Pierre Gramegna steht im Finale
Pierre Gramegna steht im Finale
Pierre Gramegna (DP) muss noch etwas Geduld haben. Auch nach dem dritten Anlauf konnten sich die Finanzminister des Euroraums nicht auf den Nachfolger von Klaus Regling an der Spitze des Europäischen Stabilitätsmechanismus entscheiden. Davor hatten sie bereits im Mai und im Juni versucht, diesen Topjob zu vergeben.
Immerhin bleiben nach einer Abstimmung am Montagabend in Brüssel nur noch zwei von drei Kandidaten im Rennen (Der vierte Ursprungskandidat, der Niederländer Menno Snel, schied bereits im Mai aus): João Leão, ein ehemaliger Finanzminister aus Portugal, und Pierre Gramegna, der sich Anfang 2022 aus der nationalen Politik zurückzog, um mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen.
Ideologische Spaltungslinie
Der dritte Kandidat, der Italiener Marco Buti, gab bereits vor der eigentlichen Abstimmung am Montag auf. Italien soll dem Vernehmen nach daraufhin entschieden haben, João Leão zu unterstützen.
Die derzeitige Pattsituation, in der sich die Euro-Finanzminister bereits seit Monaten manövriert haben, hat teilweise mit den Ernennungsregeln für den ESM-Chefposten zu tun. Anders als bei der Wahl für die Präsidentschaft der Eurogruppe verfügt jedes Land nicht über eine gleichberechtigte Stimme. Die Stimmen werden nämlich je nach Anteil der jeweiligen Länder am ESM-Kapital berechnet. Chef wird dann jener Kandidat, der 80 Prozent dieser Stimmen für sich sammeln kann und nicht jener, der eine einfache Mehrheit der Stimmen erhält.
Weder Luxemburgs ehemaliger Finanzminister Gramegna noch Leão waren am Montag dazu fähig, so viel Unterstützung für ihre Kandidatur zu erhalten. Um die Entscheidung zu vereinfachen, hatte der Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe vorgeschlagen, die 19 Euro-Finanzminister (die gleichzeitig die Eurogruppe und den ESM-Vorstand ausmachen) nach dem Treffen der Eurogruppe am Montag in Brüssel auch als ESM-Vorstand tagen zu lassen. Laut ESM-Vorstandsregeln wird nämlich einzeln über jeden Kandidaten abgestimmt. Dadurch können Länder gleich mehrere Stimmen abgeben, was, so Donohoes Gedankengang, vielleicht erleichtert hätte, die notwendigen 80 Prozent zu erreichen.
Neue Abstimmung im September
Doch dazu kam es nicht: EU-Kreise bestätigen, dass Gramegna und Leão ungefähr auf 50 Prozent der Stimmen kommen. Nun soll im September eine neue Abstimmung stattfinden. Bis dahin haben die Kandidaten noch Zeit, um im Kreis der 19 Euro-Finanzminister für sich zu werben. Der deutsche Ökonom Klaus Regling, der die Institution seit ihrer Gründung 2012 leitet, soll dann im Oktober in den Ruhestand gehen.
Ob es im September zu einer Entscheidung kommen wird, ist allerdings noch offen. EU-Kreise berichten, dass das Abstimmungsverhalten am Montag entlang der in Euro-Fragen typischen Nord-Süd-Spaltung verlief: Fiskalpolitisch konservative Staaten wie Finnland, Deutschland oder die Niederlande sollen für Gramegna gestimmt haben - Länder wie Frankreich, Spanien oder Italien dagegen für Leão. Das Duell ist dadurch ideologisch etwas festgefahren. Der ESM ist in diesem Streit auch ein ewiger Zankapfel.
Die in Luxemburg ansässige Behörde hat nämlich als Aufgabe, überschuldete Mitgliedstaaten der Eurozone durch Kredite und Bürgschaften zu unterstützen, die an Reformen geknüpft sind. Der ESM ist der wohl sichtbarste Teil des sogenannten „Euro-Rettungsschirms“, der im Laufe der Euro- und Griechenlandkrisen ins Leben gerufen wurde, um den Euroraum zu stabilisieren.
Der ESM ist der wohl sichtbarste Teil des sogenannten „Euro-Rettungsschirms.“
Die Institution ist für viele Europäer über die Jahre hinweg zum Synonym für die herzlose EU-Austeritätspolitik rund um die Eurokrise geworden. Dieses Imageproblem zu lösen, wird wohl auch die Hauptaufgabe des neuen ESM-Chefs sein. Verbessert sich dieses Image nicht, droht der ESM in Vergessenheit zu geraten.
Denn seit 2015 hat der ESM keine Finanzhilfen mehr vergeben - wofür er eigentlich geschaffen wurde. „ESM-Kredite aufzunehmen, scheint für viele Regierungen politisch toxisch zu sein. Das zeigte sich zum Beispiel in der Pandemie. Obwohl einige Länder unter erheblichem finanziellem Druck standen, haben sie ESM-Kredite völlig ignoriert“, sagte Nils Redeker, EU-Wirtschaftsexperte beim Jacques Delors Centre, neulich dem „Luxemburger Wort“.
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