg: Ja, auch Minister, und auch Vize-Premierminister dürfen Fehler machen. Irren ist menschlich, und zur Gattung Mensch gehören eben auch Politiker (und selbst Journalisten). Der Patzer, der Etienne Schneider auf einer Diskussionsveranstaltung zum Ausländerwahlrecht unterlaufen ist, ist aber nicht irgendein kleiner Fauxpas. Er ist symptomatisch für die ganze, halbherzig geführte Referendumsdebatte.
Die Wissenslücke des Vizepremiers ist für sich genommen schon peinlich genug. Der zweite Mann in der Regierung wusste bis am Freitag nicht, worum es beim Referendum über das Ausländerwahlrecht genau geht. Jetzt mag man einwenden: Muss er das wissen? Nein, muss er nicht, kann oder sollte er aber schon. Selbst wenn er kurz vor der Veranstaltung nicht genau wusste, wie es sich mit den Modalitäten dieser Fragestellung genau verhält, hätte er sich vorbereiten können.
Man darf sich aber nicht wundern, wenn solche Wissenslücken im Volk nicht gut ankommen. Die Bürger dürfen schlicht erwarten, dass die von ihnen Gewählten in den wichtigsten Fragen kompetent genug sind bzw. zumindest so weit Bescheid wissen, dass es nicht peinlich wird.
Mangelnde Wertschätzung der Referendumsfragen
Schneiders Patzer sagt aber viel mehr aus, als nur, dass selbst ein Spitzenpolitiker in einer öffentlichen Debatte mal komplett daneben liegen kann. Das war in diesem Sinn auch keine Premiere. Die ganze Episode offenbart letztlich aber die mangelnde Wertschätzung der Referendumsfragen durch die Regierung, also eben jener politischen Kräfte, die diese für Luxemburg eher seltene direktdemokratische Übung auf den Weg gebracht haben und denen die drei Fragen anscheinend so sehr am Herzen liegen.
Man muss vielleicht nicht so weit gehen wie Ex-Asti-Präsident Serge Kollwelter, der den Schneider-Ausrutscher folgendermaßen kommentierte: "Wann een esou Promoteuren vum Jo huet, brauch ee keng Géigner mei!" Etwas Wahres ist da aber schon dran. Blau-Rot-Grün will in den kommenden Wochen die Wähler davon überzeugen, dass sie sich für ein Ja beim Ausländerwahlrecht aussprechen und einer der profiliertesten Politiker dieser Dreierkoalition weiß nicht, für was er die Wähler eigentlich genau gewinnen soll.
Aufklärungsbedarf selbst bei den Protagonisten
Dass LSAP-Fraktionschef Alex Bodry seinem Parteifreund jetzt öffentlich zur Seite springt, ist nicht allzu überraschend. Dass Bodry dabei aber von "Nuancen" bzw. einem "kleinen Fehler" spricht, der nur zeige, dass man im Volk noch Aufklärungsarbeit leisten müsse, hat schon etwas Verniedlichendes. Nur zur Erinnerung: Es geht um den Vizepremier des Landes, dem Bodry hier noch etwas Basiswissen in Sachen Ausländerwahlrecht, also dem wohl wichtigsten Thema der politischen Aktualität, vermitteln will.
Und man stelle sich einfach nur mal für einen Moment vor, einem CSV- oder ADR-Politiker wäre solch ein Patzer unterlaufen. Dann wäre die Medienwelt für den LSAP-Fraktionschef wohl nicht groß genug, um den Verantwortlichen des Fehltritts anzuprangern und die Jungsozialisten hätten längst per Pressemitteilung den Rücktritt des politisch mangelhaft gebildeten Missetäters gefordert.
Vertrauen der Politik steht auf dem Spiel
Dabei sollte man in der Tat differenzieren. Es geht hier nicht um Parteipolitik. Die Geringschätzung der jetzt erst recht improvisiert wirkenden Referendumsdebatte zieht sich durch die gesamte politische Klasse. Doch die Regierenden müssen sich wohl an einem anderen Maßstab messen lassen, wenn es um die von ihnen vorgeschlagenen Fragen geht. Sie müssen Überzeugungsarbeit leisten, und wie es scheint, nicht zuletzt noch in den eigenen Reihen.
Der Patzer von Schneider ist nicht nur ein harmloser Fehler eines Politikers, sondern letztlich symptomatisch für die halbherzige Art und Weise, wie Blau-Rot-Grün die Referendumskampagne bisher angeht. Nach dem im Vorfeld schlecht kommunizierten Wegfall der vierten Frage, den angekündigten, aber nicht realisierten "Bürgerforen" und der auf einen Monat beschränkten offiziellen Kampagne der Chamber ist dies zusätzliches Wasser auf die Mühlen der Kritiker jeglicher Couleur.
Schneiders leichtfertiges Halbwissen ist in diesem Fall nicht wirklich das Problem. Es geht um viel mehr. Laut der Präambel ihres Regierungsprogramms will die Koalition die partizipative Demokratie stärken, um das "Vertrauen der Bürger in die Politik" zurückzugewinnen. Und genau das steht bei allem verständlichen Amüsement über Politiker-Patzer auf dem Spiel. Wenn das ganze Experiment schief geht, können Bettel, Schneider und Co. in diesem Fall aber ausnahmsweise nicht auf die Opposition einschlagen, sondern müssen den Fehler alleine bei sich suchen.
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