Presserat zur Affäre Lunghi: Formelle Rüge für RTL
Presserat zur Affäre Lunghi: Formelle Rüge für RTL
(ml) - Für Ex-Mudam-Direktor Enrico Lunghi dürfte es eine kleine Genugtuung sein. Das umstrittene Interview, das RTL mit ihm geführt hatte, bleibt für die Sendeanstalt nicht ohne Folgen. Das Interview, das am 3. Oktober 2016 auf RTL Télé Lëtzebuerg ausgestrahlt wurde, verstößt gegen die ethischen Vorgaben des Deontologiekodex. Zu diesem Schluss gelangte der Presserat in seiner Plenarsitzung am Dienstag. In einer Resolution, die mit breiter Mehrheit verabschiedet wurde, wird die journalistische Herangehensweise und die Aufbereitung des Interviews infrage gestellt.
Die technische Vorgehensweise von Marc Thoma und RTL erfülle nicht die Ansprüche einer einwandfreien Berichterstattung, heißt es. Das Video sei um 20 Sekunden auf eine Art und Weise gekürzt worden, die den Zuschauer irreführen könne, unterstreicht der Presserat. Artikel 9b und 9c des Deontologie-Kodex würden klarstellen, dass manipulative Handlung in Ton und Bild deutlich gekennzeichnet sein sollten, um nicht die Realität zu verzerren oder gar zu beeinflussen.
Kein zahnloser Tiger
Deshalb beschloss der Presserat, eine formelle Rüge gegen RTL und den verantwortlichen Journalisten auszusprechen. Bei der Abstimmung, die mit breiter Mehrheit erfolgte, waren die RTL-Vertreter nicht zugegen. Sie hatten bereits im Vorfeld den Saal verlassen, um einen Interessenkonflikt zu vermeiden.
Mit dem Wutausbruch von Enrico Lunghi hat der Presserat sich nicht befasst. Der "Conseil de presse", der in der Vergangenheit von manchen als zahnloser Tiger belächelt wurde, hat zum ersten Mal in seiner Geschichte offiziell eine Rüge gegen ein Medium ausgesprochen. In Zeiten, in denen die Journalisten vermehrt als Lügenpresse beschimpft werden, ging es dem Aufsichtsorgan vermutlich darum, ein deutliches Zeichen zu setzen.
Nur Verlierer
Bereits zuvor hatte die audiovisuelle Aufsichtsbehörde ALIA der RTL-Fernsehsendung "Den Nol op de Kapp" eine formelle Rüge erteilt. In ihrer Begründung hob die ALIA damals hervor, dass in dem Bericht Sekunden des Interview herausgeschnitten wurden, ohne dass dies optisch kenntlich gemacht wurde.
Aus dem RTL- Interview, in dem der ehemalige Mudam-Direktor Enrico Lunghi völlig ausgerastet war, wurde schnell eine Affäre, die sich sogar auf der politischen Ebene niederschlug. Am Ende gab es nur Verlierer. Lunghi musste an der Spitze des Mudam abtreten und arbeitet nun in der Script-Verwaltung des Unterrichtsministeriums.
Staatliche Hilfe
RTL büßte an Glaubwürdigkeit ein und stellte die Sendung "Den Nol op de Kapp" ein. Eine neue Ethikkommission soll in Zukunft ähnliche Fehltritte vermeiden. Ende vergangenen Jahres verließ CEO Alain Berwick den Sender, ohne dass nach außen hin eine Verbindung zur Lunghi-Affäre hergestellt wurde.
Auf den neue Konzessionsvertrag, der am vergangenen Freitag zwischen Staat, CLT-UFA und RTL unterzeichnet wurde, hatte die Affäre Lunghi keine Auswirkungen. Ab 2021 wird die luxemburgische Fernsehsparte jedes Jahr eine maximale staatliche Finanzhilfe in Höhe von zehn Millionen Euro erhalten. Der Vertrag hat eine Laufzeit von drei Jahren.
