Gramegna wird doch noch ESM-Chef
Gramegna wird doch noch ESM-Chef
Eigentlich war die Sache für Gramegna gelaufen. Die Abstimmungsregeln, um zwischen den Euro-Staaten einen neuen Chef für die Leitung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) auszusuchen, geben den großen Euro-Staaten ein faktisches Vetorecht über den Posten. Und Italien stand der Ernennung des ehemaligen DP-Finanzministers an der Spitze der in Luxemburg ansässigen Behörde im Weg. Die Lage war aussichtslos.
Denn anders als bei der Wahl für die Präsidentschaft der Eurogruppe verfügt nicht jedes Land über eine gleichberechtigte Stimme. Die Stimmen werden stattdessen je nach Anteil der jeweiligen Länder am ESM-Kapital berechnet. Chef wird dann jener Kandidat, der 80 Prozent dieser Stimmen für sich sammeln kann und nicht jener, der eine einfache Mehrheit der Stimmen erhält. Das Problem: Frankreich und Deutschland verfügen jeweils über mehr als 20 Prozent der Stimmen und Italien muss sich nur mit einem anderen Land alliieren, um ebenfalls über ein faktisches Veto zu verfügen.
Lange war die Lage dadurch festgefroren: Deutschland blockierte Gramegnas Gegenspieler, João Leão aus Portugal. Und Mario Draghis italienische Regierung, zusammen mit Portugal, stand Gramegna im Wege. Die Pattsituation hatte im September dazu geführt, dass Gramegna und Leão das Rennen aufgaben, da kaum Auswege in Sicht waren.
Meloni als Königsmacherin
Doch der Regierungswechsel in Rom brachte unerwartete Bewegung ins Spiel. Die rechtsradikale Regierung von Giorgia Meloni scheint nämlich keinerlei Probleme mit dem Luxemburger an der Spitze des ESM zu haben. Dadurch wurde Gramegna auf einmal mehrheitsfähig. Das bestätigte sich am Freitag bei einer Abstimmung der 19 ESM-Staaten.
Demnach hat es Gramegna doch noch geschafft, einen EU-Topjob zu ergattern. Er wird nun bald seine Arbeit als Chef im ESM beginnen. Ab dem 1. Dezember wird er die Nachfolge von Christophe Frankel antreten, der das Amt vorübergehend übernommen hatte.
„In dieser Krisenzeit bin ich überzeugt, dass Pierre als engagierter Europäer alle notwendigen Qualitäten mitbringen wird, um mit seiner Erfahrung und seiner Fähigkeit, Menschen zusammenzuführen, zur Stabilität und Solidität des Euroraums beizutragen“, ist sich Finanzministerin Yuriko Backes sich und gratuliert ihrem Vorgänger in einer Pressemitteilung.
Der ESM hat als Aufgabe, überschuldete Mitgliedstaaten der Eurozone durch Kredite und Bürgschaften zu unterstützen, die an Reformen geknüpft sind. Der ESM ist der wohl sichtbarste Teil des sogenannten „Euro-Rettungsschirms“, der im Laufe der Euro- und Griechenlandkrisen ins Leben gerufen wurde, um den Euroraum zu stabilisieren.
Doch seit 2015 hat der ESM keine Kredite mehr vergeben, weil die Behörde im Laufe der Euro-Krise für viele Regierungen - besonders in Südeuropa - politisch toxisch geworden ist. Denn für viele Europäer ist der ESM über die Jahre hinweg zum Synonym für die herzlose EU-Austeritätspolitik rund um die Euro-Krise geworden. „Demnach ist es für eine südeuropäische Regierung politisch sehr heikel, dort Geld anzufragen“, so Grégory Claeys, Finanzexperte bei der Denkfabrik Bruegel.
Gramegnas Hauptaufgabe wird es demnach sein, dem ESM eine neue Daseinsberechtigung zu finden und das Image der Behörde in Südeuropa zu verbessern.
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