Grundsteuererhöhung: Zur Kasse, bitte!
Grundsteuererhöhung: Zur Kasse, bitte!
Die Gemeinden müssen im Kampf gegen die Wohnungsnot aktiver werden, heißt es seit vielen Jahren. Die Gemeinde Diekirch wird nun auf eine Weise aktiv wie noch keine Gemeinde vor ihr.
Der Gemeinderat hat am 2. März 2020 einstimmig beschlossen, die Grundsteuer auf Baulücken, die seit Jahrzehnten brachliegen, ab 2021 um das 20-Fache zu erhöhen. In Diekirch befinden sich 42 solche „alten“ Parzellen, die knapp 20 Eigentümern gehören. Die Gemeinde möchte die Besitzer dazu bringen, ihre Baulücken zu bebauen oder aber zu verkaufen, damit dort gebaut werden kann. Das Instrument, das die Gemeinde anwendet, ist das sogenannte B6 (Taxe de non-affectation à la construction).
Möglichkeit besteht seit 2008
Die Möglichkeit für Gemeinden, leer stehende Wohnungen und unbebautes Bauland zu besteuern, wurde 2008 mit dem ersten Pacte-Logement-Gesetz eingeführt. Laut Wohnungsbauminister Henri Kox (Déi Gréng) haben seither 80 Gemeinden die Grundsteuerklasse B6 eingeführt, „allerdings mit einem Steuersatz, der zwischen 200 und 1.500 Prozent liegt“, wie Henri Kox am Mittwoch auf Nachfrage betonte.
Diekirch hebt den Steuersatz nun von 750 auf 15.000 Prozent. Ein Beispiel: Wer vorher 190 Euro pro Jahr bezahlt hat, bezahlt künftig 3.800 Euro an Steuern, es sei denn, der Eigentümer beantragt vor 2021 eine Baugenehmigung. „Sobald die Baugenehmigung vorliegt, verschwindet das Grundstück aus dem B6“, so der Diekircher Bürgermeister Claude Haagen (LSAP). Ab diesem Zeitpunkt bleiben dem Eigentümer noch zwei Jahre Zeit, um mit dem Bau zu beginnen.
Doch warum wartet der Bürgermeister die bevorstehende Grundsteuerreform nicht ab, die Teil der großen Steuerreform werden und noch in diesem Jahr vorliegen soll? „Weil die Lage akut ist und etwas geschehen muss“, so Haagen. Noch ist unklar, was die Regierung in Sachen Grundsteuerreform konkret plant. Für Haagen aber steht fest, dass der Vorstoß seiner Gemeinde nicht konträr zu den Plänen der Regierung ist. Schließlich sei das Ziel, Baulücken zu erschließen.
Begeisterung hält sich in Grenzen
Wohnungsbauminister Henri Kox hält die Vorgehensweise der Gemeinde angesichts der Lage auf dem Wohnungsmarkt für angebracht, zumal der Steuersatz von 200 bis 1.500 Prozent nicht wirklich hoch ist und bislang nichts bewirkt hat. Auch bei den leer stehenden Wohnungen wurde trotz gesetzlicher Möglichkeiten nicht viel erreicht. Ganze acht Gemeinden haben eine Taxe auf leer stehendem Wohnraum eingeführt.
Dennoch hält sich Kox' Begeisterung für den Vorstoß der Nordgemeinde in Grenzen. „Der Gesetzgeber wollte damals, dass die Gemeinden aktiv werden. Eine Gemeinde hat das jetzt getan. Da kann ich nicht sagen, dass das nicht gut ist“, so Kox am Mittwoch auf Nachfrage. Wichtig sei aber, das Instrument B6 in eine saubere nationale Lösung einzufügen und ein Gleichgewicht herzustellen zwischen Anreiz durch Hilfen und Steuerbefreiungen einerseits und Besteuerung andererseits, so der Wohnungsbauminister.
Ob es Nachahmer geben wird, wird sich zeigen. Der Vorsitzende des Gemeindesyndikats Syvicol, Emile Eicher (CSV), glaubt nicht, dass viele Gemeinden dem Beispiel Diekirchs folgen werden. Das Syvicol wartet erst einmal ab, was sich in Sachen Grundsteuerreform tut, „zumal es sich ja wahrscheinlich um eine grundsätzliche Reform handelt, die weit über das Instrument B6 hinausgeht“, so Eicher am Mittwoch auf Nachfrage. Das Syvicol habe keine Informationen über die geplante Reform. „Wir werden das Thema bei unserem Treffen mit der Innenministerin am 23. März auf jeden Fall ansprechen“, so der Syvicol-Vorsitzende.
Die Erhöhung der Grundsteuer in Diekirch ist substanziell, aber im Vergleich zum Ausland immer noch homöopathisch.
Henri Kox, Wohnungsbauminister
Seit gut 30 Jahren steht die Reform der Grundsteuer in allen Koalitionsverträgen. Zu einer Reform gekommen ist es in all den Jahren nicht. Dabei besteht dringender Handlungsbedarf – der Einheitswert wurde seit 1941 nicht mehr angepasst. Seitens Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) hieß es am Mittwoch, die Regierung sei dabei, auf Grundlage der neuen PAG einen neuen Berechnungsmodus auszuarbeiten, um den Einheitswert neu zu bestimmen. Weiter meinte sie, dass die Gemeinden ihre Steuersätze voraussichtlich an die neue Situation anpassen werden, allerdings nach wie vor im Rahmen ihrer Autonomie.
Weitere Steuererhöhung möglich
Ob die Steuererhöhung ausreicht, um die Grundstücksbesitzer zum Handeln zu bewegen, wird sich zeigen. Denn obwohl es sich um eine substanzielle Steuererhöhung handelt, „ist es im Vergleich zum Ausland immer noch homöopathisch”, so Henri Kox. Diekirchs Bürgermeister Haagen ist dagegen fest entschlossen, die Baulücken in seiner Gemeinde zu mobilisieren, zur Not mit einer weiteren Steuererhöhung.
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