"Nach drei Jahren wäre die Kirche bankrott"
"Nach drei Jahren wäre die Kirche bankrott"
(KNA) - Erzbischof Jean-Claude Hollerich hat die linksliberale Regierung davor gewarnt, religiöse Grundrechte anzutasten. Falls die freie Religionsausübung beschnitten werden sollte, drohe ein "Kulturkampf", sagte Hollerich im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch. Eine solche Einschränkung werde er "auf keinen Fall hinnehmen".
Hollerich verwies auf organisierte Gruppen von Agnostikern und Atheisten in Luxemburg, die aggressiv gegenüber der Kirche aufträten und auch auf die Regierungsparteien von Liberalen, Sozialisten und Grünen Einfluss nähmen. "Aber die müssen auch wissen, dass ihr Wahlvolk die Dinge etwas anders sieht", sagte der Erzbischof. Zugleich räumte er die Notwendigkeit von Änderungen ein. "Wir können nicht mit denselben Regelungen leben wie vor 50 Jahren", sagte Hollerich.
Ein drohendes Aus für die staatliche Finanzierung von Priester- und Religionslehrergehältern hätte nach Worten des Luxemburger Erzbischofs drastische Folgen. "Wir sind eine arme Kirche", sagte Hollerich.
Ohne Gehaltszahlungen könne die Kirche "etwa drei Jahre leben", so der Erzbischof. "Danach wären wir bankrott." Die Kirchenleitung verhandle derzeit mit der Regierung. Mit Ergebnissen rechne er zum Jahresende, sagte Hollerich.
Die Kirche sei "bereit, auf den Religionsunterricht zu verzichten, wenn man einen Religionen-Unterricht einführt", sagte Hollerich weiter. Dieser müsse vom Rat der staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften gestaltet werden und die konfessionellen Mehrheitsverhältnisse in der Bevölkerung abbilden.
Die katholische Kirche ist die mit Abstand größte Glaubensgemeinschaft im Großherzogtum Luxemburg. Von den rund 500.000 Bürgern sind nach unterschiedlichen Schätzungen etwa drei Viertel Katholiken.
Erzbischof für neues Konkordat
In dem am Mittwoch veröffentlichten Interview befürwortet Erzbischof Hollerich eine Neuordnung des Staat-Kirche-Verhältnisses. "Der Heilige Stuhl hat in den letzten Jahrzehnten viele internationale Verträge geschlossen. Auch Luxemburg wäre gut beraten, dies zu tun. Der Vatikan ist bereit."
Im Grundsatz gelte in Luxemburg wie in Elsass-Lothringen und in Belgien noch immer das napoleonische Konkordat von 1801, "auch wenn vieles nicht mehr eingehalten wird", sagte Hollerich.
Demnach gehörten etwa die Kirchengebäude den Zivilgemeinden. Ein neues Staat-Kirche-Abkommen könne auch anderen Religionsgemeinschaften des Landes von Nutzen sein, meinte der Erzbischof.
Luxemburger Kirche wächst durch Migranten
Erzbischof Jean-Claude Hollerich sieht Migranten als Belebung für die katholischen Gemeinden an. Eine Stärke seiner Ortskirche liege in der Internationalität, sagte der 56-jährige Erzbischof. Die Kinder und Jugendlichen in Auslandsgemeinden seien "der gesündeste Teil dieser Kirche", so Hollerich. "Deshalb müssen wir weg von der Idee, dass sie eine getrennte Sonderwelt in unserer Kirche sind."
Die Kirche ist bereit, auf den Religionsunterricht zu verzichten, wenn man einen Religionen-Unterricht einführt
In Luxemburg gebe es viele Grenzgänger sowie 45 Prozent Ausländer, vor allem Portugiesen; die Pfarreien der angestammten Luxemburger seien "eher veraltet", sagte Hollerich. Ihnen fehle es oft an Dynamik.
Der Erzbischof kündigte an, sich künftig stärker an der katholischen Kirche im Nachbarland Frankreich zu orientieren. Als einen Grund nannte er die finanzielle Lage - "weil wir ärmer werden und nicht das Geld haben wie die deutsche Kirche".
Daneben spiele auch das soziologische Profil eine Rolle: "Die Mentalität, die Erneuerung, wie Kirche verstanden wird, was die Leute von Kirche erwarten, ist ganz verschieden." So habe er erstmals einen Priesterseminaristen zum Studium nach Paris geschickt. Ein anderer sei aber weiterhin in Trier in Ausbildung, so Hollerich.
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