Huch, das Volk!
Huch, das Volk!
(jag) - Die beispiellose Abfuhr des Wählers an die drei Referendumsfragen sorgt in der Tagespresse für eine gewisse Ratlosigkeit und unterschiedliche Interpretationen.
"Drei Fragen - drei rote Karten" titelt das "Luxemburger Wort", "Nein gewinnt. Luxemburg nicht", so die Überschrift im "Tageblatt", das "Lëtzebuerger Journal" meint "Nee! Nein! Non!" Der "Quotidien" spricht gar von einer "Claque", einer Ohrfeige also.
Für Robert Schneider im "Tageblatt" war das Referendum keine Abstimmung über die Regierungspolitik, deshalb seien Rücktrittsforderungen nicht angebracht.
"Und - auch dies ein positiver Schritt für das Land - es herrscht Konsens darüber, dass dem Demokratiedefizit, das wir haben, und der Tatsache, dass bald weniger als die Hälfte der Einwohner mitentscheiden dürfen, wer sie regiert, begegnet werden muss. Dies muss nun kurzfristig durch eine großzügige Erleichterung der Prozeduren zum Erlangen der doppelten Staatsbürgerschaft geschehen."
Auch Marc Schlammes sieht im "Luxemburger Wort" Rücktrittsforderungen nicht als Lösung. Der Wort-Journalist sieht keinen vertikalen, dafür aber einen horizontalen Spalt in der Gesellschaft: den zwischen der politischen und wirtschaftlichen Elite und dem Wahlvolk.
"So dass das Resultat einen großen Graben offenlegt: Da die breite Mehrheit der Luxemburger, die den Regierungsvorschlag mit Nein quittieren - dort Ja-sagende Entscheider aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Kultur, die sich seit gestern einem persönlichen Legitimationsproblem gegenüber sehen."
Von "Lektionen" spricht Claude Karger im "Lëtzebuerger Journal", Ängste hätten eine große Rolle gespielt. Zudem hätte der Wähler wohl vermutet, dass die ohnehin stark kritisierte Dreierkoalition mit ihren Fragen andere politische Ziele im Schilde führen würde. Ein Rücktritt sei kein Thema, sonst dürfte in Zukunft keine Regierung ein negatives Referendumsergebnis überleben.
"Die Referendumsfragen sind vielleicht vom Tisch, aber die Problematik beispielsweise der Legitimität eines von einer Minderheit der Bevölkerung gewählten Parlaments ist es mitnichten! Was in Umfragen auch eine Mehrheit denkt. Lösungen sind gefragt!"
Fabien Grasser spricht im "Le Quotidien" von einer Ohrfeige. In gewisser Weise habe der EU-Vorzeigekandidat Luxemburg jetzt seine Maske fallen gelassen. Die Illusion einer perfekten Harmonie sei dahin. CSV und ADR hätten dabei ganz auf die Karte des Spaltens und der Angst gesetzt. Man solle aber die Luxemburger nicht verdammen. In jedem anderen EU-Land wäre das Resultat das gleiche gewesen. Allerdings würde der Ausländeranteil hierzulande 46% betragen.
"Die Regierung bekommt die Rechnung", meint Jean-Claude Franck auf "Radio 100,7". Die Regierungsparteien täten so, als ob nicht viel passiert sei. Hinter verschlossenen Türen aber müssten sie sich eingestehen: Wir wurden vom Wähler zumindest teilweise abgestraft. Kommunikationspannen und eine Debatte, die nicht richtig geführt wurde sowie ein Parlament, das nicht einmal von der Hälfte der Bevölkerung getragen wird: Hier würden die wahren Probleme liegen. Aber auch eine CSV, die vor zwei Jahren das Ausländerwahlrecht noch selbst mittragen wollte, habe nicht kohärent gehandelt.
Sehr wenig Niederschlag fand das Referendum in der internationalen Presse. Unter anderem bringen "The Telegraph", "Libération" und "Le Soir" auf ihren Netzseiten kurze Artikel ohne Analyse.
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