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Hörgeschädigte kritisieren Minister Cahen und Meisch
Politik 2 Min. 10.12.2020 Aus unserem online-Archiv

Hörgeschädigte kritisieren Minister Cahen und Meisch

Die Gebärdensprachgemeinschaft beschwert sich in einem offenen Brief an die beiden Minister Cahen und Meisch, dass sie die Gehörlosen nicht konsultieren und nicht einbeziehen.

Hörgeschädigte kritisieren Minister Cahen und Meisch

Die Gebärdensprachgemeinschaft beschwert sich in einem offenen Brief an die beiden Minister Cahen und Meisch, dass sie die Gehörlosen nicht konsultieren und nicht einbeziehen.
Foto: Guy Jallay
Politik 2 Min. 10.12.2020 Aus unserem online-Archiv

Hörgeschädigte kritisieren Minister Cahen und Meisch

Michèle GANTENBEIN
Michèle GANTENBEIN
Die Gemeinschaft der Hörgeschädigten und Gebärdensprache beschwert sich in einem offenen Brief über die "gestörte Zusammenarbeit" mit der Regierung.

Es ist ein seltener Moment, denn die Vereinigungen, die sich für die Hörgeschädigten in Luxemburg einsetzen, sind sehr diskret und treten selten öffentlich in Erscheinung. Doch das ist nun anders. 


IPO , Gebärdendolmetscherinnen in der Coronakrise , Sras-CoV-2 , Covid-19 , Lynn Menster , Gebärdensprache , " Krise "  Foto:Guy Jallay/Luxemburger Wort
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Sie wenden sich in einem dreiseitigen offenen Brief an Familienministerin Corinne Cahen und Bildungsminister Claude Meisch (beide DP) und beklagen sich, dass „die gewünschte ambitionierte Zusammenarbeit mit Ihnen heute nicht mehr so gut funktioniert wie zu den Anfängen“. Die Kooperation lasse zu wünschen übrig und „der Unmut in der Gebärdensprachgemeinschaft wächst“. Angefangen habe alles mit der Einstellung eines Gebärdendolmetschers am Centre de logopédie

Immer mehr Entscheidungen in Bezug auf die Gehörlosen wurden getroffen, ohne dass die Gehörlosen selbst als Experten ihrer Lebenssituation konsultiert wurden.

Gebärdensprachgemeinschaft

Die Gebärdensprachgemeinschaft („Nëmme mat eis“, „Solidarität mit Hörgeschädigten“ und „Daaflux“) beklagt sich über mangelndes Mitspracherecht und mangelnde Mitbestimmung bei Dingen und Projekten, die sie betrifft. „Immer mehr Entscheidungen in Bezug auf die Gehörlosen wurden getroffen, ohne dass die Gehörlosen selbst als Experten ihrer Lebenssituation konsultiert wurden.“ 

Mangelnde Transparenz

Die Gemeinschaft beschwert sich auch über mangelnde Transparenz am Centre de logopédie, der einzigen auf hörgeschädigte Schüler spezialisierten Schule in Luxemburg. Informationen über Konzepte und Strategien bekomme man immer nur dann, „wenn bereits Entscheidungen getroffen wurden“. Die Gemeinschaft kann nicht verstehen, warum bei Entscheidungen keine gehörlosen Experten zurate gezogen werden. 

Auch sei unklar, welche der drei Anlaufstellen, bei denen ein Antrag auf einen Dolmetschereinsatz eingereicht werden kann, in welchen Fällen zuständig sei. Die Wege seien langwierig und ermüdend. Die Gemeinschaft wünscht sich einen einfachen und unbürokratischen Zugang zu Gebärdendolmetschern.

Sie werden niemals in der Lage sein, die unterschiedlichen Gefühle einzelner Behinderter aus eigener Erfahrung schildern zu können, oder die Empfindungen in der Gebärdensprachgemeinschaft wiederzugeben.

Gebärdensprachgemeinschaft

Die Gebärdensprachgemeinschaft kritisiert darüber hinaus, dass die Gehörlosen Dolmetscher für den alltäglichen Gebrauch nicht nach Belieben bestellen  können, seit diese am Centre de logopédie arbeiten und fordert eine Dolmetscherzentrale, also eine Anlaufstelle, die die Belange aller Gehörlosen koordiniert und die Dolmetscher verteilt. Ganz besonders verärgert sind die Vertreter der Gehörlosen, dass sie lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssten, bevor sie einen Dolmetscher zugestanden bekommen. „Wir müssen uns bei den Gebärdensprachdolmetschern anstellen – was bitte ist das?“, heißt es in dem Schreiben. „Dies entspricht nicht der UN-Behindertenrechtskonvention.“


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Gehörlose bei Gesprächen außen vor

Ferner wird den Ministern vorgeworfen, sich überwiegend mit den für die Regierung arbeitenden hörenden Gebärdensprachdolmetschern auszutauschen und die Gehörlosen außen vor zu lassen. Trotz einer fundierten universitären Ausbildung und einer hohen Sprachkompetenz in Gebärdensprache und in Lautsprache, steckten die hörenden Dolmetscher nicht in der Haut eines Gehörlosen: „Sie werden niemals in der Lage sein, die unterschiedlichen Gefühle einzelner Behinderter aus eigener Erfahrung schildern zu können, oder die Empfindungen in der Gebärdensprachgemeinschaft wiederzugeben“, heißt es in dem Schreiben. Außerdem stehe es den Betroffenen ganz einfach zu, für sich und ihre Gemeinschaft sprechen zu können und gehört zu werden.

Den am Centre de logopédie arbeitenden Dolmetschern stehe es im Übrigen auch nicht zu, im Namen der Gehörlosen zu sprechen, da sie aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses nicht neutral seien, so der Vorwurf der Gehörlosenvertreter, die die beiden Minister auffordern, „uns Gehörlosen wieder das Mitspracherecht zu gewähren, das uns zusteht“

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