Piratenkongress im Zeichen der Geschlossenheit
Piratenkongress im Zeichen der Geschlossenheit
Keine kritischen Stimmen, keine Gegenkandidaten, keine Diskussion zu den neuen Statuten, keine Motionen - in knapp 40 Minuten war der Landeskongress der Piraten am Samstag über die Bühne gebracht. Dabei hätte es durchaus Anlass für Diskussionen gegeben: Kein Wort zur Aufkündigung der Zusammenarbeit mit der ADR und zur umstrittenen Parteienfinanzierung, zu der die Staatsanwaltschaft ermittelt, wurde eher abgewiegelt.
Die beiden Partei-Sprecher Marie-Paule Dondelinger und Starsky Flor konnten rund 30 Parteimitglieder begrüssen und zogen eine durchwegs positive Bilanz. "Die Piraten konnten noch einmal zulegen", freute sich Dondelinger über das Resultat bei den Europawahlen. In einigen Gemeinden lag die Partei bei mehr als zehn Prozent.
Interne Turbulenzen überwunden
Sie erklärte auch die internen Turbulenzen als überwunden. Man habe mit einzelnen Mitgliedern Schweirigkeiten gehabt, die Partei sei aber nun gut neu aufgestellt. Flor stellte in Aussicht, dass man sich bis 2023, bis zu den nächsten Wahlen, vor allem in den Bezirken Norden und Zentrum neu aufstellen werde. "Die Partei lebt von Euch allen, zusammen erreichen wir noch mehr", zeigte er sich überze
Ich hätte nie gedacht, dass mir die Parteifinanzen mehr Sorgen machen würden als meine eigenen.
Lucie Kunikova, Piraten-Schatzmeisterin
Schatzmeisterin Lucie Kunikova bezifferte die Kosten für die Europawahlen mit 136.600 Euro - darin seien die 30.000 Euro, die Daniel Frères übernahm, nicht eingerechnet. Es sei ein Kredit von 70.000 Euro aufgenommen worden. "Das letzte Jahr war persönlich für mich sehr stressig", sagte sie, entschuldigt sich "für das Chaos, das entstanden ist" und gelobte, es künftig besser zu machen.
Im Parlament angekommen
Die politische Bilanz der Piraten zog Parteikoordinator Marc Goergen, der mit Sven Clement die Piraten im Parlament vertritt. "Unsere Partei ist in der Chamber angekommen", betonte er. "Wir stellen stachelige Fragen, machen Gesetzesvorschläge und lassen die etablierten Parteien nicht in Ruhe." Dafür seien sie gewählt, das sei ihre Aufgabe.
"Wir sind uns bewusst, dass wir ohne unsere Mitglieder nicht im Parlament sitzen würden." Nachdem man schon fast in der Versenkung verschwunden war, habe man seit 2018 die richtigen politischen Prioritäten gesetzt, das Präsidium neu aufgestellt und sich auch die richtigen Themen vorgenommen - Probleme, die von der Regierung nicht gelöst würden.
Aus dem Tanktourismus richtig aussteigen
"Die Minister erzählen gerne von einer Märchenwelt, aber das Gegenteil ist der Fall", kritisierte er die Regierung. "Die Armut und die Ungleichheiten steigen und was macht die Regierung? Sie wartet, wartet, wartet." Warum werde die Steuerklasse 1 nicht direkt abgeschafft und das Kindergeld nicht direkt wieder indexiert?
Dabei sei man schnell, wenn es darum gehe, den Menschen Geld aus der Tasche zu ziehen. "Wir sind einverstanden mit der Akzisenerhöhung zum Klimaschutz, aber dann macht es richtig. Steigt aus dem Tanktourismus aus, aber bestraft nicht die Privatleute für den LKW-Konsum."
Märchenstunde der Regirerung
Zur "Märchenstunde der Regierung" gehöre auch, dass die Familienministerin erzähle, jeder könne sich ein Altersheim leisten. "Viele ältere Menschen sorgen sich, dass es finanziell nicht für ein Altersheim reicht." Die Regierung tue auch nichts im Wohnungsbau, so Goergens Vorwurf. "Die Preise steigen von einem Rekord zum nächsten."
Der Staat müsse selber massiv bauen - Gemeindeautonomie hin oder her - und dann für zehn Euro pro Quadratmeter vermieten. Und damit Wohnungen nicht zum Investitionsobjekt grosser Investoren werden, fordern die Piraten ein "Koller-Gesetz" wie in der Schweiz. So wie die LSAP es auch gefordert hatte, aber dann einen Rückzieher machte, als es darum ging, die Motion der Piraten mit zu tragen. "So falsch ist die Politik der so genannten Sozialisten."
Datenschutz ist ein Menschenrecht
Goergen prangerte auch an, dass das Handwerk vernachlässigt wurde und forderte finanzielle Entlastungen für die Betriebe. Er strich auch hervor, dass die Piraten sich für einen starken Datenschutz und gegen die Vorratsdatenspeicherung eingesetzt hätten. "Datenschutz ist für uns ein Menschenrecht." 20 Motionen und sechs Gesetzesvorschläge haben die Piraten im vergangenen Jahr eingereicht.
Wir haben uns zuviel auf den externen Berater verlassen und dadurch eine falsche Bilanz abgegeben.
Marc Goergen
"Nicht einverstanden" zeigte sich Goergen mit dem Finanzbericht des Rechnungshofs. "Wir haben uns zuviel auf den externen Berater verlassen und dadurch eine falsche Bilanz abgegeben", erklärte er. "Dieses Jahr nehmen wir die Sache wieder selber in die Hand und geben uns Regeln, wie man bei Wahlen spenden kann. Wir müssen Sachspenden verhindern." Ziel sei eine gute Note vom Rechnungshof für 2020.
"Keine einfache Entscheidung"
Als Parteikoordinator bleibt Goergen den Piraten erhalten: Es gab keine Gegenkandidatur. "Es war keine einfache Entscheidung, mich wieder aufzustelllen, ich hatte keine Lust mehr", bekannte er und bezog sich auf die massive Kritik von Parteikollegen, die, nachdem sie selber nichts ordentliches auf die Beine stellten, das Handtuch geschmissen hätten und die Partei verliessen.
"Ich biete an, noch ein bis zwei Jahre der Partei als Koordinator zu dienen. Die Bilanz lässt sich zeigen, die Partei steht aber noch nicht da, wo ich sie gerne hätte", bekannte er und wurde einstimmig bestätigt. Ohne Gegenstimme fand auch die Reform der Satzung, die seit einem Jahr besteht, Zustimmung. Dafür hatte der Ehrenpräsident und Abgeordnete Sven Clement geworben.
Basisdemokratie stärken
Um ihre Baisarbeit zu stärken, rufen die Piraten nun Arbeitsgruppen ins Leben, die thematisch den Parlamentsausschüssen entsprechen. Sie hoffen so auf neue Vorschläge beispielsweise in der Wohnungsbauproblematik. "Wir wollen, dass die Mitglieder mitentscheiden und nicht von oben herunter diktieren, wie andere Parteien", erklärte Clement.
Im diesem Sinn erlaubt es künftig auch die Webseite Fro.lu der Piraten, direkt eine Frage zu formulieren und an die beiden Abgeordneten zu schicken. "Wir sind auf euch angewiesen, weil wir nicht immer alles wissen können. Jede neue Idee ist willkommen, wir nehmen die Frage mit in die Chamber", versprach Clement.
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