Kommentar zur Bettels Rede: Finanzsanierung auf dem Buckel der Grenzgänger?
von Marc Thill
Die Regierung will die Finanzen wieder in die Balance bringen. Das sollte auch ihre Aufgabe sein! Allerdings wird man nach der Ansprache des Premierministers den Eindruck nicht los, als ob dies größtenteils nur über die Familienpolitik erreicht werden soll. Der Premier hat die Familienpolitik am ausführlichsten kommentiert, wohlwissend dass dies die Luxemburger wahrscheinlich auch am meisten interessiert. Mit weniger Geld, bessere Resultate als bisher, so das Credo des Premierministers.
Wer sagt denn, dass das Kita-Modell das richtige ist?
Die Regierung will ganz gezielt ihre Schwerpunkte in der Familienpolitik setzen und schreibt auch indirekt vor, wie in Zukunft eine Familie zu funktionieren hat. Von ihrer Familienpolitik werden nur die Familien profitieren, die das tun, was sich die bevormundende Regierung wünscht. Dabei wird viel auf die Rechte der Eltern gepocht, vor allem der Frauen, was man auch durchaus begrüßen darf, wenig wird aber auf die Rechte der Kinder geschaut. Was ist das Beste für die Kinder? Und wer darf behaupten, dass das Kita-Modell das einzig richtige ist?
Etliche Eltern sind absolut nicht mit diesem Modell einverstanden und wollen ihre Kinder keineswegs während zwölf Stunden am Tag in eine Kinderkrippe und in eine Schulkantine stecken. Diese Eltern aber werden die 30 wöchentlichen Stunden, die die Regierung ihren Kindern im Alter von 1 bis 3 Jahren gratis in einer Kindertagesstätte zur Verfügung stellen will, nicht in Anspruch nehmen. Doch müssen auch diese so genannten "anderen" Eltern die 0,5 Prozent Bildungsabgabe zahlen, die zur Finanzierung der Gratis-Kindertagesstätte erhoben werden. Wir alle werden übrigens dies ab dem 1. Januar 2015 tun müssen, wobei aber noch nicht gewusst ist, wann die Gratis-Kindertagesstätte mit der geplanten Sprachförderung zwecks beserer Integration der Kinder überhaupt stattfinden kann.
Man kann die Politik der Regierung teilen oder auch nicht. Was man aber keineswegs akzeptieren sollte, ist, wie diese Regierung - ähnlich wie die vorherige - die Staatsfinanzen auf dem Buckel der Grenzgänger sanieren will. Von den Pendlern werden wohl nur die allerwenigsten die Gratis-Kindertagesstätte für ihre Kinder beanspruchen wollen und können. Sie werden aber auch die 0,5 Prozent Bildungssteuer abgeben müssen. Werden die Pendlerkinder überhaupt in den Luxemburger Kindertagesstätten erwünscht sein? Wird man sie auch dort mit der Luxemburger Sprache konfrontieren wollen, wohlwissend dass sie außerhalb des Landes wohnen? Und was sagen die vielen Luxemburger dazu, die wegen des Wohnungsbau-Fiaskos jenseits der Grenze wohnen, hier aber arbeiten, hier auch ihre Abgaben zahlen?
In anderen Worten: Pendler bekommen – wie auch die Ansässigen – weniger Kindergeld. Sie zahlen die Bildungssteuer. Ob sie aber Zugang auf die 30 Stunden Gratis-Kinderbetreuung bekommen werden? Ist das gerecht? Soll das in Zukunft das Luxemburger Wirtschaftsmodell sein? Soll das die faire Sparpolitik der Regierung sein? Das erinnert irgendwie an die Studienbeihilfen, die die CSV-LSAP-Regierung in die Wege leiten wollte und die vor den Gerichtsinstanzen endete.
Abwälzen auf die Grenzgänger
Noch ein letztes Wort zu den Kindertagesstätten: Wenn dort die Sprachförderung stattfinden soll, dann müssen diese Kinderheime auf Luxemburger Personal umwechseln. In vielen Kindertagesstätten arbeiten derzeit auch wiederum viele Grenzgänger. Oder wird zusätzliches luxemburgisches Lehrpersonal dort angeheuert? Viele Fragen, die noch offen sind.
