Paulette Lenert: Eine Ministerin als Krisenmanagerin
Paulette Lenert: Eine Ministerin als Krisenmanagerin
Paulette wer? Das werden sich wohl die meisten Bürger gefragt haben, als sie im vergangenen Oktober für das Politmonitor um ihre Meinung zu den Politikern gebeten wurden. 33 Prozent der Befragten geben an, Paulette Lenert überhaupt nicht zu kennen. Mit lediglich 28 Prozent Zustimmung landet die LSAP-Ministerin auf dem vorletzten Platz.
Kein Wunder. Zum einen ist die Quereinsteigerin noch nicht einmal ein Jahr im Amt und zum anderen sind ihre damaligen Ressorts – Entwicklungshilfe und Verbraucherschutz – nicht wirklich dazu angetan, sich medienwirksam in Szene zu setzen.
Würde man die Bürger heute nach ihrer Meinung fragen, Gesundheitsministerin Paulette Lenert würde wohl am Thron der alten LSAP-Riege rütteln, die seit Jahren das Politranking zusammen mit Premier Xavier Bettel (DP) anführt. Dabei ist sie erst seit dem 4. Februar, als ihr Vorgänger Etienne Schneider das Handtuch warf, Hausherrin in der Villa Louvigny.
Die Quereinsteigerin
Lenert kommt im Herbst 2018 nach den Wahlen ziemlich unerwartet zu Ministerehren. Zu Beginn der Koalitionsgespräche gilt die Ost-Abgeordnete Tess Burton in den Reihen der LSAP noch als gesetzt. Immerhin hat sich Burton auf Platz zwei hinter dem aktuellen EU-Kommissar Nicolas Schmit platziert, mit einem durchaus respektablen Resultat.
Doch daraus wird nichts, der damalige Innenminister Dan Kersch legt sein Veto ein und boxt seine Kandidatin durch. Kersch gilt als Mentor von Paulette Lenert. Beide kennen sich gut.
Bevor sie in die Regierung wechselte, war Lenert lange Zeit Erste Regierungsrätin im Ministerium für den öffentlichen Dienst, ein Ressort, das zwischen 2013 und 2018 in den Händen des aktuellen Vizepremiers lag. Dazu war sie Direktorin des Institut national d'administration publique (INAP), des Aus- und Weiterbildungsinstituts für den öffentlichen Dienst.
Paulette Lenert ist also bestens mit den Abläufen in den Verwaltungen vertraut, sie weiß wie die staatlichen Behörden ticken. Das kommt ihr in der Krise nun zugute. Bei der Regierungsbildung war sie übrigens zunächst als Ministerin für die Fonction publique gehandelt worden.
Der Gesundheitsministerin kommt auch ihre jahrelange Erfahrung als Richterin am Verwaltungsgericht zugute. Damals habe sie gelernt, zuzuhören, sagt sie im vergangenen Sommer im Interview.
Erst als sie ihre Richterrobe an den Nagel gehängt hat, tritt sie in die LSAP ein. Ihr fehlt also der typische sozialistische Stallgeruch all jener Parteimitglieder, die in der LSAP groß geworden sind. Klüngelei und Parteipolitik sind ihr fremd.
Ein neues Haus
Als Paulette Lenert im Dezember 2018 als neue Verbraucherschutzministerin vereidigt wird, muss sie ihr Haus erst einmal richtig aufstellen. Zwar gibt es bereits seit einiger Zeit ein Verbraucherschutzressort, doch bis dato war es im Landwirtschaftsministerium angesiedelt und fristete dort ein eher stiefmütterliches Dasein.
Es ging also zunächst darum, die Zuständigkeiten abzugrenzen, es ging aber auch um Personalfragen und ums Budget. Paulette Lenert kann mit dem Kompetenzwirrwarr, der vor allem im Bereich Lebensmittelsicherheit herrscht, nicht viel anfangen.
Ihr übergeordnetes Ziel ist eine Fachverwaltung für den gesamten Bereich der Lebensmittelsicherheit. Mitte Februar stellt sie ihren Gesetzesentwurf für die Schaffung einer „Administration de la sécurité alimentaire“ vor. In nur 14 Monaten ist es ihr gelungen, die Silomentalität der einzelnen Verwaltungen zu durchbrechen und das Kompetenzgerangel zu beenden. Es ist bis dahin ihr größter Coup.
Als sie die Schaffung der neuen Behörde ankündigt, ist Paulette Lenert bereits Gesundheitsministerin. Sie geht es konsequent an und kündigt zusammen mit Sozialminister Romain Schneider (LSAP) bereits für den 14. Februar die erste Runde des Gesondheetsdësch an. Auf der Agenda stehen Themen wie ambulante Strukturen, der Personalmangel im Gesundheitssektor oder noch der tiers payant. In Luxemburg ist die Welt zu dem Zeitpunkt noch in Ordnung.
Sprung ins eiskalte Wasser
Zwei Wochen später wird die frisch gebackene Gesundheitsministerin ins eiskalte Wasser geworfen und muss abrupt in den Krisenmodus umschalten. Schonzeit war gestern. Am Abend des 29. Februar informiert sie die Bevölkerung in einer eilends einberufenen Pressekonferenz, dass es einen ersten Corona-Fall in Luxemburg gibt.
Seither ist Paulette Lenert rund um die Uhr im Dauereinsatz. Aus der Ministerin ist binnen Tagen eine professionelle Vollzeit-Krisenmanagerin geworden. Sie koordiniert, improvisiert und informiert. Und das ruhig, sachlich und glaubwürdig. Und sie trifft den richtigen Ton.
Bei ihren ungezählten Pressekonferenzen ist sie bestens vorbereitet. Sie strahlt Ruhe aus und verhindert so, dass Panik aufkommt. Sie macht aber auch keine falschen Hoffnungen. Beispiel Engpässe beim Materialnachschub. Sie sei erst zufrieden, wenn sie die Schutzmasken auch wirklich in Händen halte, sagt sie ehrlich.
Jenseits aller Professionalität zeigt Paulette Lenert aber auch Empathie: Als sie verkünden muss, dass Covid-19 in Luxemburg ein erstes Todesopfer gefordert hat, versagt der Krisenmanagerin die Stimme.
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