Kekse vom Papst
Kekse vom Papst
(KNA) - Das muss man sich erst mal trauen: Vor dem Papst und gut 180 katholischen Bischöfen zu sagen, dass man eigentlich am Anfang seiner Ehe nur Sex im Kopf hatte. Ron und Mavis Pirola, ein katholisches Ehepaar aus Sydney, haben sich getraut - und die Weltbischofssynode über Ehe und Familie hörte zu. Der Vatikan veröffentlichte ihre Stellungnahme (in der es freilich hauptsächlich um Homosexualität ging) sogar im Wortlaut.
Nur ein Beispiel für eine "neue Offenheit", die nach Aussage vieler Teilnehmer und Beobachter bei der Synode herrscht. Jeder solle sagen, was er fühlt und denkt, hatte Franziskus den Teilnehmern zu Beginn der Arbeitssitzungen nochmals eingeschärft.
Auch sonst macht sich in den ersten Tagen der Synode ein neuer Geist bemerkbar: Latein wurde als eine offizielle Sprache der Synode abgeschafft; das vatikanische Presseamt twittert Inhalte der Beratungen; die Teilnehmer selbst allerdings dürfen keine Kurzbotschaften aus der Synodenaula versenden. Das Grundsatzreferat zu Beginn der Synode, das bislang eine der letzten Bastionen des gesprochenen Latein im Vatikan war, hielt Kardinal Peter Erdö diesmal auf Italienisch. Das habe der Papst so entschieden.
Keine "Vorlesung auf Latein", dafür Twitter-Botschaften
Die eineinhalbstündige "Vorlesung auf Latein", die es früher gegeben habe, sei "für alle" nicht leicht gewesen, erläuterte Erdö den Schritt. Den Bedarf an Kopfhörern für die Simultanübersetzung reduzierte dies erheblich. Freilich hatte die gänzliche Abschaffung des Lateinischen mehr symbolische Bedeutung: Gesprochen wurde die Sprache Julius Cäsars ohnehin allenfalls nur noch in kleinen Sprachzirkeln.
Franziskus habe darauf hingewiesen, alle könnten frei reden, "ohne dass ihnen gleich Kardinal Müller auf den Leib rückt."
Die Twitter-Botschaften über die Bischofssynode finden offenbar große Resonanz: 300.000 "Interaktionen" hat die Twitter-Adresse @HolySeePress am Dienstag (7.10.) verzeichnet. Dazu zählen etwa Retweets, Kommentare etc. Der Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, Bernd Hagenkord, spricht von einem "gelungenen Experiment".
Und was macht der Papst während der Synode? Er hört zu, schweigt und macht sich Notizen, wie anwesende Beobachter berichten. Oder er verteilt, wie am Dienstag, eine Art argentinische Prinzenrolle unter den Sitzungsleitern. Die Schokoladenkekse sollen sehr gut angekommen sein, ist zu hören. "Extremly good", habe der Manilas Kardinal Luis Antonio Tagle die unverhoffte Kalorienzufuhr gefunden.
Eher verdutzt hingegen war der Schweizergardist, dem Franziskus am Montag vor dem Eingang zur Synodenaula zum Gruß die Hand reichte, während der Rekrut artig salutierte. Er war wohl der einzige Synodenteilnehmer, der den Gardisten an diesem Tag persönlich begrüßte.
Witzeln über Kardinal Müller
Auch der Humor treibt ungewöhnliche Blüten: Der argentinische Erzbischof Viktor Manuel Fernandez scherzte am Mittwoch vor Journalisten im vatikanischen Presseamt, Franziskus habe darauf hingewiesen, alle könnten frei reden, "ohne dass ihnen gleich Kardinal Müller auf den Leib rückt". Solche Äußerungen über einen amtierenden Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation machten Bischöfe früher allenfalls hinter vorgehaltener Hand.
Freilich brauchen manche Veränderungen Zeit: Mit der freien Rede vor der Synode hapert es nach Aussage eines Beobachters noch etwas. Die Mehrheit der Bischöfe halte sich doch lieber an den vorbereiten schriftlichen Text, so ist zu hören. Und auch, dass ein Redner auf seine Vorredner eingeht, komme bislang nur in den allabendlichen freien Aussprachen vor.
Ungeachtet der allseits beschworenen neuen Offenheit: Über das, was während der Synode im Einzelnen gesagt wurde, erfährt die Öffentlichkeit weniger als bei früheren Synoden. Denn anders als früher macht das vatikanische Presseamt nur allgemeine Angaben zum Verlauf der Beratungen und zu Inhalten; Namen nennt es jedoch nicht. Und bislang sickerte auch weniger durch andere Kanäle in die Presse.
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