"Ons Mammesprooch ass ons helleg"
"Ons Mammesprooch ass ons helleg"
Von Christoph Bumb
Etwas schüchtern blickt der Mann mit dem blau-grauen Wollpullover drein, als er im Parlamentsplenum das Wort ergreift. Alle Augen sind auf ihn gerichtet. Per Livestream von „Chamber TV“ kann das ganze Land zusehen. Der unscheinbare, bescheiden auftretende Mann heißt Lucien Welter. Mit seiner Petition 698 hat der Münsbacher fast 15.000 Luxemburger hinter seinem Anliegen, die luxemburgische Sprache als „erste Amtssprache“ in Gesetz und Verfassung zu schreiben, versammelt.
Am Montag hatte der wohl berühmteste Petitionär des Landes die Gelegenheit, sein Anliegen vorzutragen. Dabei schwächte er seine Kernforderungen mehrmals ab. Er verwahrte sich gar gegen „Falschinterpretationen“ bzw. „Dinge“, die ihm in der bisherigen Debatte „falsch in den Mund gelegt“ worden seien. Mit dem großen Erfolg seines Antrags habe er dabei ohnehin nicht gerechnet. "Ech si kee Politiker. Ech sinn en einfache Bierger, dee sech seng Gedanke mécht", stellte er klar.
"Aussterben der Muttersprache verhindern"
Eine umstrittene Formulierung seiner Petition wiederholte Welter aber im Chamberplenum. Es gehe ihm darum, das „Aussterben“ des Luxemburgischen zu verhindern. Seine Sorge rühre vor allem von der Perspektive der anhaltend steigenden Immigration von Nicht-Luxemburgern. „Soviel Kinder können die Luxemburger gar nicht produzieren, um das Aussterben des Luxemburgischen zu verhindern“, sagte Welter.
Im Detail zeigte sich der Mitarbeiter des „Syndicat Intercommunal de Gestion Informatique“ (SIGI) aber auch pragmatisch. So sei etwa die Kernforderung, künftig alle Gesetze auf Luxemburgisch zu verfassen, lediglich ein „Endziel“. „Dat ass net fir haut an net fir muer“, sagt Welter. Dennoch gelte es den Stellenwert „unserer Sprache“ in jeglichen Bereichen – staatliche Verwaltungen, Schule, Justiz, Straßenverkehr ... – zu erhöhen und aktiv zu fördern.
Ech si kee Politiker. Ech sinn en einfache Bierger, dee sech seng Gedanke mécht.
Ebenso beschwichtigte Welter, dass er und die vielen Unterzeichner seiner Petition natürlich nicht die Mehrsprachigkeit im Lande abschaffen wollen. Luxemburgisch müsse jedoch eine „Priorität“ sein.
Auch auf die Tradition der Mehrsprachigkeit sei er jedenfalls „stolz“, sagt Welter. Auf das Luxemburgische ist er aber noch etwas stolzer. „Meine Muttersprache ist Luxemburgisch und wir sind hier in Luxemburg“, so Welter. Dafür kämpfe er und deshalb sei er überhaupt hier: „Ons Mammesprooch ass ons helleg.“ Zur bildlichen Untermauerung seiner Überzeugung sagte er noch: "Dat éischt wat mir héieren wa mir d'Mammebroscht huelen, ass: 'Ech hunn dech gär.'"
Am Ende seines Vortrags bedankte sich Welter bei den anwesenden Abgeordneten und winkte noch einmal freundlich zum Abschied ins Parlamentsplenum.
Politisch korrektes "Sowohl als auch"
Bei den Fragen und Stellungnahmen der Parlamentarier zeigte sich, dass keine Partei – von ADR bis Déi Lénk – die Ausführungen des Petitionärs frontal kritisierte. Es herrschte eher das politisch korrekte „Sowohl als auch“ vor. Es sei richtig, dass es noch „Spielraum“ zur Förderung des Luxemburgischen gebe, so etwa die CSV-Abgeordnete Martine Hansen. Dies habe aber auch seine Grenzen, insbesondere wenn es um das von Welter skizzierte „Endziel“ einer konsequenten Luxemburgisierung von Staat und Gesellschaft gehe.
Dat éischt wat mir héieren wa mir d'Mammebroscht huelen, ass: 'Ech hunn dech gär.'
Nur Gast Gibéryen (ADR) verbarg dabei nicht seine Sympathie für die Anliegen des Petitionärs. Man müsse verhindern, dass Einwohner mit Luxemburgischkenntnissen bald in der Minderheit sind, so Gibéryen. Bei der entsprechenden Interpretation der zum Anlass der öffentlichen Anhörung nochmals verschickten Zahlen des Statec aus der Volkszählung von 2011 waren sich die Parlamentarier dann jedoch nicht mehr ganz so einig. Lucien Welters Kommentar dazu war übrigens, unter anderem: "Jiddvereen kann et schwätzen, mee keng Sau kann et schreiwen."
Argumente der Gegenpetition
Im Anschluss an die knapp einstündige Debatte über die Petition 698 ergriffen im Plenum schließlich die Autoren der Gegenpetition 725 – Joseph Schloesser und Henri Werner – das Wort. Werner, der Sohn des ehemaligen Staatsministers Pierre Werner, verbarg dabei nicht seine Sorge vor einer vermeintlichen Rückbesinnung auf eine nationale Identität, die es in dieser „rein luxemburgischen“ Form nie gegeben habe.
Seit jeher lebe man in Luxemburg mit einer „Dualität des nationalen Charakters“, so Werner weiter. Die Kombination der deutschen und französischen Einflüsse seien historisch weit zurück verfolgbar und würden bis heute die Kultur, die Identität und auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bereichern.
Bettel will Regierungskommissar schaffen
Den Schlusspunkt der Debatte setzte dann der Premier. Nachdem sich Xavier Bettel die Argumente aller Seiten angehört hatte, stellte er klar, dass „jene, die sich für die luxemburgische Sprache einsetzen, keine Populisten“ seien. Auch die Regierung sei der Meinung, dass Luxemburgisch die beste Integrationssprache des Landes sei. Die Sorgen der Menschen, dass dies eines Tages nicht mehr der Fall sein könnte, müsse man ernst nehmen. Man werde auch weitere Schritte zur Förderung des Luxemburgischen – etwa mit der Verankerung der Nationalsprache in der Verfassung – unternehmen.
Bei der Kernforderung der Petition – Luxemburgisch als Amtssprache – erteilte der Premier dem anwesenden, selbst ernannten „einfachen Bürger“ aber eine klare Absage. Eine Maßnahme kündigte Bettel in Reaktion auf die Ausführungen des Petitionärs aber doch noch an. Man wolle die Schaffung eines Regierungskommissars für die luxemburgische Sprache prüfen, der dem Ministerrat Reformvorschläge zur Förderung des Luxemburgischen unterbreiten soll.
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