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Kinder sollen bereits ab 13 Jahren als strafmündig gelten
Politik 4 Min. 10.02.2023
Jugendstrafrecht

Kinder sollen bereits ab 13 Jahren als strafmündig gelten

Stehen unter Zeitdruck: Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) und Erziehungsminister Claude Meisch (DP, im Bild neben der ehemaligen Präsidentin des UN-Kinderrechtskomitees, Renate Winter) haben ihre Jugendschutzreform überarbeitet.
Jugendstrafrecht

Kinder sollen bereits ab 13 Jahren als strafmündig gelten

Stehen unter Zeitdruck: Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) und Erziehungsminister Claude Meisch (DP, im Bild neben der ehemaligen Präsidentin des UN-Kinderrechtskomitees, Renate Winter) haben ihre Jugendschutzreform überarbeitet.
Foto: Anouk Antony
Politik 4 Min. 10.02.2023
Jugendstrafrecht

Kinder sollen bereits ab 13 Jahren als strafmündig gelten

Annette WELSCH
Annette WELSCH
Mehrere Änderungsanträge zur Jugendschutzreform gingen am Mittwoch diskret durch den Ministerrat.

Es bleibt Bewegung im Dossier Jugendschutzreform. Nach Informationen des „Luxemburger Wort“ hat sich der Ministerrat am vergangenen Mittwoch auch mit dem Dreier-Textespaket beschäftigt und Änderungen gebilligt. Öffentlich mitgeteilt wurden sie nicht. Die Änderungsanträge, die jetzt von den beiden zuständigen Ministerien eingebracht werden, sollen wohl eher diskret Anfang nächster Woche zu den jeweiligen Gesetzesprojekten 7991, 7992 und 7994 auf der Chamberseite hinzugefügt werden.   


Lokales, Interview Simone Flammang, Kritik der Generalstaatsanwaltschaft zu Jungendschutzreform, Tribunal de la Jeunesse, Foto: Chris Karaba/Luxemburger Wort
Justizbehörden kritisieren Jugendschutzreform scharf
„Die Leidtragenden sind die Kinder und Jugendlichen“, so die erste Generalstaatsanwältin Simone Flammang. Die Reform sei keine Verbesserung.

Bekanntlich regt sich gegen die gemeinsame Initiative von Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) und Bildungs-, sowie Kinder- und Jugendminister Claude Meisch (DP), den Jugendschutz und das Jugendstrafrecht zu trennen und einzeln gesetzlich zu regeln, seit Monaten heftiger Widerstand. Vor allem aus den Reihen der Justiz, denn künftig sollen die Kompetenzen dafür zwischen dem Office National de l‘Enfance (ONE) und der Staatsanwaltschaft klar aufgeteilt werden. Der Jugendschutz, der bislang zum größten Teil von der Justiz geleistet wurde, soll weitgehend an das ONE abgegeben werden.

Kinderrechtskomitee empfiehlt 14 Jahre

Einer der Kernpunkte der Reform ist, dass erstmals ein Strafmündigkeitsalter festgelegt wird, wozu Luxemburg von internationaler Seite bereits oft aufgefordert wurde. In Anlehnung an die Empfehlung des UN-Kinderrechtsausschusses und an die Praxis in vielen EU-Ländern sollte es ursprünglich auf 14 Jahre festgelegt werden - und keinesfalls darunter. Immerhin geht es um die schwierige Frage, ab wann ein Kind die Fähigkeit hat, einzusehen, dass es ein Unrecht, eine strafbare Handlung begangen hat. 


Wirtschaft, Cannabis, PK, Sam Tanson, Foto: Anouk Antony/Luxemburger Wort
Ministerin Tanson reagiert auf scharfe Kritik der Justiz
Im Interview verteidigt Justizministerin Sam Tanson die geplante Jugendschutzreform. In einzelnen Punkten soll aber nachgebessert werden.

Der mit viel Nachdruck vorgetragenen Forderung seitens der Justiz nach einer niedrigeren Altersgrenze kommt die Regierung nun entgegen: Die volle Strafmündigkeit soll nach „Wort“-Informationen bereits bei 13 Jahren angesetzt werden. Luxemburg würde sich so in der EU eher in die Reihen der Hardliner einfügen. In Deutschland liegt das Strafmündigkeitsalter bei 14, in Frankreich bei 13, in Bulgarien bei 18, in Dänemark und Finnland bei 15 Jahren. 

