Juncker, Thorning-Schmidt und Sikorski in der Verlosung
Juncker, Thorning-Schmidt und Sikorski in der Verlosung
(CBu) - Wenn Jean-Claude Juncker Kommissionspräsident wird, hätte dies auch Folgen für die Besetzung weiterer Spitzenposten in der EU, die im Laufe des Jahres frei werden. Laut Informationen des "Luxemburger Wort" haben sich einige Staats- und Regierungschefs schon über die großen Linien einer personellen Erneuerung in der EU verständigt. So könnte Juncker als neuer Chef der Kommission durch die Berufung von zwei neuen, auf dem EU-Parkett unverbrauchten Gesichtern "kompensiert" werden.
Demnach hat die sozialdemokratische dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt gute Chancen, Herman Van Rompuy als Ratspräsident zu beerben. Die 47-Jährige hat bisher europäische Ambitionen abgestritten, würde aber ziemlich genau ins Profil passen. In ihrem Heimatland regiert sie seit Anfang des Jahres in einer sozial-liberalen Minderheitsregierung.
Es gilt als äußerst unsicher, ob die wegen ihrer bewussten modischen Kleidung in den Medien als "Gucci-Helle" bekannte Politikerin, ihr Mandat bei den nächsten Wahlen verteidigen kann. Als Vertreterin eines Nicht-Euro-Landes wäre Thorning-Schmidt jedenfalls ein ideales Gegenwicht zu einem luxemburgischen "Mister-Euro" als Kommissionspräsidenten.
Brüsseler "Kompromiss-Variante"
Ein weiterer Spitzenposten, der bald frei wird, ist der des EU-Außenbeauftragten. Hier gilt der Pole Radoslaw Sikorski als Favorit, würde der anerkannte und weltweit bestens vernetzte Außenpolitiker doch auch das Kriterium des Vertreters eines östlichen, neueren Mitgliedstaates erfüllen. Die polnische Regierung hat entsprechende Forderungen bereits öffentlich formuliert. Sikorski war zunächst als parteiloser Politiker und gelernter Politologe Verteidigungsminister bevor er 2007 als Mitglied der liberalen polnischen Regierungspartei Außenminister wurde.
Das in Brüsseler Kreisen als "Kompromiss-Variante" gestreute Personalpaket erfüllt jedenfalls die groben Voraussetzungen, die an ein neues europäisches Dreigestirn gestellt werden: "Eine Frau und ein Vertreter der neueren Mitgliedsstaaten" - darauf läuft es laut einem Insider generell hinaus. Innerhalb der EU spielen allerdings noch weitere Kriterien eine Rolle. So wurde bisher immer das Gleichgewicht von integrationsfreundlichen und eher euroskeptischen Staaten bzw. Politikern gewahrt.
Der "Basar" ist eröffnet
Welcher Posten in diesem Szenario für Martin Schulz vorgesehen ist, ist noch nicht klar. Gut möglich ist, dass der unterlegene Spitzenkandidat sein Amt als Parlamentspräsident behalten will. Eher unwahrscheinlich erscheint dagegen, dass Schulz von der deutschen Bundesregierung als Kommissar vorgeschlagen wird. In Berlin regiert zwar eine große Koalition aus Christdemokraten und Sozialdemokraten, doch der bisherige deutsche Energiekommissar Günther Oettinger hat bereits bekräftigt, dass er sein Amt weiterführen will.
Viele Varianten und weiterhin viele offene Fragen. Auf dem Brüsseler Basar der Spitzenposten ist das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen. Bisher haben die Staats- und Regierungschefs die Top-Jobs unter sich ausgeklüngelt. Und trotz der aktuellen Diskussion über die Nominierung eines demokratisch legitimierten Kandidaten für den Posten des Kommissionspräsidenten wird dies zumindest für die beiden weiteren begehrten Stellen wieder der Fall sein. Bei bisherigen Postengeschachern in der EU waren jene Kandidaten, die als erste genannt wurden aber auch schon schnell wieder vom Tisch.
Eine Parallele gibt es allerdings schon: Auch bei der Nominierung von Herman Van Rompuy Ende 2009, als Juncker letztlich vom damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy für diesen Posten verhindert wurde, drohten die Briten implizit mit einem Austritt aus der EU. Das Ergebnis war damals: Van Rompuy wurde erster ständiger Präsident des Europäischen Rates und Großbritannien wurde mit dem Posten des EU-Außenbeauftragten vertröstet.
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