Keine Energiewende ohne Fachkräfte
Keine Energiewende ohne Fachkräfte
Geht es nach dem Klima-Bürgerrat soll Strom bis 2030 zu 80 Prozent und bis 2040 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Eine andere Forderung: reparieren statt kaufen. Perfekt. Aber um das umzusetzen, braucht man Menschen, die etwas davon verstehen, sprich gut ausgebildete Handwerker. Genau da hat Luxemburg ein Problem.
Es gibt nicht genug gut ausgebildete Fachkräfte und das Land bildet auch nicht genügend Handwerker aus. Nach Ansicht des OGBL/SEW und der im Februar 2022 gegründeten Vereinigung Amelux (Association des maîtres d'enseignement Luxembourg) braucht die Berufsausbildung dringend ein besseres Image und das erreicht man nur über eine Aufwertung des Handwerks, sind OGBL-Präsidentin Nora Back und Amelux-Präsident Christian Turk überzeugt.
Beide finden, dass nicht genug über die Gründe für den Fachkräftemangel diskutiert wird. Und dass den Menschen nicht wirklich bewusst ist, was der Fachkräftemangel in Zeiten einer sich rasant ändernden Berufswelt bedeutet und wie die Energiewende zu schaffen sein soll, wenn nicht genügend Handwerker verfügbar sind, um Solaranlagen auf Dächer zu bauen, Wärmepumpen einzubauen, zu warten und zu reparieren oder Ladesäulen zu installieren.
Die Schüler haben sowieso schon Probleme und dann müssen sie auch noch eine Ausbildung machen, zu der sie keine Lust haben.
Christian Turk, Amelux-Präsident
Vor allem finden sie, dass seitens der Politik nichts getan wird, um die Situation zu verbessern. Gemeinsam machen sich der OGBL/SEW und Amelux für eine Aufwertung der Berufsausbildung stark.
Die Orientierung in die Berufsausbildung passiert nach wie vor überwiegend über den schulischen Misserfolg. Wer keine guten Noten hat, landet nach der 5e unweigerlich in der Berufsausbildung. „Sie haben keine Wahl“, sagte Christian Turk am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit dem OGBL/SEW. „Sie haben sowieso schon Probleme und dann müssen sie auch noch eine Ausbildung machen, zu der sie keine Lust haben.“ Das könne nicht der richtige Weg sein.
Turk ist der Ansicht, dass die Schüler bereits in der Grundschule mit Handwerksberufen in Kontakt kommen sollten, zum Beispiel über die freiwillige Teilnahme - an freien Nachmittagen - an Workshops, die von Lehrmeistern organisiert werden. „Auf diese Weise könnte man auch die Eltern erreichen“, ist Turk überzeugt. Wichtig sei, Schüler zu erreichen, die sich aus freiem Willen für eine Handwerkerausbildung entscheiden, das wirklich wollen, talentiert sind und von den Eltern in ihrer Entscheidung unterstützt werden.
Meisterbrief auf Bachelorniveau heben
Die Entscheidung lohne sich aber nur, wenn die Diplome im Handwerk aufgewertet werden. Amelux und OGBL/SEW schlagen deshalb vor, den Meisterbrief (Stufe 5 im europäischen Qualifikationsrahmen) - wie in vielen anderen Ländern auch – mit einem Bachelor (Stufe 6) gleichzustellen, „zumal die Anforderungen an einen Meister mit denen einer Bachelorausbildung vergleichbar sind“, so Turk.
Die DAP-Ausbildung soll um ein auf vier Jahre verlängert und mit einem Sekundarschulabschluss gleichgestellt werden, wobei die Schüler sich im ersten Jahr nicht sofort für einen bestimmten Beruf entscheiden müssen, sondern Praktika in unterschiedlichen Betrieben absolvieren und in der Schule verschiedene Berufsklassen besuchen sollen, „damit sie sich ein Bild machen können“, schlug Christian Turk vor. Auf diese Weise ließe sich auch die Schulabbrecherquote verringern.
Ein CCP-Abschluss ist keine Schande. Betriebe brauchen auch diese Fachkräfte.
Christian Turk
Für Schüler, die keinen Ausbildungsbetrieb finden, schlug Turk vor, Auffangklassen zu schaffen, in denen sie weiter unterrichtet werden, bis sie einen Betrieb gefunden haben. Heute würden sie ins Centre national de formation professionnelle continue (CNFPC) gelotst. „Dort werden aber nicht immer die Module angeboten, die sie brauchen. Die Schüler werden also im Regen stehen gelassen“, erklärte Amelux-Vizepräsident Serge Peiffer.
Bei alledem dürfe man aber die schwächeren Schüler nicht vergessen, meinte Turk. „Auch sie haben ihren Platz in der Berufsausbildung.“ Die CCP-Ausbildungen sollten dahingehend reformiert werden, „dass wenigstens ein Teil dieser Schüler Zugang zu einem DAP bekommt“, so Turk. „Ein CCP-Abschluss ist keine Schande“, fügte er hinzu. „Betriebe brauchen auch diese Fachkräfte.“
Schüler kaum mehr stressresistent
Neben der Verlängerung des DAP auf vier Jahre forderte Jules Barthel vom SEW, dass der „Projet intégré intermédiaire“ (PII) wieder obligatorisch werden sollte. In der Praxis ist er das eigentlich. Aber viele Schüler würden es ablehnen, den PII zu machen, weil sie, auch ohne ihn zu schaffen, bis zur Abschlussklasse weiterkommen. „Wir wollen, dass ein Weiterkommen nur mit einem geschafften Zwischenexamen möglich ist“, sagte Barthel. „Nicht, um den Schülern den Weg zu versperren, sondern damit sie wissen, wo sie stehen.“ Diese Zwischenetappe sei sehr wichtig, sagte Barthel, der in der Praxis beobachtet, dass Schüler dem Stress des Abschlussexamens (Projet intégré final, PIF) kaum mehr standhalten können, „weil sie in ihrer Laufbahn kaum Erfahrungen mit Stresssituationen machen“.
Die Technikerausbildung ist sehr theoretisch und passt besser ins Général.
Jules Barthel, OGBL/SEW
Techniker: Raus aus der Berufsausbildung
Barthel wiederholte eine langjährige SEW-Forderung, wonach die Technikerausbildung aus der Berufsausbildung herausgenommen und, wie vor der Reform 2008, wieder Teil des Enseignement secondaire général (ESG) werden sollte, „weil die Technikerausbildung sehr theoretisch ist und besser ins ESG passt“, so Barthel, wobei es dafür keiner Reform bedürfe. Es sei durchaus vorstellbar, das Abschlussexamen (PIF) in seiner bestehenden Form beizubehalten.
Ferner forderte Barthel eine Harmonisierung der Vergütung der Lehrlinge in den CCP- und den DAP-Ausbildungen. Je nach Ausbildung verdienten die Lehrlinge bis zu 30 Prozent mehr als andere.
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