Paulette Lenert: "Man kann die Zahlen nicht schönreden"
Paulette Lenert: "Man kann die Zahlen nicht schönreden"
(SC) - Ein neuer Höchststand und ein merklicher Einbruch: Vergangene Woche zeigte sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen nach wie vor volatil, auch wenn sich eine leichte Tendenz nach unten abzeichnet. Das bestätigte am Samstagmittag Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) im RTL Background. Eine klare Abnahme zeichne sich noch nicht ab, die Zahlen blieben in der Wochenansicht auf einem hohen Niveau stabil. Darauf, ob die angekündigten neuen Maßnahmen am kommenden Montag umgesetzt werden würden, wollte die Gesundheitsministerin am Samstag noch nicht vorgreifen. „Aber man kann die Zahlen auch nicht schönreden“, so die LSAP-Ministerin.
Auf die Frage, ob sie bei der Verkündung der möglichen Maßnahmen am vergangenen Freitag noch eine Trendwende geglaubt hätte, antwortete Lenert: „Ich bin kein Mensch, der einfach so an etwas glaubt.“ Wie die Zahlen zu dem Zeitpunkt standen, hätte es zu einem Einbruch der Neuinfektionen kommen können. Der R-Wert sank zwischenzeitlich auf um die 0,8 - auch das hätte Hoffnung gegeben, so die Ministerin. Seitdem ist er allerdings wieder leicht angestiegen - aktuell liegt er bei 1. „Man weiß es einfach nicht im Voraus“, so die Gesundheitsministerin. Und neue Maßnahmen sollten nicht leichtfertig getroffen werden.
Ob die Maßnahmen noch abgeändert werden könnten, könne sie derzeit nicht sagen. Die Chamber könne noch Änderungen anmerken, und aus dem Bericht des Regierungsrats, der noch nicht vorliegt, könnten ebenfalls noch neue Ansätze hervorgehen. Die Regierung selbst plane allerdings keine Änderungen mehr.
Die Ministerin ging im Gespräch auch auf die Situation an den Schulen und die drohende Schließung des Horesca-Sektors ein. Vor allem in den Grundschulen sei der Stufenplan sehr effektiv darin gewesen, das Virus einzudämmen. In den höheren Klassen käme es hingegen vermehrt zu Infektionsfällen. Für Luxemburgs Sekundarschulen hatte Bildungsminister Claude Meisch (DP) bereits am Freitag neue Maßnahmen angekündigt, sollte sich die Lage nicht beruhigen. Es sei trotzdem wichtig, jungen Leuten in diesen Zeiten die größtmögliche Normalität zu ermöglichen: „Es ist kein Geheimnis, dass die Jugend unter der Situation am meisten leidet“, so Lenert. Sowohl für ihre Entwicklung als auch für die mentale Gesundheit der Kinder seien ausgewogene Maßnahmen und ein größtmöglicher Erhalt des Unterrichts wichtig.
Die Notwendigkeit einer möglichen Schließung der Gastronomie erklärte die Gesundheitsministerin dadurch, dass das Virus derzeit in allen Bereichen zirkuliert. „Im Moment kann niemand genau sagen, in welchem Bereich die Infektionen besonders prävalent sind“, so Lenert. Rund 50 Prozent der Neuinfektionen seien derzeit nicht mehr klar auf eine Kontaktperson zurückzuführen, was die Aufgabe des Tracing Teams erheblich erschwere. „Alles, was wir sagen können, ist dass Menschen sich bei sozialen Kontakten anstecken“ - es sei daher oberste Priorität, diese sozialen Kontakte auf ein Minimum zurückzufahren. Vor allem in Restaurants sei das Tragen einer Maske häufig schwer. Es ginge bei den neuen Maßnahmen aber keineswegs darum, einen Sektor zu stigmatisierten.
Krankenhäuser entlasten
Bis zum Stichdatum des 15. Dezember, bis zu dem die neuen Maßnahmen in Kraft bleiben sollen, habe man ein klareres Bild über die Infektionslage in Luxemburg. Auch aus Werten aus dem Ausland lasse sich zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich bereits eine klarere Tendenz ableiten, so die Ministerin. Man sollte sich dennoch bereits darauf einstellen, das Weihnachtsfest in diesem Jahr nur im kleinen Kreis feiern zu können. „Wir hoffen, dass wir bis dahin wieder genug Luft nach oben haben“, so die Ministerin. Allerdings sei es auch nicht ratsam den Fortschritt über die Weihnachtsfeiertage wieder zunichte zu machen.
Besonders beunruhigend sei laut Lenert derzeit die Lage in den Krankenhäusern. „Die Phase Vier kann man nicht ewig aufrechterhalten“, so die Ministerin. Mittel- und langfristig käme es dadurch zu einer Überlastung des Gesundheitssystems. Derzeit seien rund die Hälfte der Intensivbetten mit Covid-Patienten gefüllt und einige Prozeduren müssten bereits deprogrammiert werden. Im Vergleich zu Belgien stünden Luxemburgs Krankenhäuser derzeit noch gut da, im Vergleich zu Deutschland habe man allerdings wesentlich mehr Schwierigkeiten.
„Es liegt in unser aller Interesse, die Maßnahmen so effektiv wie möglich umzusetzen“, so der Appell der Gesundheitsministerin an die Bevölkerung. Jeder müsse sich derzeit fragen, ob ein Kontakt wirklich notwendig sei. Alles in allem habe sie allerdings das Gefühl, dass das die Bevölkerung des Großherzogtums sehr verantwortungsbewusst mit dem Virus umgehe - auch im internationalen Vergleich. Eine gewisse „Pandemiemüdigkeit“ mache sich aber vor allem jetzt mit den sinkenden Temperaturen und den kürzeren werdenden Tagen breit. Dazu käme eine kleine Minorität an Leuten, die sich nicht an die Schutzmaßnahmen halten.
Gesundheitsministerin Lenert hofft auf erste Impfstoff-Zulassungen für den europäischen Markt ab Mitte Dezember. In einer ersten Phase wurden dem Großherzogtum aus der Bestellung des EU-Pools rund 45.000 Dosen zugesprochen. Eine detaillierte Impfstrategie müsse bis dahin aufgestellt werden - vor allem, weil es sich bei den Impfstoffen um verschiedene Präparate mit unterschiedlichen Eigenschaften handele. Sobald die Impfstrategie ausgearbeitet sei, werde sie offengelegt und an die Chamber weitergegeben.
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