Langeweile erwünscht
Langeweile erwünscht
Morgens, 6 Uhr in Luxemburg: Der Wecker klingelt. Dann muss es schnell gehen: Duschen, anziehen, frühstücken, um 7 müssen alle aus dem Haus sein, die Kinder in die Crèche, die Maison relais oder die Schule, die Eltern zur Arbeit. Der Tag ist durchgetaktet, Zeit für gemeinsame Stunden bleibt kaum.
Der Alltag vieler Familien ist heftig, besonders für die Heranwachsenden. Sie haben keine Wahl, die Eltern geben den Rhythmus vor. Aber auch die Erwachsenen haben vielfach keine Wahl, müssen zu zweit berufstätig sein, um die hohen Lebenshaltungskosten, wovon die Finanzierung des Wohnens den Löwenanteil ausmacht, zu stemmen.
Die Kinder im Hamsterrad der Eltern
Die Kinder werden nicht gefragt, müssen im Hamsterrad der Eltern mitrennen. Die Erwachsenen, im Glauben, für die Kinder nur das Beste zu tun, arbeiten sich krumm und haben am Ende für sie kaum Zeit. Ein Teufelskreis!
Hinzu kommt, dass viele Mütter und Väter, weil sie es besonders gut machen wollen, die wenige Freizeit, die ihren Kindern noch bleibt, mit Aktivitäten vollpacken: dienstags nachmittags Musikunterricht, donnerstags nachmittags Sport und samstags Pfadfinder. Und sonntags werden die intellektuellen Fähigkeiten der Kiddies mit pädagogisch wertvollen Spielen auf dem Tablet gefördert, damit ihre Leistungskurve bis Wochenbeginn nicht absackt.
Keine Zeit für Langeweile
Den Mädchen und Jungen bleibt keine Zeit mehr, sich zu langweilen. Dabei ist gewusst, dass Langeweile ein wichtiger Faktor bei der kindlichen Entwicklung ist.
Durch die Dauerbespaßung kommen viele Kinder leider nie in die Lage, sich selbst beschäftigen und Ideen zum Spielen entwickeln zu müssen. Statt für die Kinder stets nur das vermeintlich Beste und möglichst viel von allem in kürzester Zeit zu wollen, müssen Eltern wieder lernen, ihnen Freiräume zuzugestehen und Langeweile zuzulassen, wenn nicht gar zu fördern.
Heute ist Unicef-Weltkindertag. Statt durch das Leben zu hetzen, die eigenen Kinder wie kleine Erwachsene zu behandeln und ihnen immer mehr abzuverlangen, sollten Mütter und Väter einmal innehalten, sich mit ihnen zusammensetzen, sie nach ihrem Wohlergehen und ihren Wünschen fragen und ... ihnen zuhören.
Und was die Familie im kleinen Kreis kann, sollte für die Politik Ansporn sein, es ihr gleichzutun, nur eben auf nationaler Ebene. Für eine Regierung, die sich Offenheit, Transparenz und partizipative Demokratie auf die Fahne und „L'enfant au centre des préoccupations“ ins Koalitionsabkommen geschrieben hat, könnte der Zeitpunkt nicht besser sein, um sich bei den Kindern zu erkundigen, was sie denn eigentlich wollen. Unicef Deutschland hat es vorgemacht und zum 30. Jubiläum der UN-Kinderrechtekonvention 12 000 Jungen und Mädchen befragt.
Umfrage erwünscht
Man darf gespannt sein, wie die blau-grün-rote luxemburgische Regierung weiter mit dem Thema „Kind sein“ umgeht. Eine Umfrage bei den Kindern drängt sich angesichts der immer schnelllebiger werdenden Zeit auf.
Schön, wenn die Ergebnisse für den 20. November 2020 vorlägen! Und wenn man dann wüsste, dass sich die Kinder endlich wieder mal langweilen wollen ...
Kontakt: claude.feyereisen@wort.lu

