Fernand Etgen: „Das Parlament ist voll funktionsfähig“
Fernand Etgen: „Das Parlament ist voll funktionsfähig“
Es war schon ein seltsames Bild, das sich dem Zuschauer bot, der am Dienstag die Übertragung der Corona-Debatte im Parlament verfolgte. Die Abgeordneten, die sonst vor der Eröffnung der Sitzung gerne noch ein kleines Schwätzchen halten, um sich mit ihren Kollegen auszutauschen, blieben vorschriftsmäßig auf Distanz.
Auch die übliche Sitzordnung im Plenum war kurzfristig angepasst worden. Nur jeder zweite Stuhl war besetzt. Wer keinen Platz im Plenum fand, musste sich die Debatte aus einem der Sitzungsräume im Nebengebäude per Videoübertragung anschauen. Parlamentarier, die älter als 65 Jahre sind, waren entschuldigt und konnten wegen des erhöhten Risikos zu Hause bleiben.
Bei allen Anwesenden wurde übrigens Fieber gemessen, bevor sie die Chamber betreten durften, auch die Hände mussten desinfiziert werden.
Die Sitzung selbst verlief sehr diszipliniert. Premierminister Xavier Bettel (DP) sprach als erster, und kündigte an, dass die Regierung wegen der Corona-Krise den Notstand verhängen wird. Dann informierte Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) die Abgeordneten über den Stand der Dinge.
Wir werden in kleinen Gruppen nacheinander hineingehen und abstimmen.
Fernand Etgen
Sämtliche Parteien stärkten der Regierung den Rücken. Die üblichen Zwischenrufe der Opposition – sonst ein fester Bestandteil jeder Plenartagung – blieben denn auch diesmal aus. Die Lage ist zu ernst für parteipolitisches Geplänkel.
Gespenstische Ruhe im Hohen Haus
Insgesamt läuft das Parlament im Moment auf Sparflamme. Alle Kommissionssitzungen wurden bis auf Weiteres ausgesetzt. Das Gleiche gilt auch für die Plenartagungen, es sei denn, es besteht dringender Handlungsbedarf. Das Personal arbeitet weitestgehend von zu Hause aus. Die Sitzungssäle und die Flure, wo normalerweise emsiges Treiben herrscht, sind verwaist. Es herrscht eine gespenstische Ruhe im Hohen Haus.
Das bedeutet aber nicht, dass die Chamber den Betrieb eingestellt hätte: „Das Parlament ist voll funktionsfähig. Wir kommen auch weiterhin unserer Rolle als Gesetzgeber nach, so wie dies in der Verfassung vorgesehen ist. Das Parlament übt auch in Notzeiten seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung aus. Wir arbeiten selbstverständlich alles ab, was wichtig ist“, erklärt Parlamentspräsident Fernand Etgen (DP) auf Nachfrage.
Und wichtig ist im Augenblick natürlich das Reglement, mit dem die Regierung den Notstand ausgerufen hat. Denn auch hier greift die parlamentarische Kontrolle. Nach zehn Tagen muss das Parlament die Maßnahme verlängern, so wie dies in Artikel 32.4 der Verfassung vorgesehen ist. Das Plenum muss also zusammenkommen, um darüber abzustimmen. Wegen der gravierenden Einschnitte, die eine Verhängung des Notstands nach sich ziehen kann, ist bei der Abstimmung wie beispielsweise bei Verfassungsfragen eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Mindestens 40 Abgeordnete müssen also dafür stimmen.
Nachdem sich die Volksvertreter am Dienstag geschlossen hinter die Regierung gestellt hatten, wird das Quorum nicht das Problem sein. Doch organisatorisch wird die Abstimmung eine kleine Herausforderung. Denn wegen der Ansteckungsgefahr müssen die Abgeordneten Abstand halten. „Wir sprechen uns gerade via Mail ab, wie wir das Ganze organisieren“, erklärt Etgen.
Normalerweise stimmen alle Abgeordneten gleichzeitig ab. Diesmal wird sich die Abstimmung aber unweigerlich etwas länger hinziehen, weil sich immer nur einige wenige Parlamentarier gleichzeitig im Plenum aufhalten dürfen. „Wir werden in kleinen Gruppen nacheinander hineingehen und abstimmen“, erklärt der Kammerpräsident.
Wann das Parlament zusammenkommen wird, ist noch nicht gewusst. Fernand Etgen rechnet damit, dass die Sitzung Anfang kommender Woche stattfinden wird. Wenn es wirklich schnell geht, könnte das Votum vielleicht noch in dieser Woche angesetzt werden, vorausgesetzt, das Gutachten des Staatsrats liegt bis dahin vor.
Premier Bettel hatte die Entscheidung, den Notstand zu verhängen, übrigens am Dienstag sowohl mit dem Parlament als auch mit der Hohen Körperschaft abgesprochen. Erst danach hatte er die Maßnahme im Plenum öffentlich verkündet.
Beihilfen dringend erforderlich
Doch das Notstandsreglement ist nicht der einzige Entwurf, bei dem das Parlament kurzfristig seine Zustimmung geben muss. Auch die Gesetzesvorlage zu den Beihilfen für die kleinen und mittleren Unternehmen, den Mittelstandsminister Lex Delles (DP) schon am 13. März eingebracht hatte, muss möglichst schnell verabschiedet werden. Die Betriebe sind nämlich auf die Hilfe angewiesen.
Also muss der zuständige Ausschuss zusammenkommen. „Die parlamentarischen Arbeiten erfolgen über Videokonferenz“, erklärt der Parlamentspräsident.
Mit Videokonferenzen hat Fernand Etgen in den vergangenen Tagen übrigens bereits gute Erfahrungen gemacht. Für die wöchentliche Fraktionssitzung der DP wurden die Abgeordneten von zu Hause aus zugeschaltet.
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