"Scheidungsverfahren eingeleitet"
"Scheidungsverfahren eingeleitet"
(ml) - Nach dem Brexit-Votum fand am Freitagmorgen eine außerordentliche Ministerratssitzung in Luxemburg statt. "Wir nehmen die Entscheidung des britischen Volkes zur Kenntnis. Als Europäer hätten wir es bevorzugt, wenn das Referendum einen anderen Ausgang gehabt hätte", sagte Premier Xavier Bettel. Am Abstimmungsergebnis gebe es jedoch nichts zu rütteln.
Die Briten hätten einseitig die Scheidung eingereicht, sagte ein enttäuschter Premier. Nach dem Referendum beginne nun das Scheidungsverfahren. "Man kann nicht die Scheidung einreichen und trotzdem verheiratet bleiben", stellte Bettel klar. Die 27 verbleibenden EU-Staaten müssten in den kommenden Wochen über weitere Schritte diskutieren und Europa neu ausrichten.
Luxemburgs Regierungschef stritt nicht ab, dass der Brexit Auswirkungen auf die Entwicklung der Europäischen Union haben werde. Keineswegs dürfen die Grundregeln infrage gestellt werden.
Ziel sei es, die Beziehungen mit Großbritannien zu regeln - nicht nur auf bilateraler sondern auch auf europäischer Ebene, so Bettel. Premier Camerons Nachfolger werde der Ansprechpartner der EU sein, um über die künftigen Beziehungen zu verhandeln, betonte Xavier Bettel.
Brexit-Erklärung in der Chamber
Für kommenden Donnerstag kündigte der Premier eine Erklärung zum Thema Brexit im Parlament an. Bereits am Dienstag wird Außenminister Jean Asselborn den zuständigen Parlamentsausschuss über den neusten Stand der Dinge informieren.
Bis auf Weiteres werde sich nichts Wesentliches in den Beziehungen mit Großbritannien ändern, so Bettel. Solange die Briten Mitglied der Europäischen Union seien, würden für sie die gleichen Rechte und Pflichte gelten als zuvor. Luxemburg werde sich zudem weiterhin für ein starkes Europa einsetzen, da es keine Alternative gebe.
Der Premierminister weigerte sich, Prognosen darüber zu machen, welche Folgen ein Brexit für den luxemburgischen Finanzplatz haben könnte. Dies sei der falsche Zeitpunkt, unterstrich Bettel: "Es geht nicht darum, ob der Austritt Großbritanniens eine gute oder schlechte Sache für Luxemburg ist."
Die besondere Herausforderung bestehe in nächster Zeit darin, dass Europa weiterhin attraktiv bleibe. Man dürfe nicht diejenigen bestrafen, die an die europäische Idee glauben.
Statt Entscheidungen über die Köpfe der Menschen hinweg zu treffen, sollte man die Bürger mehr einbeziehen. Dabei sei es wichtig, die positiven Botschaften des europäischen Gedankens in den Vordergrund zu stellen.
Parteien melden sich zu Wort
"Nicht nur die Briten drehen dem institutionellen Europa den Rücken", heißt es in einer Pressemitteilung der ADR. Gefordert wird ein Europa der Nationen, das die nationalen Parlamente mehr in den Entscheidungsprozess einbindet.
Die EU-Staaten würden sich immer mehr zu einem "Einheitsbrei" zu Gunsten eines "riesigen Föderalstaates" entwickeln. Die ADR hofft, dass die Botschaft der Wähler bei allen Politikern angekommen ist. Sollte dies nicht der Fall sein, habe die EU in ihrer heutigen Form wenig Zukunft.
Nach Jahrzehnten der Integration und Erweiterung stelle das Votum der Briten einen schweren Rückschlag dar, betont die CSV: "Die EU braucht einen Neustart mit einer Politik, die die Kluft zwischen europäischen Institutionen und europäischen Bürgern schließt und in der sozialen Dimension besser zum Tragen kommt." Das Abstimmungsergebnis müsse ein Weckruf für ein Europa sein, das wieder mehr auf die Bürger eingehe.
"Ein herber Schlag"
Die LSAP bedauert die Entscheidung der Briten gegen einen Verbleib in der EU. Im Vorfeld der Verhandlungen zum endgültigen Austritt, die sich über Jahre strecken könnten, sprechen sich die Sozialisten für Pragmatismus aus. Der anstehende Prozess müsse "sauber und ohne Polemik" zu Ende gebracht werden.
Die LSAP kann dem Referendum auch etwas Positives abgewinnen. Die zahlreichen Zugeständnisse, die die EU-Staats- und Regierungschefs Cameron gemacht haben, müssten nun nicht umgesetzt werden.
Die Grünen bezeichnen den Austritt Großbritanniens als einen herben Schlag für das europäische Projekt. Der anstehende Brexit werde den wachsenden Einfluss von rechtspopulistischen Parteien im Rest Europas weiter befeuern.
Deshalb dränge sich eine grundlegende Reform auf. "Es gilt die Menschen wieder näher an Europa heranzubringen und umgekehrt auch die Union viel näher an ihre Bürger", meint Claude Adam, außenpolitischer Sprecher von Déi Gréng.
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