Kinder unter 13, die straffällig werden, sollen vom ONE begleitet werden und Hilfen erhalten. Diejenigen, die vor dem Jugendstrafgericht landen, also die über 13-Jährigen, werden weiterhin vom Scas (Service central d'assistance sociale der Staatsanwaltschaft, A.d.R.) begleitet. Man kann gespannt sein, was der Staatsrat in seinem Gutachten dazu sagen wird, angesichts der Genfer Empfehlung zu einer Altersuntergrenze von 14 Jahren. Auch der Ombudsman fir Kanner a Jugendlecher (Okaju) hat bislang noch kein Gutachten vorgelegt, allerdings hatte sich Charel Schmit in der Vergangenheit schon kritisch gegenüber einem Strafmündigkeitsalter von 14 Jahren geäußert. Der Zeitplan, das Paket noch diese Legislatur zu verabschieden, ist angesichts der Komplexität und der politischen Brisanz denkbar eng.

Enger Zeitplan


IPO , Uni.lu , ITV Prof Stefan Braum , Jugendschutzgesetz , Foto;Guy Jallay/Luxemburger Wort
„Repressionen sind bei Jugendlichen kontraproduktiv"
Strafrechtsprofessor Stefan Braum erklärt das geplante Jugendstrafrecht und warum die Justiz Widerstand leistet.

Der Präsident des Justizausschusses, Charles Margue (Déi Gréng), bestätigte die Änderung am Freitag: „Es wird auf 13 Jahre festgesetzt, weil das auch die Altersgrenze beim Wechsel von der Primärschule auf die Sekundarstufe ist. Für mich ist das insofern nachvollziehbar“, erklärte er. Nicht zur Disposition stehe derweil die Regelung, dass junge Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren flexibel, je nach Reife und Einsichtsvermögen, ebenfalls nach dem Jugendstrafrecht behandelt werden können. „Frankreich zieht hier eine klare Grenze bei 18 Jahren, ab wann Jugendliche nach Erwachsenenstrafrecht beurteilt werden. Das wollen wir nicht.“ 

Noch in weiteren Punkten kommt die Regierung den Forderungen der Justiz entgegen. „Die Rollen, die der Scas und das ONE spielen sollen, werden präzisiert, zudem die Übergänge sowie die Teilung und die Einsicht in Akten vereinfacht“, betonte Margue. Personen mit Sorgerecht sollen stets Zugang zu ihrer ONE-Akte bekommen und können zudem darüber hinaus Dritte (Anwälte) zum Zugang ermächtigen. 

Margue unterstrich jedoch zugleich: „Das ONE bekommt keine Aufgaben entzogen.“ Es sei eine Instanz nach dem Vorbild der Jugendämter in Deutschland und agiere eigenständig. „Sie evaluieren ihre Arbeit selber und bewerten, ob die Maßnahmen gegriffen haben. Gestrichen wurde zudem, dass man Einspruch vor dem Verwaltungsgericht einlegen kann.“ Daneben soll es eine klarere (Gewalten-)Trennung zwischen den Befugnissen der Rechtsprechung und des Ministeriums geben.

Frankreich zieht eine klare Grenze bei 18 Jahren, ab wann Jugendliche nach Erwachsenenstrafrecht beurteilt werden. Das wollen wir nicht.“

Charles Margue, Abgeordneter von Déi Gréng, Präsident der Justizkommission

Weitere Änderungsanträge im Entwurf zur Kinder- und Familienhilfe des Erziehungsministeriums betreffen die bislang vorgesehene Commission de recueil des informations préoccupantes (Crip), die gemeldete Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdungen und Verstöße gegen den Jugendschutz analysiert und auswertet. Sie wird umgebaut: Die Kommission entfällt, gegen die Kritik laut wurde, sie sei zu schwerfällig. Stattdessen soll ein Rund-um-die-Uhr-Service beim ONE eingerichtet werden, der alle Verdachtsmeldungen auf Kindeswohlgefährdung an die Jugendstaatsanwaltschaft weiterleitet. 

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