"Luxemburg schiebt keine Afghanen ab"
"Luxemburg schiebt keine Afghanen ab"
Die Corona-Pandemie hat die Bewegungsfreiheit der Menschen eingeschränkt. Das hat auch Auswirkungen auf die Zahl der Asylbewerber in Luxemburg. Gingen 2019 noch 2.048 Asylanträge bei der Immigrationsbehörde ein, waren es 2020 lediglich 1.165. Die Zahl hat sich 2021 mit 1.249 Anträgen nicht wesentlich verändert.
Die meisten Flüchtlinge (392) kommen aus Syrien, Eritrea (255), gefolgt von Afghanistan. Diese Zahlen teilte Außen- und Immigrationsminister Jean Asselborn (LSAP) am Montag bei seiner Jahrespressekonferenz zum Thema Asyl und Immigration mit.
Tragische Situation in Afghanistan
2021 war ein besonders tragisches Jahr für Afghanistan, nachdem im August dort die Taliban die Macht ergriffen und in kürzester Zeit ein Terrorregime aufgebaut haben, „das die Einwohner erstickt“, so Asselborn. „Die Menschenrechtslage in Afghanistan ist verheerend. Millionen Menschen sind nicht nur unfrei, sondern haben nicht genug zu essen und zu trinken“.
In Luxemburg wurden seit 2015 517 Afghanen als Flüchtling anerkannt, zuzüglich 2.203 Syrer und 1.377 Eritreer. 2021 hat die Immigrationsbehörde 160 Asylanträge von Afghanen bearbeitet, 77 Prozent wurden als Flüchtlinge anerkannt. Seit dem 15. August 2021 haben 97 Afghanen in Luxemburg Asyl beantragt, 71 wurden als Flüchtling anerkannt, darunter 45 Personen aufgrund ihrer Tätigkeit in Afghanistan für die EU oder die Nato.
Aktuell werden die Anträge von 125 Afghanen untersucht. 83 abgewiesene Afghanen haben vor Gericht gegen die Entscheidung der Immigrationsbehörde geklagt. Dabei handelt es sich um negative Entscheidungen aus den Jahren 2020 und 2021. Aufgrund neuer Elemente hat die Immigrationsbehörde einen Teil der Entscheidungen wieder aufgehoben. Asselborn zufolge trifft das auf 36 der 83 Personen zu.
Eine Ablehnung bedeutet nicht, wie der Immigrationsminister betonte, dass die Menschen nach Afghanistan abgeschoben werden. „Wir haben allen abgewiesenen Asylbewerbern angeboten, ihnen aktiv zu helfen, ihre Situation in Ordnung zu bringen“, so Asselborn. Und: „Wir haben seit 2015 keinen einzigen Afghanen abgeschoben, bis auf eine Ausnahme.“
Sollte es nun also auch seitens des Gerichts bei einer Ablehnung bleiben, werde man alles tun, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, in Luxemburg zu bleiben – sei es über eine Arbeit, eine Familienzusammenführung oder aus humanitären Gründen.
Mit seinem selbst auferlegten Abschiebungsverbot sei Luxemburg in Europa die Ausnahme, meinte Asselborn. Niemanden abzuschieben bedeute im Umkehrschluss aber nicht, dass alle Afghanen automatisch als Flüchtling anerkannt werden. Unter den Asylbewerbern seien auch Afghanen, die nicht in Afghanistan gelebt haben, gibt er zu bedenken. Auch sei es falsch zu meinen, die Familienzusammenführung führe automatisch zum Flüchtlingsstatut. „Das ist in keinem europäischen Land der Fall, auch nicht in Luxemburg. Aber wir tun alles, was wir können, um wenigstens den Afghanen, die hier leben, ein neues Leben zu ermöglichen.“
Vergangenes Jahr hat die Immigrationsbehörde insgesamt 1.473 Entscheidungen getroffen. 754 Personen wurden als Flüchtling anerkannt, 144 erhielten das Subsidiarstatut, 275 Asylanträge wurden abgelehnt – die 36 aufgehobenen Ablehnungen abgerechnet, bleiben noch 239 Ablehnungen.
In 222 Fällen handelte es sich um so genannte „Dubliner“, die zuvor bereits einen Antrag in einem anderen EU-Land gestellt hatten, 122 von ihnen wurden gemäß den Regeln des DublinIII-Abkommens in diese Länder zurückgeschickt: jeweils 28 nach Deutschland und Frankreich, 19 nach Belgien, 15 in die Niederlande und 14 nach Italien. Luxemburg hat seinerseits 54 „Dubliner“ aufgenommen, die in einem weiteren EU-Land einen zweiten Antrag gestellt hatten.
Sorgen bereitet dem Immigrationsminister die Lage der minderjährigen Flüchtlinge, die ohne erwachsene Begleitung ankommen und um Asyl bitten. Im vergangen Jahr haben 56 Minderjährige einen Antrag gestellt – mehr als in den Jahren zuvor. Sie kommen mehrheitlich aus Afghanistan, gefolgt von Eritrea und Syrien.
Innereuropäische Migration
Luxemburg hat 28 Flüchtlinge anerkannt, die laut dem Dublin-Abkommen nach Griechenland zurückgebracht hätten werden müssen. 2020 hatte Luxemburg 130 Menschen aus Griechenland aufgenommen. Die innereuropäische Migration sei ein großes Problem, sagte Asselborn. „Weil manche Länder ihre Türen geschlossen halten, haben andere Länder eine größere Migrationslast zu tragen. Es ist nicht normal, dass die EU es nicht schafft, eine gemeinsame Lösung zu finden, an die sich jedes Land hält und bei der jedes Land seine Verantwortung übernimmt.“
2021 waren insgesamt 231 Personen – ausschließlich Männer – im „Centre de rétention“ auf Findel. Aktuell befinden sich dort 34 Personen. Die Aufenthaltsdauer betrug im Schnitt 45 Tage.
In der „Structure d'hébergement d'urgence Kirchberg“ – kurz SHUK – werden Asylbewerber vor ihrer Ausweisung vorübergehend untergebracht. Dort befinden sich aktuell 74 Personen. Im „Centre de rétention“ und in der SHUK wurden Quarantänestationen eingerichtet, um die Verbreitung des Corona-Virus zu begrenzen. In Monnerich wurde 2020 ebenfalls eine Quarantänestation eingerichtet, wo Flüchtlinge nach ihrer Ankunft sieben Tage lang untergebracht werden.
2021 wurden in den Strukturen 441 Asylbewerber positiv getestet. „Wir hatten zum Glück keine Todesfälle und auch keine schweren Krankheitsverläufe“, so Asselborn.
„Angesichts der weltweiten Krisenlage ist nicht davon auszugehen, dass die Zahl der Asylbewerber in Luxemburg abnehmen wird“, meinte Asselborn. Um diese Herausforderung zu bewältigen, wird das Immigrationsministerium zusammen mit dem Syvicol und dem Innenministerium eine Initiative bei den Gemeinden starten, damit sie weitere Unterkünfte für Flüchtlinge beziehungsweise Flächen zur Verfügung stellen, auf denen der Staat neue Unterkünfte baut, um so die bestehenden Strukturen zu entlasten. Derzeit sind 85 Prozent der 4 .168 Betten in den 54 Flüchtlingsstrukturen belegt.
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