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Keine Spur von Kopernikus
Politik 2 Min. 18.11.2016 Aus unserem online-Archiv
Handelskammer zum Haushaltsentwurf 2017

Keine Spur von Kopernikus

Die Handelskammer hält die Haushaltsplanung der Regierung für zu optimistisch. Von ihren anfänglichen ehrgeizigen Zielen sei sie weit entfernt.
Handelskammer zum Haushaltsentwurf 2017

Keine Spur von Kopernikus

Die Handelskammer hält die Haushaltsplanung der Regierung für zu optimistisch. Von ihren anfänglichen ehrgeizigen Zielen sei sie weit entfernt.
Foto: Pierre Matgé
Politik 2 Min. 18.11.2016 Aus unserem online-Archiv
Handelskammer zum Haushaltsentwurf 2017

Keine Spur von Kopernikus

Michèle GANTENBEIN
Michèle GANTENBEIN
Die Handelskammer hat Zweifel an den optimistischen Wachstumsprognosen der Regierung, die dem Haushaltsentwurf 2017 und der mehrjährigen Finanzplanung bis 2020 zugrunde liegen. Von einem Budget der neuen Generation sei man meilenweit entfernt.

(mig) - Von der kopernikanischen Wende in der Haushaltspolitik, wie sie zu Beginn der Legislaturperiode von Finanzminister Pierre Gramegna angekündigt wurde, ist das Land weit entfernt. Das findet zumindest die Handelskammer, die bei einer Pressekonferenz am Freitag ihr Gutachten zum Budgetentwurf 2017 und zur mehrjährigen Haushaltsplanung (2016 bis 2020) vorstellte.

Ein Budget des quantitativen Wachstums

Im Zuge der Debatte über ein qualitatives Wachstum in Luxemburg und der kürzlich vorgestellten Rifkin-Strategie vermisst die Handelskammer eben diesen qualitativen Aspekt in der Haushaltsplanung der Regierung, "die auf sehr optimistischen Wachstumsprognosen beruht", so Carlo Thelen, Direktor der Handelskammer.

Die Handelskammer warnt vor diesen Prognosen (4,6 Prozent für 2017 und 4,9 Prozent für 2018), zumal die Wachstumsraten von 2015 und 2016 in der Zwischenzeit nach unten revidiert werden mussten. Zudem befürchtet die Chambre de commerce, dass die Regierung den finanziellen Impakt der Steuerreform unterschätzt.

Die Handelskammer geht in ihren eigenen, vorsichtigeren Berechnungen von einem geringeren Wachstum aus, ohne jedoch die drei-Prozent-Marke zu unterschreiten, sowie von höheren Steuerausfällen, und kommt bei der Besteuerung von Privatpersonen auf Mindereinnahmen von 750 Millionen Euro bis 2020.

Die Handelskammer stellt weiter fest, dass die geplanten Einsparungen dank des "Zukunftspak" langsam aber sicher dahinschmelzen. Statt der ursprünglich geplanten 1,5 Milliarden Euro würden bis zum Ende der Legislaturperiode lediglich noch 704 Millionen Euro eingespart. Die Berechnungen der Regierung bei der Betriebsbesteuerung hält die Handelskammer für realistisch. Der Impakt sei gering. Die Reformmaßnahmen führten weder zu Mehr- noch zu Mindereinnahmen, sondern kämen vielmehr einer Umverteilung gleich.

Investitionsausgaben gehen zurück

Laut der mehrjährigen Budgetplanung werden die öffentlichen Ausgaben in den kommenden Jahren weniger stark ansteigen. Doch die Handelskammer kann sich mit dieser eigentlich begrüßenswerten Nachricht nicht anfreunden, "weil der Rückgang zu Lasten der Investitionsausgaben geht", so Marc Wagener von der Chambre de commerce. "Machten die Investitionsausgaben bisher zehn Prozent der öffentlichen Ausgaben aus, so werden es 2020 nur noch 7,4 Prozent sein", meinte Wagener. Dabei sei es gerade mit Blick auf den 1,1-Millionen-Einwohnerstaat von größter Wichtigkeit, in die öffentlichen Infrastrukturen (Transport, Telekommunikation, Wohnungsbau, Bildung) zu investieren.

Finanzierung der Sozialsysteme

Die Handelskammer warnt des Weiteren vor langfristigen Finanzierungsproblemen bei den Sozialsystemen. Sie geht in ihren Berechnungen davon aus, dass die Reserven in zehn bis 15 Jahren aufgebraucht sein werden. Vor allem mit Blick auf ein späteres qualitatives statt quantitatives Wachstum müsste in diesem Bereich an Stellschrauben gedreht werden, so Carlo Thelen.

Die Finanzplanung der Regierung geht von einer Stabilisierung der Staatsschuld (23 Prozent der Wirtschaftsleistung) bis 2019 aus. Bei einem Wirtschaftswachstum von nur drei Prozent und mit einem doppelt so hohen finanziellen Impakt der Steuerreform läge die Staatsschuld Berechnungen der Handelskammer zufolge gefährlich nahe an der 30-Prozent-Grenze. Die Handelskammer bedauert, dass die Regierung die gute Konjunktur nicht nutzt, um die öffentlichen Schulden abzubauen.

Auch die Entscheidung der Regierung, ihr anfänglich ehrgeiziges Ziel von einem jährlichen mittelfristigen Haushaltsüberschuss von 0,5 Prozent des BIP zugunsten eines strukturellen Defizits von 0,5 Prozent aufzugeben, kann die Handelskammer nicht gutheißen. Sie hält an dem ehrgeizigen Ziel fest, zumal die Luxemburger Wirtschaft sehr anfällig für Schwankungen sei.     

Empfehlungen

In ihren Empfehlungen listet die Handelskammer Maßnahmen auf, die dem Staat zu Mehreinnahmen bzw. Minderausgaben von 587 Millionen Euro verhelfen sollen, um die Staatsschuld bis 2020 zu stabilisieren. Sie betreffen u.a. die Grundsteuer, die Personalrekrutierung beim Staat, die Anpassung der Renten und Pensionen an die Lohnentwicklung und die Militärausgaben.


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