Kontroverse Meinungen zur französischen Alphabetisierung
Kontroverse Meinungen zur französischen Alphabetisierung
In Luxemburg sind die schulischen Ungleichheiten besonders stark ausgeprägt. Kinder von Eltern, die Luxemburgisch oder Deutsch sprechen, einen hohen sozio-ökonomischen Status haben und ihre Kinder bei der Bewältigung der Schule unterstützen, haben einen großen Vorteil gegenüber sozial und sprachlich benachteiligten Schülern. Das ist alles seit vielen Jahren bekannt und war Thema einer Interpellation von Déi Lénk am Mittwoch im Parlament.
Bildungsminister Claude Meisch (DP) sowie DP-Sprecher Claude Lamberty waren bemüht, die liberale Bildungspolitik der vergangenen neun Jahre als Erfolgsstory zu verkaufen, allerdings fehlt bis dato der Beweis, dass sich die Bildungsschere auch nur ein bisschen geschlossen hätte. Dem jüngsten Bildungsbericht ist jedenfalls keine Besserung zu entnehmen, wie Myriam Cecchetti von Déi Lénk durchblicken ließ. „Die vielen Reformen von Minister Meisch haben grundsätzlich nichts an der fundamentalen Ungerechtigkeit unseres Schulsystems geändert“, so Cecchetti. Daran werde auch die geplante Schulpflichtverlängerung bis 18 Jahre nichts ändern.
Déi Lénk forderten als Maßnahme gegen Chancenungleichheit nichts Minderes als einen grundlegenden Umbau des Schulsystems: eine Gesamtschule (Tronc commun), in der die Schüler bis zum Ende des Schulpflichtalters zusammen bleiben, ohne Hierarchisierung von Laufbahnen.
Um Ungleichheiten aus dem Weg zu räumen, setzt Claude Meisch unter anderem auf das Angebot einer französischen Alphabetisierung, die Einführung der kostenlosen Kinderbetreuung und der kostenlosen Hausaufgabenhilfe ab diesem Herbst.
Nicht alle sind von der französischen Alphabetisierung überzeugt. „Übers Knie gebrochen und nicht ausreichend erforscht“, meinte Myriam Cecchetti. Martine Hansen (CSV) forderte eine unabhängige wissenschaftliche Begleitung des Pilotprojekts und bemängelte, dass erfolgreiche Forschungsprojekte im Bereich des Sprachenlernens wie das von Forschern der Uni Luxemburg erarbeitete LALA-Programm vom Bildungsministerium letzten Endes nicht umgesetzt werden. Claude Meisch reagierte darauf mit der Aussage, das Programm im C1 heiße vielleicht anders, sei aber inhaltlich dasselbe.
Für Fred Keup (ADR) ist die französische Alphabetisierung der falsche Weg. Er meinte, man sollte ab frühestem Alter die luxemburgische Sprache fördern, damit die Kinder unter gleichen Voraussetzungen auf Deutsch alphabetisiert werden können.
Sven Clement (Piraten) sprach sich unterdessen dafür aus, die Alphabetisierung in mehreren Sprachen anzubieten, gekoppelt an eine Mischung der Schüler in anderen Fächern, damit sie sich untereinander austauschen.
Josée Lorsché (Déi Gréng) unterstützte das Projekt der französischen Alphabetisierung, machte aber deutlich, dass die deutsche Alphabetisierung wegen ihrer Phonem-Graphem-Korrespondenz zu bevorzugen sei und regte an, im frühkindlichen Alter von der Förderung der französischen auf die deutsche Sprache kategorisch umzusteuern. Die Forschung der Uni Luxemburg zeige in diese Richtung.
Déi Lénk, die CSV und die LSAP machten überdies darauf aufmerksam, dass Schüler aus gut situierten Familien selbst bei der Orientierung ins Secondaire bevorteilt werden. Laut dem jüngsten Bildungsbericht werden sie vor allem ins Classique orientiert (72 Prozent, 2019/20), auch wenn ihre Noten diesen Schritt nicht rechtfertigen, während sozial benachteiligte Schüler vorzugsweise ins Général orientiert werden und nur ein geringer Anteil (16 Prozent) ins Classique. „Das ist eine inakzeptable Diskriminierung und ich habe noch nicht gehört, wie die Regierung dagegen vorgehen möchte“, sagte Francine Closener (LSAP).
Claude Meisch ging in seiner Intervention nicht darauf ein. Seiner Ansicht nach ist das Mitspracherecht der Eltern bei der Orientierung von Erfolg gekrönt, da viel weniger Schüler ins Préparatoire orientiert würden.
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