Jean Asselborn: In 105 Minuten um die Welt
Jean Asselborn: In 105 Minuten um die Welt
Es war die 13. außenpolitische Erklärung, die Minister Jean Asselborn im Parlament abgab. Und seine 105-minütige Rede fiel eher durchwachsen aus: Die weltweite politische Situation hat sich in den letzten zwölf Monaten nicht wirklich verbessert.
Das gilt auch für Europa. Asselborn ging vor allem auf die verfahrene Lage in Bezug auf den Brexit ein, wo sich knapp zwei Wochen vor dem geplanten Austritt Großbritanniens aus der EU immer noch keine Lösung abzeichnet.
Die Fronten im britischen Parlament sind verhärtet, so der luxemburgische Chefdiplomat am Mittwoch. Asselborn ging kurz auf die rezenten Entwicklungen ein: Am Dienstagabend hatte sich das britische Parlament erneut gegen den Brexit-Deal ausgesprochen. Premierministerin Theresa May musste einmal mehr eine krachende Niederlage einstecken.
Der luxemburgische Außenminister geht deshalb nicht davon aus, dass das Abkommen es durch das britische Parlament schaffen wird, obwohl die EU vor der Abstimmung in London in letzter Minute doch noch einige Zugeständnisse gemacht hatte. Nun liege das Schicksal Großbritanniens in den Händen des House of Commons, so der Minister.
Außenminister Jean Asselborn sprach sich gestern nicht grundsätzlich gegen eine mögliche Verlängerung des Stichdatums aus. Allerdings stellte er unmissverständlich klar, dass die Verschiebung nicht bedeutet, dass der Backstop noch einmal neu verhandelt wird. Er hofft, dass die beiden großen Parteien sich endlich aufeinander zubewegen und einen „leichteren“ Brexit anstreben, bei dem das Vereinigte Königreich weiter in der Zollunion bleibt. Der Brexit sei ein tiefgreifender Einschnitt in der europäischen Geschichte.
Obwohl es noch einen letzten Funken Hoffnung auf einen geregelten Austritt gibt, hat sich Luxemburg seit Monaten auf ein No-Deal vorbereitet. Asselborn wies darauf hin, dass beispielsweise für britische Bürger, die im Großherzogtum leben, eine Übergangsfrist bis zum 30. März 2020 gilt, um ihre Papiere in Ordnung zu bringen. Zudem versuche die Regierung, die Auswirkungen des Brexit auf die Betriebe möglichst gering zu halten.
Ein entscheidendes Jahr
Insgesamt habe die Europäische Union schon bessere Tage erlebt, erklärte der Außenminister weiter. Von innen setze der wieder erstarkte Populismus und die Europafeindlichkeit der Union zu. 2019 werde für die EU ein entscheidendes Jahr: "Bei den Wahlen vom 26. Mai geht es um die Zukunft der Europäischen Union", betonte Jean Asselborn im Parlament.
Der Chefdiplomat machte sich, wie in der Vergangenheit, auch diesmal für eine Stärkung des Multilateralismus stark. Deshalb bedauerte er auch, dass die Vereinigten Staaten sich unter Präsident Trump mehr und mehr isolieren. Trumps America-First-Doktrin habe in den letzten zwei Jahren deutliche Spuren hinterlassen, dies sowohl in Bezug auf den Klimaschutz als auch hinsichtlich der internationalen Sicherheit und des Friedensprozesses im Nahen Osten. „Das transatlantische Verhältnis steht vor neuen Herausforderungen. Dennoch sind die USA weiterhin ein unverzichtbarer Gesprächspartner“, so Asselborn.
Ganz besonders bedauerte er, dass die USA den INF-Vertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces) aufgekündigt haben. Europa, aber auch Luxemburg seien von dieser Entscheidung unmittelbar betroffen, weil die „kollektive Sicherheit“ auf dem Spiel stehe. Die EU müsse alles daran setzen, dass Washington und Moskau wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren.
Keine Entwarnung für Afrika
Angespannt bleibt auch die Lage in vielen afrikanischen Ländern. Es gibt aber auch einige Hoffnungsschimmer: Eritrea und Äthiopien haben sich nach 20 Jahren endlich wieder angenähert. Die Grenzen zwischen den beiden Nachbarländern sind wieder offen.
Doch solche Erfolgsmeldungen sind eher die Ausnahme, musste der Außenminister eingestehen. Denn nach wie vor treibt die wirtschaftliche Not und die Perspektivlosigkeit viele Menschen in die Flucht. In seiner Funktion als Immigrationsminister bedauerte Asselborn, dass Europa in der Migrationspolitik nach wie vor keinen gemeinsamen Nenner gefunden hat. Wenn die Zahl der Asylbewerber stark zurückgegangen ist, deutet dies nicht auf eine Verbesserung der Lage in den afrikanischen Ländern hin, sondern darauf, dass die EU immer mehr zur Festung wird, so der Minister, der sich erneut für eine legale Einwanderung samt Länderquoten aussprach. Asselborn bedauerte, dass die so dringend notwendige Reform des Dublin-Abkommens immer noch auf sich warten lässt.
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