Generalstabschef Steve Thull: "Die Armee ist offen für alle"
Generalstabschef Steve Thull: "Die Armee ist offen für alle"
Die Luxemburger Armee hat heute mehr und anspruchsvollere Aufgaben zu bewältigen als noch vor 30 Jahren. Sie nimmt an internationalen Friedens- und Trainingsmissionen teil, ist in Krisengebieten aktiv und hilft im Falle von Naturkatastrophen und Pandemien. Zudem hat die NATO den Aufgabenbereich der Bündnismitglieder auf den Cyber- und den Weltraum ausgedehnt.
Um diese Aufgaben zu bewältigen, braucht die Luxemburger Armee ein neues Gesetz. Verteidigungsminister François Bausch (Déi Gréng) hat den Entwurf am Freitag vorgestellt. Der Text ersetzt das Gesetz aus dem Jahr 1959, das veraltet ist, den heutigen Gegebenheiten trotz vieler Änderungen nicht mehr Rechnung trägt „und darüber hinaus keine Rechtssicherheit bietet“, wie François Bausch erklärte. „Mit dem Gesetz wollen wir allen Herausforderungen gerecht werden, die Armee als attraktiven und zukunftsorientierten Arbeitgeber positionieren und den Freiwilligendienst valorisieren“.
Zwei neue Karrieren
Herzstück der Reform ist die Schaffung von zwei neuen Militärkarrieren (A2 und B1). Sie richten sich an Kandidaten mit einem Première- beziehungsweise Bachelor-Diplom. „Sie müssen nicht wie aktuell der Unteroffizier und der Kaporal als Soldaten anfangen, sondern erhalten – wie im öffentlichen Dienst üblich – über eine Aufnahmeprüfung direkt Zugang zum Stage“, erklärte Bausch.
Mit den zwei neuen Karrieren möchte man ein breiteres Publikum ansprechen, mehr Kandidaten für eine Militärlaufbahn gewinnen und vor allem die Profile finden, „die mit den neuen Technologien, die heute in der Armee zum Einsatz kommen, umgehen können“.
Mit dem Gesetz wollen wir allen Herausforderungen gerecht werden, die Armee als attraktiven und zukunftsorientierten Arbeitgeber positionieren und den Freiwilligendienst valorisieren.
Verteidigungsminister François Bausch
Die Karriere A2 ist Teil des Offizierskorps, die Karriere B1 ist Teil des Unteroffizierskorps. Über die Carrière ouverte sollen auch C1-Militärs Zugang zur B1-Laufbahn bekommen. Wie bei der Polizei geschehe der Wechsel in die höhere Laufbahn nicht zu Lasten der Neurekrutierungen, so noch der Verteidigungsminister.
Frauenanteil erhöhen
Von den neuen Karrieren erwartet man sich mehr weibliche Kandidaten. Aktuell machen sie nur knapp zehn Prozent (A1) beziehungsweise fünf Prozent (C1) und zwei Prozent (C2) aus. „Wir sind optimistisch, dass wir mit den zwei neuen Laufbahnen deutlich mehr Frauen ansprechen“, so Bausch.
In der bestehenden A1-Laufbahn will die Armee gezielter rekrutieren und ausbilden. Neben der direkten Rekrutierung (Master) und der indirekten Rekrutierung (Sekundarschulabschluss) wird eine Quereinsteigervariante eingeführt. Sie richtet sich an Kandidaten mit einem Bachelor in Bereichen, die für die Armee interessant sein können, insbesondere in hochtechnologischen Bereichen. Nach zwei Jahren Studium haben die Kandidaten ihren Master in der Tasche und sind A1-Offiziere.
Eine weitere Neuerung bezüglich der A1-Karriere betrifft Kandidaten mit einem Sekundarschulabschluss. Statt die Militärschule zu besuchen, haben sie die Möglichkeit, in einer spezialisierten zivilen Ausbildung einen Masterabschluss zu machen. Die Armee brauche künftig auch Offiziere in spezialisierten Bereichen, die sie über den direkten Weg nicht rekrutieren kann, sagte Bausch.
Wir sind optimistisch, dass wir mit den zwei neuen Laufbahnen deutlich mehr Frauen ansprechen.
Verteidigungsminister François Bausch
Mit diesen beiden Änderungen möchte die Armee gezielter die Profile ausbilden, die sie braucht – insbesondere auch in den neuen Bereichen Cyber- und Weltraum.
Die gute Nachricht: Die Armee übernimmt die Kosten für die Ausbildung. Sie erwartet allerdings auch, dass die Kandidaten später tatsächlich in den Dienst der Armee treten. Wer dem Militär weniger als zehn Jahre dient, muss einen Teil der Ausbildungskosten erstatten.
Freiwilligendienst auf vier Jahre verlängert
Das Gesetz verlängert den Freiwilligendienst, von aktuell drei auf vier Jahre. Hintergrund sind laut Generalstabschef Steve Thull die über die Jahre gewachsenen Aufgaben- und Einsatzbereiche der Soldaten, angefangen bei den Auslandsmissionen im Rahmen der NATO und der EU bis hin zu nationalen Einsätzen im Katastrophenfall wie jüngst die Überflutungen oder noch die Covid-19-Pandemie.
Weil die Einsätze intensiver und vielfältiger und das Material, das eingesetzt wird, zunehmend komplex ist, müssen die Soldaten länger ausgebildet werden, und man kommt Thull zufolge nicht umhin, den Dienst zu verlängern. Manche internationalen Einsätze erfordern ein Engagement von drei Jahren. Auch deshalb drängt sich eine Verlängerung des Dienstes auf, „weil man die Soldaten sonst nicht einplanen kann“, so Thull.
Im Gegensatz zu früher werden immer mehr Soldaten für nationale Aufgaben gebraucht, was bedeutet, dass weniger Zeit für Auslandseinsätze bleibt. Von aktuell 36 Monaten Dienst bleiben Thull zufolge maximal sieben Monate für nationale Missionen übrig. Die restlichen 29 Monate verbringt der Soldat unter anderem mit der Grundausbildung, Einsätzen und Trainings.
Die Soldaten sind in der Sicherheitspolitik und der Struktur der Armee unverzichtbar.
Generalstabschef Steve Thull
Künftig soll der Dienst also vier Jahre dauern, mit der Möglichkeit, ihn um fünf Jahre zu verlängern (heute drei Jahre). Auch die Rekonversionsperiode wird von zwölf Monaten auf 18 Monate erhöht.
Welch wichtiger Pfeiler die Soldaten sind, verdeutlichen Zahlen: Von 2.300 Mann, die über die Jahre an den Friedensmissionen teilgenommen haben, waren 1.500 Soldaten. An den so genannten schnellen Eingreiftruppen waren 350 Mann beteiligt, davon 190 Soldaten. „Die Soldaten sind in der Sicherheitspolitik und der Struktur der Armee unverzichtbar“, so der Generalstabschef. Ziel ist es auch, möglichst viele Freiwillige für eine anschließende Militärkarriere zu motivieren.
Was die geplanten Neuerungen kosten werden, ist schwer abzuschätzen. Veranschlagt sind in einer ersten Phase 2,3 Millionen Euro.
Vom Image der Armee als Auffangbecken für junge Menschen ohne schulischen Erfolg möchte man wegkommen, ohne allerdings Unqualifizierte auszuschließen, wie Steve Thull betonte. Die Anforderungen, um Soldat zu werden, blieben mit dem neuen Gesetz unverändert. „In der Armee hat jeder seine Chance. Sie ist offen für alle.“
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