Neuerungen im Grundschulwesen: Das Ende des Inspektorats
Neuerungen im Grundschulwesen: Das Ende des Inspektorats
(mig) - Von den jetzigen Regierungsparteien haben sich die DP und die Grünen 2013 für die Einführung des Schuldirektors ausgesprochen. Doch die LSAP, die damals die Bildungsministerin stellte, war dagegen, und auch die Schulen leisteten heftigen Widerstand. Für sie war es undenkbar, das basisdemokratisch gewählte Schulkomitee samt Vorsitzenden zugunsten eines Schuldirektors mit Weisungsbefugnis aufzugeben.
Das Schulkomitee gehört zu den Neuerungen der Grundschulreform, die von den Lehrern ganz besonders geschätzt werden. Bildungsminister Claude Meisch sah irgendwann ein, dass es keinen Sinn machen würde, daran etwas zu ändern. Also konzentrierte er sich auf die Reform des Inspektorats, mit dem Ziel, die Schulentwicklung und die Verbesserung der Schulqualität voranzutreiben.
Seit der Grundschulreform ist der Aufgabenbereich der Inspektoren gewachsen. In diesem Jahr kam mit der Betreuung von Berufsanfängern während ihres dreijährigen berufsbegleitenden Praktikums noch eine weitere Aufgabe dazu. Eine Reform drängt sich demnach auf.
Personalaufstockung
Die 23 „arrondissements“ mit je einem Inspektor werden zugunsten von 15 regionalen Direktionen abgeschafft. Der Direktor wird, je nach Region, von drei bis fünf beigeordneten Direktoren unterstützt. Es kommt also zu einer substanziellen Personalaufstockung. An den Aufgabenbereichen ändert sich im Kern nichts.
Bemüht man Adam Riese, wird klar, dass nicht aus allen Inspektoren Direktoren werden. Manche müssen sich mit dem Posten des beigeordneten Direktors begnügen oder sich anderweitig nach einer Beschäftigung umsehen, z. B. beim künftigen „Observatoire de la qualité scolaire“.
Die neuen Posten stehen allen Fachkräften aus dem Schulwesen offen, die über fünf Jahre Berufserfahrung in der oberen Laufbahn (A1) verfügen. Theoretisch haben also auch Schuldirektoren aus dem Secondaire Zugang zur Karriere der Regionaldirektoren. Sie werden von der Regierung ernannt.
Die multiprofessionellen Teams
Zu einer Neuerung kommt es auch bei den so genannten „équipes multiprofessionnelles“ (u. a. Psychologen und Erzieher). Sie werden künftig „équipes de soutien des élèves à besoins éducatifs particuliers ou spécifiques“ (ESEB) heißen. Sie kommen bei Schülern mit kognitiven, sozialen oder auch physischen Defiziten zum Einsatz und werden den regionalen Direktionen unterstellt. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Hilfe schneller bei den Kindern ankommt.
Pro Regionaldirektion kümmert ein beigeordneter Direktor sich speziell um den Bereich „Kinder mit besonderen Bedürfnissen“. Er leitet die heutige „Commission d'inclusion scolaire“ (CIS), die künftig „Commission d'inclusion“ (CI) heißen wird. Sie ermittelt den gesamten Betreuungsbedarf von Kindern (im schulischen und nicht-schulischen Bereich) und stellt die benötigten Ressourcen zur Verfügung.
Des Weiteren werden bis 2019 150 spezialisierte Lehrer rekrutiert. Sie heißen „instituteur spécialisé dans la scolarisation des élèves à besoins éducatifs particuliers ou spécifiques“ (I-EBS) und werden in den sogenannten „Centres d'apprentissage“, also den speziellen Förderklassen oder aber in den regulären Klassen für die Arbeit mit lernschwachen und verhaltensschwierigen Kindern eingesetzt.
Die Zahl von 150 kommt nicht von ungefähr. Exakt so viele Grundschulen zählt das Land. Somit erhält jede Schule – kontingentunabhängig – einen Speziallehrer. Um Problemfälle möglichst früh zu erkennen und schnell und effizient zu betreuen, werden die I-EBS auch im Zyklus 1 zum Einsatz kommen. Wie ihre anderen Lehrerkollegen müssen die Speziallehrer 23 Unterrichtsstunden leisten, zuzüglich Beratung von Lehrern und Eltern.
In Frage kommen Lehrer mit einer Ausbildung in Sonderpädagogik, aber auch „herkömmliche“ Lehrkräfte, die Erfahrung mit Förderunterricht gesammelt haben. Letztere haben Zugang zur neuen Karriere via „carrière ouverte“. Die ersten 30 Lehrer werden Anfang 2017 rekrutiert. 40 weitere sollen bis zur Rentrée 2017/18 folgen.
Bewerbungsgespräch statt Examen
Die Rekrutierung erfolgt nicht über ein Examen, sondern mittels Bewerbungsschreiben und Bewerbungsgespräch vor einer Jury. Damit konnte die Lehrergewerkschaft SNE sich mit einer ihrer Forderungen durchsetzen. Sie ist der Ansicht, „dass sich geeignete Kandidaten eher über ein Gespräch ermitteln lassen als über ein schriftliches Examen“, so der Vorsitzende Patrick Remakel.
Anders als die herkömmlichen Lehrer (Karriere A) befinden sich die Spezialisten in der Laufbahn A1 und beziehen ein höheres Gehalt. Künftig wird es also eine Zwei-Klassen-Lehrerschaft geben. Die Gewerkschaft SNE begrüßt diesen Schritt, sieht sie doch darin die Vorstufe zur Karriere A1 für alle Grundschullehrer.
Der Schulkomiteepräsident wird sich künftig verstärkt mit der Schulentwicklung befassen. Schulen, die Hilfe bei der Ausarbeitung ihres „Plan de développement scolaire“ (PDS) – früher „Plan de réussite scolaire“ (PRS) – brauchen, können auf einen „instituteur spécialisé en développement scolaire“ (I-DS) zurückgreifen, der beim „Service de coordination de la recherche et de l'innovation pédagogiques et technologiques“ (SCRIPT) angesiedelt ist.
