"Frauenkörper sind keine Kriegswaffe"
"Frauenkörper sind keine Kriegswaffe"
Nach und nach füllte sich die weiße Mauer im Eingangsbereich des European Convention Center Luxembourg (ECCL) mit Unterschriften. Aus allen Ecken der Welt waren Menschen dem Ruf von Großherzogin Maria Teresa gefolgt, um sich gegen sexuelle Gewalt als Kriegswaffe zu mobilisieren. "Es ist jetzt an der Zeit, Überlebende von sexueller Gewalt in fragilen Umgebungen anzuerkennen und zu unterstützen. Wir lehnen die Verwendung von Frauenkörpern als Waffen ab!", so die einschlägige Botschaft der Großherzogin, die am Dienstag die "Stand Speak Rise Up"-Konferenz eröffnete.
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Sexuelle Gewalt ist wie eine Splitterbombe. Sie hinterlässt einen Körper, der einem Schlachtfeld gleicht.
Ziel der Konferenz ist es, sexueller Gewalt als Kriegswaffe ein Ende zu setzen. "Die Begegnung mit Denis Mukwege und Nadia Murad hat mich dazu bewegt, einen Stein ins Rollen zu bringen", so Maria Teresa. "Das heutige Forum ist nicht ein Höhepunkt, sondern die erste Seite, die sich im Kampf gegen sexuelle Gewalt öffnet."
Im Zentrum des Geschehens standen Überlebende aus 15 Ländern. " Ich wollte, dass die Überlebenden die zentralen Akteure dieser Konferenz sind, die ich mit ihnen und vor allem für sie veranstalte", erklärte Maria Teresa.
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Premierminister Xavier Bettel richtete ebenfalls eine deutliche Botschaft an das Publikum: "Viele Menschen trauen sich nicht, über das Thema zu reden. Dieses Forum macht es anders. Das Thema sexuelle Gewalt in Kriegszonen ist so aktuell wie noch nie zuvor. Selbst in Europa gehört es zur Gegenwart, man muss sich nur die Geschehnisse im Kosovo vor Augen führen. Das Land ist nicht so weit von uns entfernt und die schrecklichen Geschehnisse sind erst ein paar Jahre her." Per Videobotschaft meldete sich auch Christine Lagarde, Direktorin des Internationalen Währungsfonds, zu Wort.
Ein langer Leidensweg
François Heisbourg, luxemburgisch-französischer Politikberater, und Céline Bardet, Gründerin der Organisation We Are NOT Weapons of War, warfen einen Blick in die Vergangenheit und untersuchten das Phänomen sexuelle Gewalt als Kriegswaffe aus einer historischen Perspektive. "Diese Waffe ist so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst", lautete das Fazit von Heisbourg.
Dr Fatou Bensouda, Chefanklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag:
Dennoch arbeiteten beide die 80er-Jahre als Wendepunkt heraus. "Die Situation hat sich seit den Krisen im Balkan, im Kongo oder im Ruanda verschlimmert. Die Welt wurde seitdem viel häufiger Zeuge von sexueller Gewalt als Kriegswaffe. Das liegt zum einem am geopolitischen Kontext. Das Ende des Kalten Krieges und des Kommunismus hat Platz für andere, viel schlimmere Ideologien gemacht. Außerdem haben sich die technologischen Mittel, besonders auf Informationsebene, modernisiert. Heute erfahren viel mehr Menschen als früher von diesen Verbrechen."
Mein Lachen und meine Menschlichkeit sind die stärksten Waffen, die ich besitze
Warum gerade Frauen Opfer sexueller Gewalt würden? "Es ist immer einfacher, sich an den Schwächeren zu vergreifen. Leider gehören die Frauen in vielen Gebieten der Welt zu den Schwächeren und sind kaum geschützt", so die Erklärung von François Heisbourg.
"Eine Botschaft des Friedens und der Hoffnung"
Den Opfern eine Stimme verleihen, lautete eine der Botschaften des Forums. Mit Nadia Murad (Nadia's Initiative und Friedensnobelpreisträgerin 2018), Iryna Dovhan (SEMA, Global Network of Victims and Survivors to End Wartime Rape), Fulvia Chunganá Medina (Red de Mujeres Víctimas y Profesionales und SEMA), Ekhlas Khudhur Bajoo (Ambassador of Hope, Roads of Success ) und Aline Munezero hatten die Gelegenheit, ihre ganz persönliche Geschichte und Erfahrung vor dem Publikum vortragen. Alle fünf Frauen haben Akte sexueller Gewalt in Kriegsgebieten am eigenen Leib erfahren.
"Mein Lachen und meine Menschlichkeit sind die stärksten Waffen, die ich besitze", lautete die positive Botschaft von Ekhlas Khudur Bajoo. Die Jesidin war als 17-Jährige von IS-Terroristen im Irak vergewaltigt worden. "Wie lange werden Kinder und Frauen noch sterben? Ich bin nicht hierher gekommen, um über den Terror und Horror zu berichten, sondern um zu sagen, dass es noch immer Hoffnung gibt. Wir schaffen das zusammen!"
Der Mann, der Frauen repariert
Ein ganz besonderer Moment war der Auftritt von Denis Mukwege. Der kongolesische Gynäkologe war 2018 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden, weil er für sich für die medizinische und psychische Behandlung von Verletzungen von Mädchen und Frauen, die durch sexuelle Gewalt verursacht wurden, einsetzt. Er gilt als führender Experte auf diesem Gebiet weltweit.
"Frauen haben die Kraft, Leiden in Macht umzuwandeln", meinte Mukwege zu Beginn seiner Rede. Für den Kongolesen muss es einen Paradigmenwechsel in der Mentalität der Menschen geben, will man den Kampf gegen sexuelle Gewalt gewinnen. "Wir müssen unseren Jungen anders erziehen. Der toxischen Maskulinität muss ein Ende gesetzt werden. Die Gleichheit zwischen Mann und Frau ist die Zukunft." Gleichzeitig forderte er von der internationalen Gemeinschaft ein härteres Vorgehen gegenüber Kriegsverbrechern: "In diesem Bereich muss eine rote Linie gezogen werden. Neue Gesetze müssen eingeführt werden", meinte Mukwege.
Dr Denis Mukwege, Friedensnobelpreisträger 2018:
Im Anschluss an die Diskussionsrunden fanden eine Reihe von Workshops statt, in denen nationale und internationale Experten sowie Überlebende selbst teilnahmen und ihre Erfahrungen, Ideen und Lösungsvorschläge zum Thema sexuelle Gewalt als Kriegsverbrechen diskutieren konnten.
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