Loslassen
Loslassen
Zu kurz oder noch zu lang, zivilisiert oder beängstigend, organisiert oder doch chaotisch, passend oder unbefriedigend? Vielleicht ist es das Beste, die Bilanz der Referendumskampagne noch vor der Bekanntgabe der Resultate zu ziehen. Denn die Absicht der Dreierkoalition bei ihrem Antritt Ende 2013 beschränkte sich nicht auf die Einberufung dieser Volksbefragung. Sie zielte vielmehr auf eine allgemein verstärkte Bürgerbeteiligung im politischen Geschehen ab.
Auch schon vorm Sonntagabend kann man festhalten, dass eine wirkliche Einbindung der Bevölkerung in den politischen Prozess nur unzureichend erreicht wurde. Das morgige Referendum bleibt zu sehr ein parteipolitisches Intermezzo. Die Koalition hat die Fragen aus parteipolitischen Gründen zurück behalten, die Opposition spricht sich, mit Ausnahme von Déi Lénk, gegen die Vorschläge aus. Auf jeder Seite wurde zwar Stellung genommen, ein wirklicher Austausch von Argumenten fand jedoch nicht statt.
Die Erbsünde dieser Volksbefragung blieb somit über die langen Monate der Debatte unüberwindbar. Dies belegt die Omnipräsenz der „Dreimal Ja“- und der „Dreimal Nein“-Diskurse.
Luxemburg bleibt demnach sehr weit vom Schweizer Modell entfernt. In Bern liegt die Initiative für eine Volksbefragung nicht beim Bundesrat. Und in der Konkordanzdemokratie helvetischer Prägung, in der alle Parteien in der Regierung vertreten sind, kann ein Regierungschef, den es in der Form gar nicht gibt, auch nicht über ein Referendum fallen.
Wahre Bürgerbeteiligung geht über ein Ja oder Nein hinaus.“¶
Xavier Bettels Regierung war dabei mit hehren Vorsätzen in das Projekt „Bürgerbeteiligung“ gestartet. Für das Frühjahr 2014 waren „Bürgerforen“ angekündigt worden, welche eine breite Debatte über die zur Frage gestellten Themen einleiten sollten.
Doch im Endeffekt scheiterte die Dreierkoalition an der vielleicht schwierigsten politischen Hürde: dem Loslassen. Womit die progressiven Reformer schlussendlich bekannten, dass sie den, in ihren Augen, intransparenten Konservativen von der CSV doch nur allzu ähnlich sind.
Wahre Bürgerbeteiligung kann nicht mit einem „Ja“ oder „Nein“ abgehandelt werden. Die Politik kann sicher Themen vorgeben. Aber spätestens bei der Ausformulierung der zu stellenden Fragen sollte sie bereit sein, ihre Macht mit den Bürgern zumindest zu teilen. Wenn dies den Parteien jedoch – über Lippenbekenntnisse hinaus – leichter fallen würde, wäre die 2003 vom Staatsrat abgewürgte Vorlage zu einer Volksinitiative für Gesetzesänderungen wohl schon lange wieder aufgegriffen worden.
Man kann natürlich entgegnen, es fehle Luxemburg lediglich an Erfahrung, und für einen ersten Versuch wäre die Referendumsdebatte doch schon ganz ergiebig gewesen. Nur, die letzte Volksbefragung liegt gerade mal zehn Jahre zurück. Und schon damals war das Fazit, dass auch außerparlamentarische Kräfte über Foren verfügen müssten, in welchen sie sich einbringen könnten.
Ein guter Vorsatz, der schnell vergessen wurde. So wurde das Parlament mit der Kampagne beauftragt, obwohl dieses eigentlich nur nach Parteienlogik funktionieren kann.
Ob die Volksbefragungen von 2015 als Anfang einer Referendumskultur in Luxemburg in die Geschichte eingehen werden, ist somit eher zu bezweifeln. Eines aber ist sicher: Man kann es besser machen.
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