Fangfrage beim neuen Congé parental
Fangfrage beim neuen Congé parental
(BB/ks) - Die Regierung hat in der Reform des Congé parental flexible Auszeiten für Eltern in Aussicht gestellt, die gerne monats- oder tageweise in Elternurlaub gehen möchten (siehe dritter und vierter Punkt in der Tabelle). Voraussetzung ist, der Chef stimmt zu.
Diese neuen Formen sind eine Alternative zum bisherigen Voll- und Teilzeit-Elternurlaub von sechs bzw. zwölf Monaten, der künftig auch in vier bzw. acht Monaten genommen werden kann.
Wie sollten die Arbeitgeber mit ihrem Vetorecht bei den neuen Modellen und auch beim bereits bestehenden Teilzeit-Elternurlaub umgehen? Und inwiefern ist die freiwillige Flexibilität wirklich ein Mehrwert? Zwei Kommentare zum Thema.
Die nicht ganz so einfache Flexibilität
Von Bérengère Beffort
Für die Familien klingt es zunächst wunderbar: Mit dem neuen Congé parental sollen berufstätige Mütter und Väter sowohl Profis am Wickeltisch sein als sich auch hervorragend im Job hervortun können. In Wirklichkeit wird es allerdings nicht ganz so einfach sein. Denn die äußerst flexiblen Modelle setzen das Einverständnis des Arbeitgebers voraus.
Weil hoch qualifizierte Mitarbeiter und technisch begabte Fachkräfte als harte Währung gelten, werden einige Betriebe ihren Top-Kräften entgegenkommen. Viele Unternehmen, so gut sie es auch mit ihren Beschäftigten meinen, reagieren aber verhalten beim Gedanken, die betriebsbedingten Zwänge und elterlichen Vorstellungen bündeln zu können.
Laut Gesetz ist es dem Arbeitgeber zwar überlassen, flexible Arbeitszeiten abzulehnen. Doch das ist nicht ohne Folgen. Negative Antworten riskieren über den Antragsteller hinaus, das generelle Betriebsklima zu beeinträchtigen. Die Sorge des Unternehmers um die Kompetitivität und Produktivität lässt sich aber auch nicht von der Hand weisen.
Die Freiwilligkeit wird demnach zur Fangfrage. Die von der Regierung in Aussicht gestellte Flexibilität ist für die Arbeitnehmer nicht ganz greifbar und wird für die Arbeitgeber zum Dilemma.
Ohne klare gesetzlichen Ansagen, die weitgehend mit den Arbeitgebern abgemacht werden, könnte es noch Jahre dauern, bis eine bessere Balance zwischen Beruf und Familie im Sinn aller Parteien Realität wird.
Jetzt ist guter Wille gefragt
Von Kerstin Smirr
Was die Regierung bei den neuen Modellen des Elternurlaubs zu bieten hat, ähnelt einer Mogelpackung: Nach außen hin lässt sich die neue Flexibilität wunderbar als fortschrittlich verkaufen, doch bleibt fast alles beim Status Quo, wenn die Arbeitgeber künftig gegenüber ihren Mitarbeitern ein Veto einlegen.
Dabei schreitet die Gesellschaft voran. Die Alleinverdiener-Ehe gehört angesichts kaum bezahlbarer Immobilienkredite vielfach der Vergangenheit an. Viele Männer wollen trotz anstrengendem Job im Leben ihrer Kinder präsenter sein als ihre eigenen Väter es bei ihnen waren. Immer mehr Frauen wünschen sich Zeit mit dem Nachwuchs, aber auch berufliche Erfüllung und finanzielle Autonomie. Nicht zuletzt ist es die Regierung, die ihre Erwerbstätigkeit propagiert.
So wäre es die Aufgabe der Politik gewesen, beim Elternurlaub Wahlmöglichkeiten verbindlich festzulegen und den Menschen in der Rushhour ihres Lebens mit individuellen Lösungen entgegen zu kommen. Was der Regierung nun bleibt, ist auf den guten Willen der Unternehmen zu hoffen.
Doch sind letztere über die flexiblen Modelle nicht ausnahmslos glücklich. So bemängelt die Handwerkskammer, dass Vertretungen nur schwer zu organisieren seien. Sicher, leicht wird es nicht. Unmöglich ist es aber auch nicht. Und immerhin: Wer statt einiger Monate nur hier und dort in Elternzeit geht, ist oft genug da, um sich kontinuierlich einzubringen und nichts Wichtiges im Berufsalltag zu verpassen. Zudem sollten Arbeitgeber nicht vergessen, dass Kompetitivität nicht nur bei ihren Dienstleistungen und Produkten eine Rolle spielt, sondern auch beim Anwerben von qualifiziertem Personal, dessen Mangel insbesondere in der Handwerksbranche beklagt wird.
Wenn die Unternehmen nicht auch die Chancen erkennen, die die neuen Modelle für sie und ihre Mitarbeiter bieten, wird die Regierung an das Projekt Elternurlaub mit der Verabschiedung im Parlament keinen Haken machen können. In absehbarer Zeit werden die Statistiken sprechen. Stellt sich dann heraus, dass die Chefs die flexiblen Modelle in der Praxis meist ablehnen, muss ihr Vetorecht aus dem Gesetz gestrichen werden.
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